Als junge Frau habe ich siebzehnmal The Cure live gesehen. Ich sah sie auf Festivals, in großen Hallen und kleinen Clubs, die meisten Konzerte innerhalb einer Tour im Jahr 2000. Ich habe kein Buch darüber geschrieben, auch kein Weblog, aber ich hätte einen guten Titel dafür gehabt: frontrow experiences. Denn ganz vorne zu stehen, das war uns damals sehr wichtig, ganz nah dran, möglichst tief in der Musik drin, jede Note spürbar, jede Songzeile unter die Haut. Vorne links, das war mein Lieblingsplatz. Mittig war man zwar näher an Robert Smith, aber das war mir irgendwie nicht so wichtig, außerdem war’s da immer so voll, und der Punk drückte unangenehm von hinten. Überhaupt – die Mitte, nein danke. Bloß kein Mainstream sein.
Left of center heißt auch ein Song von Suzanne Vega, die ich neulich zusammen mit der wunderbaren Frau Novemberregen sehen durfte. Es war ein sehr heißer Sommertag, wir hatten beide tagsüber hart in unseren jeweiligen Büros gearbeitet, genossen nun die klimatisierte Konzerthalle, und standen ganz hinten, ein kühles Getränk in der Hand, kein Gedränge mehr, nur ein lockeres Zusammenstehen von Leuten. Dann kam Suzanne Vega auf die Bühne, eine exzellente Performerin mit hervorragenden Songs, sie hat das Publikum schnell für sich begeistert. Sie macht das anders als Robert Smith, aber auch sehr gut: sie hat eine Freude an ihrer Musik, die die Menschen ansteckt, ihre Töne und Worte haben eine Klarheit, die nur jene nicht berührt, die innerlich bereits betäubt sind. Bei The Cure ist das anders: es kommt – meist im zweiten Drittel der Show, wenn es eine gute Show ist – eine Stimmung auf, bei der alle zehntausende Konzertbesucher eingestimmt sind auf Robert Smith und die Musik, konzentriert auf ihn und das Geschehen, minimalste Gesten genau wahrnehmend, präsent im Augenblick und doch im Fluß. Ich würde fast sagen, es sind Momente der Transzendenz, aber vielleicht habe ich damit Unrecht.
Beim Konzert von Suzanne Vega hat mich enorm gestört, dass im Publikum teilweise sehr viel geredet wurde. Vorne steht diese großartige Frau und singt mit ihrer Stimme, like the bells of the cathedral, und neben mir wird gequatscht. Was kann es zu bereden geben, das nicht warten kann? Ich hatte nicht den Eindruck, dass es Dinge sind, die Gewicht haben, kurze Beobachtungen, die sofort geteilt werden müssen, nein, es war Gelaber, es war ein running commentary, eine dilettantische Untertitelung des Geschehens. Es ist mir schwer gefallen, mich davon zu lösen, mich in die Musik hineinfallen lassen zu können. Ob es daran liegt, dass ich älter geworden bin? Ich habe es letzendlich dadurch gelöst, dass ich weiter nach vorne gegangen bin, noch keine Frontrow, aber näher dran. Und ich weiß, Glashaus, Steine, denn ich äußere mich ja auch zu den Dingen, jetzt gerade zum Beispiel, aber ich weiß auch, wann es Zeit ist, die Klappe zu halten, den ewigen Strom der Kommentierung und Bewertung auszuschalten. Nämlich beim Sex und bei der Musik, denn dann geht es darum, ganz da zu sein. Man sagt, beides seien Überbleibsel aus dem Paradies, und wer es zulässt, kann das wirklich spüren.