1. und 2. November 2020

Im November jeden Tag bloggen, sagt Frau N, also gut.

Sonntag, 1. November: sehr schlechte Laune, fast schon so eine Art von depressiver Verstimmung, jedenfalls tiefe Mißmutigkeit. Schlechtes Körpergefühl, Weltpolitik nervt mich, insbesondere die anstehenden US-Wahlen plus befürchteter Unruhen. Den stillen November finde ich gut und richtig, die steigenden Fallzahlen machen mir große Sorgen. Trotzdem fühlt es sich an, als müssten wir die Zeche für die Unvernünftigen zahlen. Bin mir aber gar nicht sicher, ob mein Mißmut wirklich damit zusammenhängt, oder einfach aus einer Erschöpfung herrührt: zu viel gearbeitet dieses Jahr, zu große Räder gedreht, gewachsen auch, eine echte Bürgermeisterin mittlerweile, alles erwachsen, dauernd und ohne Pause. Oder gehört es einfach zu mir, der Schwermut, der kommt, und auch wieder geht?

Es hilft, zu wissen, dass wirklich keine Produktivität zu erwarten ist an solchen Tagen. Mittagessen mit Muttern, sie hat auf meinen Wunsch ein Schmorgericht gekocht, ich habe Rotkohl dazu gemacht, den Tisch bei mir in meiner Wohnung gedeckt, mich geduscht und angezogen, Haare gewaschen und Schmuck und all das. In mir drin sitzt eine kleine, mißmutige Stimme und nörgelt, ob ich denn glauben würde, dass das helfe? So ein billiger Trick? Und es hilft, ein bisschen.

Keine Kraft für ein Buch, obwohl mir das am meisten fehlt und am meisten helfen würde, Bücher lesen. Stattdessen ein bisschen The Middle geguckt, alte Folgen, die ich schon kenne, und selbst das ist mir fast zu dramatisch. Viel TikTok. Eine Email geschrieben. Bisschen Zeit für mich selbst, doch noch zu einem guten Körpergefühl gefunden, sehr entspannend.

Gerne diesen Beitrag gelesen: es ist, wie es ist

Montag, 2. November: Home Office. Erstmal alles aufgebaut, eher lasch rumgearbeitet, gutes Gespräch per Video mit dem Geschäftsführer, er baut mich immer auf, auch wenn das eigentlich andersrum sein sollte. Mittags Grippeschutzimpfung, anschließend Spaziergang mit Muttern, sehr blauer Himmel, ungewöhnlich warm mit nahezu 20 Grad. T-Shirt-Wetter. In der Luft liegt etwas wie Teneriffa im März oder Norwegen im September, sehr schön. Stimmung innendrin aber immer noch mittelmäßig.

Wieder ein paar gute Emails vom Büro, manchmal liebt es mich ein bisschen zurück.

Die Pressekonferenz der Bundeskanzlerin gesehen. Sie für ihre Geduld bewundert, und ihren Langmut. Alles, was sie sagt, macht für mich Sinn. Ihr Verständnis der wissenschaftlichen Seite der Pandemie scheint mir korrekt zu sein. Ein paar Mal hat sie mich sogar ein bisschen gerührt, mit ihrem Hinweis, dass wir das alles tun für die, die wir lieben, die besonders schutzwürdig sind. Eine Frage ging in die Richtung Freiheit und Autokratie, und sie sagte, dass man in einer Demokratie eben anders argumentieren müsste. Die Leute mitnehmen. Es tut mir ein bisschen weh, dass sie glaubt, dass die Menschen besser wären als sie es tatsächlich sind, selbstloser, mit weiteren Blick, mehr Verständnis, besserer Disziplin.

Ich erhole mich langsam, ein paar Mal war ich heute ganz bei mir selbst, in Resonanz mit der Welt, einen Augenblick nur, dann rutscht es wieder weg, und ich esse, und bleibe hungrig, und schlafe, und bleibe müde.

Abends noch meine Mutter lange zu einem schwierigen Vertrag beraten, über den sie sich große Sorgen macht. Care-Arbeit.

Guter Blick aus dem Fenster heute, ein schönes Licht. TikTok und vielleicht räume ich gleich noch die Küche auf, vielleicht aber auch nicht.

Kontakttagebuch: Muttern, die Arzthelferin in der Praxis (Maske), die Frau von der Tankstelle (wegen Post, Maske).

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