Ich war heute auf einer Eigentümerversammlung, bei der die Hausverwaltung abgewählt wurde. Das war sehr spannend, fast wie ein sehr gutes Theaterstück.
Bei der Vertreterin der Hausverwaltung handelt es sich um eine junge Frau, vielleicht knapp 30, Mittelscheitel, Millenial, gebildet, ein bisschen verbissen, man traut ihr einen TikTok-Account zu, in dem sie vor allem die anderen kritisiert. Die Eigentümer im Durchschnitt eher jenseits der sechzig, graue Riege, weit mehr Männer als Frauen, nicht sicher, ob sie Die Zeit abonniert haben, auf jeden Fall Stiftung Warentest. Zur politischen Lage hätten sie jederzeit eine detaillierte Meinung. Sehr beeindruckt war ich aber von den beiden Männern im Verwaltungsbeirat: beide in meinem Alter, beides Praktiker und keine Akademiker, engagiert, aber nicht hungrig nach Aufmerksamkeit, statt intellektueller Spritzigkeit haben sie das Herz auf dem rechten Fleck und sie wissen, was richtig ist. Nette und angenehme Männer, denen begenet man ja nicht so häufig.
Jedenfalls: so eine Versammlung wird von der Hausverwaltung geleitet, es gibt eine Tagesordnung, und und bei Punkt fünf auf der Tagesordnung war musste sie ihre eigene Abwahl moderieren. Die Frau von der Hausverwaltung sträubt sich dagegen, es gab Erklärungen und halbherzige Versprechen, sie hat viel von Vertrauen gesprochen und vergeblich darum geworben. Sie hat versucht, das richtige zu sagen, aber mit jedem Wort wurde es irgendwie schlimmer. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie das Thema neutraler behandelt hätte.
Frau Novemberregen würde sagen schlecht gespielt, und ich überlege schon den ganzen Abend, woran es liegt. Die Frau von der Hausverwaltung hatte, vielleicht ohne es zu wollen, eine gewisse Überheblichkeit an sich. Als würde sie denken, man könne uns noch einmal für dumm verkaufen oder zumindest ein bisschen einlullen. Die Überheblichkeit zeigt sich natürlich auch daran, dass sie der Ansicht war, die Stimmung innerhalb der Sitzung drehen zu können. Dabei weiß jeder Politiker und auch fast jeder Manager, dass die Stimmen für Wahl eingeworben werden müssen, weit bevor man zu einer öffentlichen Sitzung zusammenkommt.
Fast tut sie mir ein bisschen leid, aber dann doch nicht. Die Hausverwaltung ist ein großes, deutschlandweites Unternehmen, es wird sich nicht viel ändern, alle wissen es. Auch die Frau von der Hausverwaltung.
Die Beschlussvorlage zur Abwahl wird mit deutlicher – aber nicht einstimmiger – Mehrheit angenommen. Die Frau von der Hausverwaltung nimmt es zu Protokoll. Als ich gehe, bedanke ich mich herzlich bei den beiden Männern vom Verwaltungsbeirat. Sie sind ein bisschen verlegen, aber vor allem: erleichtert.
Habe sehr gegrinst, wie Sie bei mir treffsicher mit ganz wenigen Worten sehr klare Vorstellungen erzeugt haben: Mittelscheitel ….. Zeit abonniert. Und schwupps hatte ich die Personen wie in einem Film vor mir!
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