Ich sitze in meinem Büro, es ist nachts um halb vier. Dann stehe ich auf, gehe durch die Tür und streife durch die Gänge. Das Gebäude ist eine Verschmelzung aus allen Orten, an denen ich gearbeitet habe. Alles ist fast real: der Ort, die Zeit, die Atmosphäre, die Tätigkeiten – nur knapp vorbei an dem, was wirklich ist.
In der Ferne kreuzen Menschen meinen Weg, ihr Ziel fest vor Augen. Dann, plötzlich, der junge Mann, den ich letzte Woche im Rahmen einer Schulung unterrichtet habe. Er trägt diesen weinroten Pullover, darüber einen Laborkittel, sein halblanges Haar ist wild und zauselig. Aus den zwanzig Schülern hat er herausgeragt: er kann nicht zeichnen, aber er hat Humor und Grips. In mir flattert was.
Ich gehe wieder zurück in mein Büro, blicke auf den Monitor. Es klopft an der Tür. Es ist der junge Mann. Entschlossen, ernst und ruhig sagt er zu mir, daß er es nicht mehr aushält. Wir müssen einfach zusammen sein!
Einen Moment später liegen wir überraschend weich auf dem graugemusterten PVC-Boden meines Büros und küssen uns. Wir genießen es, einander langsam auszuziehen, die Stoffe wie Schleifen aus Satin, die zärtlich aufgezogen werden. Er deckt mich mit dem Laborkittel zu und ich lasse meine Hand über seine Haut gleiten, bin fasziniert von der Textur und der Wärme, als hätte ich Jahrzente keinen Menschen mehr berührt. Dann habe ich seinen Schwanz in meiner Hand, in meinem Mund, in mir. Was für ein Glück, denke ich.
Als ich am nächsten Morgen in mein Büro komme und den PVC-Boden sehe, werde ich ein wenig rot.
Zum nächsten Schulungstermin kommt der junge Mann zu spät. Er trägt einen blauen Kapuzenpullover. Ich rufe ihn an die Tafel, er muß eine Aufgabe lösen. Natürlich kann er die Aufgabe, er ist schließlich clever, aber er fühlt sich trotzdem gestraft. Und wie immer sind meine Worte zu scharf, mein Humor zu trocken… Distanz ist richtig, Distanz ist gut.
Als er mir die Kreide zurückgibt, berühren seine Fingerspitzen kurz meine Handfläche. Das war das.