Meinen eigenen guten Rat ignoriert und morgens gleich den Fernseher angemacht. Da führt Trump, mit 180 zu 200. Zum heulen.
Gleich rumgearbeitet, morgens immer so einen Motivationsschub, der dann leider nachlässt. Biden steigt auf 238 zu 201 oder so, und bleibt da erst einmal eine ganze Weile stehen. Trump erklärt sich erst einmal zum Sieger, und ich mache den Fernseher aus. Auf TikTok erklärt eine Frau der Gen Z, dass sie regelmäßig Medikamente nimmt, und zweimal im Monat zum Chiropraktiker muss; sie ist Brillenträgerin und braucht Schuheinlagen und ist für den Bürgerkrieg wirklich nicht geeignet, und ich denke: I feel you.
Mittags einen Lunch mit einer ehemaligen Kollegin, schon ein paar Arbeitgeber her. Sie wird sich eine Wohnung kaufen, sagt sie, 120 qm in sehr guter Lage, bisschen unter einer Million, Kreditzinsen seien ganz gut gerade, Inflation kommt, Betongold usw.
Ich hatte mich schon weit bevor sie das sagte an einem kleinen Stück Käsespätzle verschluckt, sofortige Ersickungsangst und Schwindel, den Rest des Tages dauernd Hustenanfälle. Mal gucken, wie das weitergeht, mittlerweile schon den einen oder anderen Artikel in der Apotheken Umschau gelesen. Bei das fünfte Element hat sich auch ein Bösewicht verschluckt, an einer Kirsche oder Pflaume. Er hat ein Haustier, blau und mit einem langen Rüssel, das konnte fast alles, außer: ihm auf den Rücken klopfen. Da muss ich immer dran denken, wenn ich mich verschlucke, auch wenn ich mittlerweile weiß, dass man das Heimlich-Manöver auch alleine an sich durchführen kann. Wie das geht, wird zum Beispiel in diesem Video gezeigt.
Später einen sehr bizarren Videocall mit einem neuen Kollegen aus dem Team in England. Call war als „one-on-one“ bezeichnet, zu meiner großen Überraschung ist noch eine weitere Frau dabei. Schlechte Etikette, und als ich das adressiere, wischt er so drüber, ach ja, stimmt, sorry, aber meint es gar nicht so. Als ich die Frau frage, warum sie beim Call dabei ist und was ihre Rolle in der Organisation ist, lässt er sich nicht sprechen, sondern spricht für sie. Er spricht überhaupt sehr viel, auf so eine freundliche, belehrende, herablassende Art, aber hey, alles nicht so gemeint, immer locker nehmen. Mal sehen, wie lange er sich hält.
Ich rege mich darüber so auf, dass ich vergesse, abends einen wichtigen Systemtest durchzuführen. Das wird eventuell noch Ärger geben. Ich hole es schnellstmöglichst nach und erlebe im Anschluss noch ein kleines Produktivitätshoch.
Kurz Muttern in ihrer Wohnung besucht; sie war heute regelbrechend beim Lesezirkel mit zwei Freundinnen, also ein Treffen von drei Haushalten. Die Begegnung war ausgesprochen schön und hat sie aus dem beginnenden seelischen Tief gut herausgeholt, daher finde ich das nicht so ganz schlecht, aber auch nicht wirklich richtig. Tricky.
Wäsche aufgehängt und dazu die Tagesschau geschaut, zeitverzögert aus der Mediathek. Immer noch kein Wahlsieger.
Wenn es gut läuft, habe ich noch siebzehntausend Tage vor mir. Wenn es schlecht läuft, weil das kleine Stück Käsespätzle mir noch eine Lungenentzündung bereitet und es kein Beatmungsgerät mehr für mich gibt, oder weil irgendwelche weißen Dudes die Welt beenden oder mich, dann sind es deutlich weniger Tage. Dafür, dass meine Tage so wenige sind, und so kostbar, finde ich sie ganz schön langweilig.
Und kann doch nicht anders, als heute wieder Optimismus in mir zu spüren: dass bessere Tage kommen, Perseiden gucken, Boot fahren, Spaziergang am Rhein, am Strand in Abu Dhabi, nice little restaurants where they know your name, oder auch – und das vielleicht ganz bald – stillvergnügt im Sessel, gute Gedanken im Kopf, und ein interessantes Buch auf dem Schoß.
Kontakttagebuch: niemand außer Muttern.