30

Heute leichte Depression aufgrund des nahenden dreißigsten Geburtstages. Ich hatte die 30er-Depression immer für ein Gerücht gehalten und war mir ziemlich sicher, daß mir das nicht passieren wird, aber eigentlich ist sie unausweichlich: man zieht Bilanz, was man bislang im Leben erreicht hat, und für viele – einschließlich mich – ist das ernüchternd. Die kleine Schwester der 30er-Depression ist übrigens die Silvester-Depression. Doch während man sich am Silvesterabend sagen kann, es war ein beschissenes Jahr, das nächste wird besser, so gilt bei der 30er-Depression, daß sich die Versäumnisse des bisherigen Lebens nicht nachholen lassen.
Zu meiner eigenen Bilanz: berufliche Stagnation, keine Beziehung, keine Familie gegründet, kein Geld und ich hab ganz schön zugenommen. Auf der Plus-Seite: ein naturwissenschaftliches Studium abgeschlossen, Leidenschaft erlebt, einige wirklich sehr gute Freunde sowie ein immer besser werdendes Verhältnis zu meinen Eltern und ich habe die letzten zehn Jahre gut gegessen.
Die Sache mit dem beruflichen Fortkommen wurmt mich. Mit der Zeit habe ich mich damit arrangiert, daß ich wahrscheinlich keinen Partner finden werde. Aber daß ich mit dreißig immer noch in diesem Projekt drinstecke…
Doch wenn ich eines gelernt habe in den letzten Jahren, dann, daß man das Scheitern annehmen, gar umarmen muß. Der wahre Reichtum der Menschen liegt in ihrer Empfindsamkeit: daß wir traurig sein können und trauern können um das, was uns fehlt. Und daß wir uns freuen und genießen können: den Duft von frisch gemahlenen Kaffee, Feigen und Datteln, ein gutes Buch, eine kluge Fernsehserie, das Lächeln von Sandra Thier oder meiner Lieblingskollegin, eMails und Briefe, Deine Hand in meiner.

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