Verletzungsphoto (und ich geh‘ nicht zum Arzt)

beinoffen

Kürzlich ging der Schorf ab. Es hat ein wenig gejuckt, ich habe sanft rumgepopelt und zack, ab wars. Drunter – Eiter. Nachdem ich meine Krankheitssituation und die Tatsache, daß das Bein unverändert angeschwollen ist, drei Tage lang mit meinen mütterlichen Kolleginnen besprochen habe, gab es keine Ausrede mehr: ich mußte zum Arzt gehen.
Meine Hausärztin, eine nette ältere Dame ausm Osten, begutachtete ausführlich das Bein und erzählte mir 20 Minuten lang, wie schlimm und ungewöhnlich das ist und daß man da wohl nichts machen kann. Dann rief sie „Schwester Claudia“, die mir eine kühlende Creme auf die Schwellung, eine desinfizierende Creme auf die Wunde und einen dicken Verband um die Gesamtsituation gemacht hat. Zum Abschluß gab es eine Überweisung an einen Unfallchirurgen namens Dr. Zorn. Auf meine kecke Nachfrage, ob der denn auch nett sei, konnte ich keine eindeutige Antwort erlangen.
Bislang hat die Ärztin mich jedes Mal, wenn ich bei ihr war (Halsentzündung u.ä.) zum Spezialisten überwiesen. Damit bin ich nicht so ganz glücklich, weil mich das viel Zeit und Geduld kostet und die Spezialisten am Ende auch nichts machen, das nicht auch die Hausärztin hätte tun können (ein Antibiotikum verschreiben; mir die Auskunft geben, daß man da nix machen kann etc.). Dementsprechend verweigere ich mich momentan einem Besuch bei Dr. Zorn und wäge noch ab, ob ich mich mit Salben selbstmedikamentiere oder einfach gar nix mache.
Positiv ist jedoch, daß sowohl die Ärztin als auch „Schwester Claudia“ mich so richtig bemitleidet haben, das tut ja auch mal gut. Auch hier viel mir auf, daß mein Bein auf eine Weise berührt wurde, die man schon beinahe zärtlich nennen kann und für die keine medizinische Notwendigkeit bestand. Meine Freundinnen umarmen mich zwar jedes Mal zur Begrüßung, aber aufgrund meiner langen Partnerlosigkeit ist es doch selten, daß mir jemand übers Bein streicht, oder über den Kopf. Ich weiß erst, wenn es in solchen außergewöhnlichen Situationen passiert, daß es mir fehlt.

(In meiner Jugend hörte ich manchmal „Fettes Brot“. Ich meine mich an einen Song namens „Und ich geh‘ nicht zum Arzt“ zu erinnern. Spukt mir im Kopf herum, zur Zeit.)

Hoffnung

„Ich habe erleben müssen, wie zerstörerisch Hoffnung sein kann.“ , sagt Jan Phillip Reemtsma. Auf den ersten Blick wirkt diese Aussage widersprüchlich; im allgemeinen Verständnis gilt die Hoffnung als positive, gar lebenswichtige Kraft, die den Menschen nützt, nicht schadet. Was Reemtsma erlebt hat, ist extrem, dennoch scheint in seinem Verständnis von Hoffnung eine Wahrheit zu stecken, die auch Durchschnittsmenschen betrifft. Mich jedenfalls. Ich verspüre wieder Hoffnung dieser Tage; sie pusht mich ganz nach oben, es geht mir glänzend, und dann habe ich wieder Zweifel – oder ist es ein Flash von Realismus? Ausgeleiert wie ein Gummiband, das ständige hin und her.

Mittwoch

Zur Zeit Frust mit meiner Arbeit, weniger aufgrund äußerer Einwirkungen als vielmehr, weil ich mit meiner Leistung selbst unzufrieden bin. Diese Unzufriedenheit, das Ausbleiben von Ergebnissen und eine bisher so nicht gekannte Unsicherheit beim Experimentieren rauben mir die Freude und den Elan. Manchmal sehe ich mich aus der Vogelperspektive, wie ich abends viel zu lange aufbleibe, um den Morgen aufzuschieben, und am nächsten Tag viel zu müde bin. Wie ich mit fadenscheinigen Ausreden Experimente auf den nächsten Tag verschiebe, viel zu früh nach Hause gehe und dann nicht viel mit mir anzufangen weiß, weil die erschwindelte Freizeit einen seltsamen Beigeschmack hat. Dabei würde sich meine Situation am schnellsten verbessern, wenn ich mehr und besser arbeiten würde. Dann könnte ich auch wieder zufriedener mit mir sein.

(ohne Titel)

Das schöne am Essen ist, daß sich Sehnsüchte nach bestimmten Speisen relativ einfach befriedigen lassen.

Manchmal verzweifele ich an der Ungenauigkeit von Sprache: ich würde ein besseres Wort für Sehnsucht brauchen. Oder es immer in einen Kontext einbauen müssen, so wie oben, mit dem Finger drauf deuten und sagen: diese Art von Sehnsucht, ja genau. Oder von yearning sprechen, und von craving .

Heute habe ich einfach nur Hunger, keinen Appetit, nichts, daß nach etwas bestimmtem verlangt. Ihn zu stillen, ist deshalb nicht Lust, kein Vergnügen, sondern nur Pflicht.