21. November 2020

Meine Mutter wird nächste Woche in ihrer… hm, „best ager“- Gruppe einen Vortrag halten, und zwar mit Präsentation und per Zoom. Vorträge halten kann sie ziemlich gut, Folien für eine Präsentation erstellen auch einigermaßen. Mit Zoom klappt es pandemiebedingt ganz gut, sie hat mich viel gefragt zum Thema Beleuchtung, Weichzeichner, voreingestellte Hintergrundbilder. Aber das Teilen des Bildschirminhalts per Zoom ist ihr suspekt, deswegen hatte sie mich heute gebeten, das mit ihr zu üben.

Ich habe erst einmal die Präsentation glattgezogen, bis sie zu mir gesagt hat: das sehen die doch gar nicht, dass die Schriftart auf der Folie kleiner ist! Dann haben wir ein Test-Zoom gemacht, ich mit Handy in ihrer Küche, sie in ihrem Arbeitszimmer am Laptop. Es rumpelt an überraschenden Stellen, zum Beispiel wo man den Ton anmacht, andere Sachen funktionieren sehr gut, F5 für die Bildschirmpräsentation, ahja. Meine Mutter sagt dann gerne das muss ich mir aufschreiben, und macht Notizen auf so halb abgeschnittenen Papierresten, mich macht das wahnsinnig, aber ich finde es auch irgendwie charmant, es gehört zu ihr, es begleitet mein Leben, kleinere von ihr beschriebene, mit der Schere zurechtgeschnittene Zettelchen irgendwo zu finden.

Meine Mutter ist eine solide Technik-Nutzerin, was ich in den letzten Jahren auch dadurch befördert hat, dass sie zu jeden Fest ein Endgerät geschenkt bekommen hat – natürlich immer mit Installation, Einführung, und kleiner Schulung von mir. Die Begeisterung ist unterschiedlich. Sie nutzt gerne und häufig ihr iPad, das Smartphone hingegen dient hauptsächlich als WhatsApp-Quelle und manchmal zum fotografieren. Der Laptop ist für sie eine glorifizierte Schreibmaschine, auch online-Banking findet darin irgendwie statt. Sie tut sich recht schwer damit, wo Sachen abgespeichert sind, welche Dateiformate es gibt, wie das mit Anhängen funktioniert und mit scannen. Ist das dann in meiner Email? ist so eine Standardfrage, ihre Vorstellung des Aufbewahrungsortes für Daten überrascht mich oft. Heute haben wir gemeinsam etwas in die Cloud hochgeladen, das war aufregend.

Ich hoffe, das liest sich jetzt nicht, als würde ich mich über sie lustig machen. Ich bin ziemlich stolz auf sie. Ich frage mich, was mir schwer fallen wird, wenn ich in ihrem Alter bin, welcher technologische Schritt mir trotz aller Bemühung fremd bleiben wird.

Ich hatte mit meinem Geburtsjahr ziemlich Glück, denn als ich zu jung für das Internet war, gab es noch keines, und als es dann da war, war ich gerade im Studium und hatte viel Zeit, die ich im Computerpool der Uni vertrödelt habe. Neulich, bei der Suche nach den Unterlagen der Rentenversicherung, habe ich einen Schein für Internetbrowsing auf dem Mac gefunden, von 1998 oder so. Auch irgendwie dankbar, dass ich nicht mehr jung und ausgehhungrig mitten in einer Pandemie bin, oder alt und pflegebedürftig. Und auch nicht mitten in einem Weltkrieg geboren, wie meine Mutter.

Ich schreibe eigentlich nicht so viel über meine Mutter. Es kommt mir non-consensual vor. Ich vermute, dass sie hier nicht mitliest, aber ganz sicher bin ich mir nicht – sie kann jedenfalls im Internet surfen. Es war nur so ein süßer Moment heute, ich wollte das gerne festhalten.

Für die Präsentation nächste Woche habe ich extra meine Home-Office-Rotation verlegt, damit ich ihr technischen Beistand leisten kann. Wünschen Sie uns Glück!

Kontakttagebuch: Muttern.

4 Gedanken zu „21. November 2020

  1. Sehr gerne gelesen.
    Seien Sie froh, dass Ihre Mutter so technikaffin ist. Meine Mutter verweigert(e) sich all dem. Nun könne wir sie im COVID-19 geschuldeten geschlossenem Pflegeheim nur über das Stationstelefon erreichen. FaceTime auf einem extra gesendetem iPad kriegt sie nicht hin. Podcasts und Hörspiele zur Ablenkung auch nicht.

  2. Das macht sie großartig. Ich hoffe, ich erhalte mir diese grundsätzliche Offenheit für neue Technik auch so lange und werde nicht irgendwann eine „Das brauchte ich bis hierher nicht, also will ich’s nicht wissen“.

  3. Ich bin dank meines Mannes auch eine solide technikbenutzerin und habe iPads geschenkt oder vererbt bekommen. In meiner fördersschulklasse hatten wir, meine Schüler und ich großen Spaß damit.
    Meine Mann war applefan der ersten Stunde und zum Glück hat er mir den Zugang zu den Medien verschafft. Jetzt mit 65 (im Ruhestand) ist es auch toll.
    Schön, dass Sie ihrer Mutter das alles ermöglichen.
    Im übrigen lese ich ihre blogbeiträge total gerne. Ich mag ihren Stil und ganz besonders das was von ihnen an Mensch da durchschimmert.
    Das war mein erster richtiger Kommentar, obwohl ich schon seit vielen Jahren mit Begeisterung Blogs lese.
    Mit freundlichen Grüßen

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