Cortisol

Das waren ein paar schwierige Wochen mit allerschlechtester Laune. Dauernd so eine kleine Stimme in meinem Kopf: bin ich depressiv? Fühlt sich so eine Depression an? War aber eher so eine Kombination aus krasser Überarbeitung und körperlicher Themen. Ich habe nach wie vor Lust und Interesse an den Dingen und am Leben. Aber keine Zeit und keine Löffel.

Überarbeitung heißt: spätabends beruflich angerufen werden, am Wochenende arbeiten, zu viele Stunden arbeiten, jede Menge Druck. Alle wollen dauernd was von mir, nie ist es genug, und niemand sagt danke. Beleidigungen aushalten, Gezicke und divenhaftes Verhalten. Auf den Gerichtstermin hätte ich auch verzichten können. Und das blöde ist, dass ich mich selbst wie eine Memme fühle, weil ich nicht alles immer professionell wegstecke.

Letzte Woche habe ich den Benachrichtigungston auf dem beruflichen Mobiltelefon ausgestellt. Jede Email und jede Teams-Message hat vorher einen kleinen Ton gemacht, und ich konnte, wenn ich abends auf dem Sofa saß, so richtig spüren, wie mir das Cortisol durch den Körper jagte. Der Druck kommt natürlich nicht vom Ton, sondern von den Inhalten.

Laut TikTok geht meine Generation (X) nicht genug zur Therapie. Wir leiden lieber, und machen die Sachen mit uns selbst aus. Oder bloggen drüber. Francine hat ja vor ein paar Jahren mal einen magischen Satz zu mir gesagt: „…hast du das mal therapeutisch aufgearbeitet?“. Vielleicht ist es Zeit.

Die Arbeitsbelastung lässt gerade etwas nach, weil zwei bis drei größere Themen abgeschlossen sind. Aber der Druck kommt wieder, auch, weil ich ihn mir selbst mache. Nur funktionieren, den Druck aushalten, die Steuererklärung machen und die Wohnung putzen – das kann es nicht gewesen sein. Das ist mir zu wenig. Es muss auch etwas bleiben für mich. Dolce vita. Dolce far niente.

3 Gedanken zu „Cortisol

  1. Ich hab jetzt zehn Stunden bei einer neuen Therapeutin hinter mir und mache wohl weiter, weil es sich wie Wellness für die Seele anfühlt. So dringend wie früher brauche ich das gar nicht, aber es gibt immer etwas zu besprechen.
    Und Blickwinkel, die mir neu sind. Ich sende gute Gedanken!

  2. Aushalten oder etwas ändern. Was besser ist, kann ich nicht beurteilen; was man ändern kann, ebenso wenig. Aber wenn es zu wenig ist, dann reicht es nicht. (Ach, was für Platitüden. Ich kann keinen Rat geben, aber es drängt mich dazu.)

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