Ich sitze auf dem Balkon der zauberhaften Sarah und blogge. Gerade eben saß sie noch neben mir und wir haben uns unterhalten, ein schönes mäanderndes Gespräch an einem Sommerabend, über dies und das, das leichte und das schwere, und hier und da mussten wir sehr lachen. Frau Novemberregen ist es heute zu heiß, es ist wirklich nicht ihr Wetter.
Als ich über die Autobahn zu Sarah gefahren bin, hat es angefangen zu gewittern. Dicke, fette Tropfen, die auf der Windschutzscheibe explodieren, alles wird ganz langsam und in einem seltsam verwaschenen Grauton, und alles fokussiert sich auf den Moment, wie in einem Tunnel. Es blitzt am Himmel, und auch hinter mir, Lichthupe, denn ich habe vergessen, die Scheinwerfer einzuschalten, und etwas später in der Stadt eine Radarfalle. Früher, als ich andere Gründe hatte, hier zu sein, waren höhere Geschwindigkeiten erlaubt.
Ich überquere den Rhein, bin wieder einmal überrascht, wie mächtig und breit der Fluß hier ist. Ich möchte hier mit einem Boot fahren, unbedingt, jetzt gleich.
Die zauberhafte Sarah hat eine neue Wohnung, traumhafte Lage, Altbau, sehr viel Charme, und einen wunderschönen Balkon, liebevoll und mit einer Brigarde an Topfpflanzen auf dem Balkongeländer. Innerstädtisch, ein Supermarkt nebenan, aber hier ist es ruhig, die Autos weit weg wie sanfte Wellen, ein Blick über vier oder fünf Hinterhöfe entlang, ganz am Ende die Terrasse einer Sauna, dunkle Männerstimmen, nackte Oberkörper. Die zauberhafte Sarah reicht Häppchen an, und ich sitze neben ihr und weiß, dass ich das beste Leben lebe.
Ein wenig erinnert mich Sarah an eine normannische Königin: sie ist sehr schön, aber ach zart und würdevoll, hart und unnachgiebig. Ich habe von ihr einige Lektionen in Sachen Durchhaltevermögen gelernt: aushalten, nicht mehr Kraft mit Klagen vergeuden als nötig, Gesicht bewahren, still die Rache planen. Es ist wünschenswert, sagt die zauberhafte Sarah, wenn die Dinge so sind, dass man sich emotional zwischen 4 und 7 auf der Skala von 1-10 befindet. Aber manchmal sind die Dinge nicht so gut, und wenn wir unter vier rutschen, sagt sie, dann ist es auch egal. Dann geht es nur noch ums durchhalten und abwarten.
Die zauberhafte Sarah und ich möchten heute in den Himmel schauen, Perseiden beobachten. Es hat aufgehört zu regnen, der Himmel ist bedeckt, aber wir hoffen, dass es gleich aufklart. Vor drei oder vier Jahren haben wir das schon einmal gemacht, sind rausgefahren auf eine Wiese, haben uns hingelegt und nach oben geschaut. Die Perseiden sind ein Sternschnuppenregen, ausgelöst durch einen Komet, der um die Sonne zieht. Einmal im Jahr bewegt sich die Erde durch den Partikelschweif, den der Komet hinterlassen hat, und feinste Teilchen verglühen in der Erdatmosphäre. Und wir sehen Sternschnuppen.
Irre, dass es gar nicht die Sterne oder Planeten sind, die sich bewegen, sondern wir, auf diesem Raumschiff, das die Erde ist.
Solange es nicht bewölkt ist, kann man die Sterne jederzeit sehen. Aber wir machen es nur, wenn es Perseiden gibt. Ich versuche sie jedes Jahr zu sehen, und ich hatte großartige Erlebnisse, aber auch sehr mittelmäßige: bewölkt, zu viel Lichtverschmutzung, Wildschweine. Das ist die Magie: dass sich besondere Erlebnisse nicht ohne weiteres replizieren lassen, dass immer auch ein Quentchen Glück dazu gehört, damit wir in Resonanz kommen mit uns und der Welt.
Die zauberhafte Sarah sitzt neben mir, liest auf ihrem Handy, trinkt ein Glas Wein, und lacht manchmal leise, und wartet, bis ich fetiggeschrieben habe. Ein Glück, dass wir uns begegnet sind.
Es ist Nacht geworden, und wir müssen los.