Adaption

Sie sei ausgegangen, erzählt Ruth, mit einer Kollegin, die sie eher flüchtig kannte, auf ein Konzert einer unbekannten Band in einem kleinen Club. Die Musik hätte ihr nicht so sehr gefallen, deshalb habe sie sich die Menschen angeschaut, besonders gefallen hätte ihr der Türsteher. „Guck, guck!“, hätte sie die Kollegin in die Rippen gestupst, „sieht der nicht ein bisschen aus wie James Hatfield?“. Und tätowiert sei er auch gewesen. Ich nicke, ich weiß, was Ruth an einem Mann gefällt.
Nach dem Konzert hätten sie sich noch mit ein paar Leuten unterhalten, wen man halt so kennenlernt, genauer: wen Ruth eben so kennenlernt, sie kann sehr witzig sein, eloquent und voller Lebendigkeit. Die Kollegin hätte still und schüchtern daneben gesessen. Irgendwann hätte sich auch der Türsteher zu ihnen gesellt, er hatte schon Feierabend, und als der Club kurz darauf zu machte, seien sie noch woanders hin gegangen.
Dann sei die Kollegin aufs Klo verschwunden, man hatte ja auch schon einiges getrunken. Als sie nach einem gerüttelt Maß Zeit nicht zurückkehrte, sei sie nachschauen gegangen. Sie habe an der Tür der Damentoilette geklopft, herausgekommen sei – der Türsteher, und ein wenig später auch die Kollegin.
Ein paar Tage später habe sie die beiden wieder getroffen. Sie sind jetzt ein Paar. Der Türsteher sei auf sie zugekommen, habe sie umarmt und gesagt: „danke!“. Angefühlt hätte sich das vor allem ungerecht. Die Kollegin habe sich im November von ihrem Freund getrennt, oder er sich von ihr, und war vor jenem Konzert nicht mehr unter Menschen. Und dann ein Abend und zack! Sie sähe halt gut aus, jene Kollegin, sei vor allem schlank, auch wenn sie nicht mehr ganz jung ist.
***
Mich bedrücken ja nicht die schönen Menschen, die mit einem Fingerschnippen einen Partner finden. Mich bedrücken eher die nicht so schönen Menschen, mit eher durchschnittlicher Persönlichkeit, die jemand finden, während man selbst alleine bleibt.
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„Gehst du mit mir zum Speed-Dating?“, fragt Ruth. Been there, done that, und wollte mich danach in den Schnee legen und sterben. Aber ich bin ja älter geworden, kann besser umgehen mit Ablehnung, kann vielleicht sogar zwanzigfache Ablehnung in zwei Stunden überleben. Und wenn Ruth jemand findet, werde ich mich für sie freuen, oder zumindest überzeugend so tun, als ob.

ruecken

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