Den Tag mit Esther Perel begonnen, die ich für ihre Serie How’s work sehr schätze. Im Podcast spricht sie mit der New York Times über Beziehungen und die Pandemie, remote working und Gespräche mit Trump-Befürwortern.
Zwei Themen bleiben mir vor allem in Erinnerung: working from home, sagt sie, sei eigentlich working with home. Zuhause fallen alle Rollen zusammen, wir sind zeitgleich Mitarbeiterin, Vorgesetzte, Hausfrau, Ehepartner, Elternteil etc. Das ist kräftezehrend, zumal die Gelegenheit fehlt, uns an anderen Orten als eine andere zu erleben: im Restaurant, in der Oper, auf Reisen, in Konferenzräumen. Esther Perel merkt an, dass wir zwar per Video sehr gut aufgabenorierntiert zusammenarbeiten können, aber die interpersonelle Ebene fehlt: das kreative, das zufällige, mentoring, wachsen, Führung.
Zum anderen geht es darum, wie man mit Trump-Unterstützern in der Familie umgehen kann. Hier rät Esther Perel dazu, sich nicht so sehr auf die inhaltliche Ebene zu konzentrieren, denn man wird nur diskutieren und streiten und zu keinem Ergebnis kommen. Sie findet es wichtiger, sich auf das zu konzentrieren, was einen mit der anderen Person verbindet, und was wir an dem anderen schätzen: Talk to the person, not from their lowest part. Talk to her from her aspiration.
Im Büro dann erst einmal ein Ärgernis: meine externe Dienstleisterin hatte die Daten von gestern für mich bearbeitet und sie mir verschlüsselt zurückgeschickt. Normalerweise gehe ich dann auf ein Portal, melde mich an und kann die Daten dort runterladen. Heute jedoch war das Portal für mich gesperrt, da die IT auf einem anderen Kontinent beschlossen hatte, für alle Mitarbeiter ein anderes Filterprogramm anzuwenden, in dem natürlich nicht meine Berechtigungen und Freischaltungen hinterlegt waren. Etwa drei Stunden und zahlreiche Tests, Chats und Anrufe hat es gedauert, bis die IT das Problem identifiziert und gelöst hatte. Schmerzhaft.
Am späten Vormittag dann der Paukenschlag: der europäische CEO ist zurückgetreten. Das ist gar nicht gut, hat zu diversen Besprechungen, hektischen Telefonaten und langen Gesichtern geführt. Mein Netzwerk angeworfen, aber noch nicht rausbekommen, warum er gegangen ist und was das bedeutet. So ganz freiwillig kann es nicht gewesen sein. Eine große Veränderung liegt in der Luft, und wie Sheldon Cooper wusste, ist Veränderung niemals gut. Und ich habe schon mit dem business as usual genug zu tun.
Mit dem Geschäftsführer und einem Kollegen mittagessen gegangen, sofern man das heutzutage noch kann. In unserem Fall bedeutete das: beim Edelitaliener Pizza zum mitnehmen bestellt, in der Wartezeit eine kleine Runde durch den Park, vorbei am leerstehenden Hotel. Meinem Vorgesetzen auch eine Pizza mitgebracht, zu viert im Konferenzraum mit Abstand gegessen. Geschäftsführer hat Kaffee ausgegeben.
Es heißt ja, dass wir im Job alle nach drei Dingen streben: gesehen werden, Wertschätzung und Zugehörigkeit. Ich mag es schon, dieses Pizza essen und abhängen mit den coolen Jungs, aber vielleicht sollte ich es lieber nicht zugeben.
Nachmittags ein längeres Gespräch geführt mit meiner Mitarbeiterin, die gestern so geklagt hatte. Im Gespräch wurde sie immer ruhiger und entspannter, es hilft, glaube ich, Aufmerksamkeit zu geben und das Gefühl, gesehen zu werden, auch, wenn ich keine Lösung für sie aus dem Ärmel zaubern kann und so manches auch anders beurteile als sie.
Im Anschluß gleich ein Gespräch mit meinem Vorgesetzen auf meinen Wunsch. Erstmal gefragt, wie es ihm geht (schlecht, seine Datenauswertung stürzt seit mehreren Tagen immer ab und er weiss nicht warum), ihn gefragt, ob er heute genug Geduld für mich hat („das werden wir ja dann sehen“) und ihn um Feedback für meine Führung bezüglich meiner Mitarbeiterin gebeten. Das ist nicht ganz gelogen, aber tatsächlich hängen die Abteilungen zusammen und mein Problem ist eigentlich auch sein Problem. Ihn gut dazu bewegt, über das Problem nachzudenken, mit ihm gemeinsam eine Strategie entwickelt. Keine Spitzen oder Sticheleien zugelassen, und mich in meiner Rolle gut gefühlt. Es war eines der besten Gespräche mit ihm seit langer Zeit.
Paar Sachen weggearbeitet, nach Hause gefahren, Gespräch mit meiner Mutter. Eine Bekannte von ihr ist überraschend verstorben, tot aufgefunden im Bett. Die Bekannte war immer wieder sehr depressiv, tat sich schwer mit tragfähigen Beziehungen und war sehr auf Status und materielle Güter ausgerichtet. Einen früheren Schlaganfall hatte sie gut überstanden, jetzt aber – so spekulieren wir – die Medikamente heimlich abgesetzt. Ein stiller Suizid.
Kontakttagebuch: zehn Leute im Büro mit Maske, ein Mann vom italienischen Restaurant, der die Nase nicht in der Maske hatte, es war aber alles draußen und mit Abstand; der Geschäftsführer, mein Chef, ein Kollege und ich im großen Konferenzraum mit Abstand, aber ohne Maske, meine Mitarbeiterin und ich in meinem winzigen Büro mit maximalen Abstand aber ohne Maske, mein Chef und ich in seinem Büro mit sehr soliden Abstand und ohne Maske. Meine Mutter.