13/31 – Tropical Island

Ein sehr schöner Tag war das heute.

Im Büro erst einmal ein längeres, spontanes Gespräch mit meiner Mitarbeiterin gehabt. Sie ist jetzt anderthalb Jahre dabei, und es ist wunderbar, zu sehen, wie sie in dieser Zeit aufgeblüht ist. Sie ist eine genaue Beobachterin, und ich hatte sie vor ein paar Tagen das erste Mal zu einem ziemlich vertraulichen und internen Meeting mitgenommen. Spannend, ihre Eindrücke und Gedanken zu hören, Dinge mit ihr diskutieren zu können. Sie versteht mittlerweile sehr viel von unseren inneren Dynamiken. Ich habe ihr gerne zugehört.

Dann Aussprache mit einem Abteilungsleiter. Wir mögen uns sehr, geraten aber immer mal wieder aneinander, und dann mit der Heftigkeit eines alten, zornigen Ehepaares. Gutes, versöhnliches Gespräch, auch wenn unterschiedliche Sichtweisen bestehen bleiben.

Sehr früher Feierabend und die äußerst zuverlässige Novemberregen auf dem Parkplatz eingeladen. Mag das sehr, wenn sie in mein Auto steigt, und dann riecht es einen kurzen Moment sehr angenehm, aber dezent.

Wir fahren in ein Einkaufszentrum, und ich verfahre mich trotz Navi erst einmal. Es ist erstaunlich, wie inselhaft meine Stadtkenntnis ist: alles rund um die Bankentürme kenne ich in- und auswendig, die Touristengegend am Fluss auch, außerdem das Areal um den Hauptbahnhof und die Messe, ebenso die Umgebung rund um die Wohnungen von Novemberregen und Francine. Zwischen diesen Inseln, ein weißes Nichts.

Im Einkaufszentrum war ich jedenfalls schon ein paar Mal, es ist allerdings mindestens fünf Jahre her. Ich lebe generell kein Leben, in dem Einkaufszentren eine Rolle spielen. Das ist ein bisschen schade, denn ein Teil von mir sehnt sich durchaus nach einem Leben, in dem ich nachmittags einen Kaffee in einem Einkaufszentrum trinke und den Menschen zuschaue (Frau N. „es gibt so viele schönere Orte, wo man einen Kaffee trinken könnte!“ – Ja, aber das ist nicht der Punkt).

Ich hatte vermutet, das Einkaufszentrum stamme aus den 1980ern. Es wurde jedenfalls viel Beton verbaut. Tatsächlich wurde es 1968 erbaut, 1986 saniert („ich heirate eine Familie“), und 2001 mit einem Glasdach und „Ruheoasen“ versehen. Über den Architekten (der bei Albert Speer gelernt hatte) heißt es auf Wikipedia: „[Seine] Bauten stehen am Übergang von der NS-Architektur zur modernistischen Architektur der 1950er Jahre, als der Anschluss an die internationalen Architekturströmungen (z. B. Le Corbusier) gesucht wurde.“

Es ist erstaunlich, wie mich die Freundschaft mit einer Architekturhistorikerin verändert hat. Ich sehe mehr, verstehe mehr von dem, was ich schon immer zu Architektur gefühlt habe, und kann es jetzt auch benennen.

Was aber führt nun Frau N. und mich in ein Einkaufszentrum weit außerhalb unserer Hood? Frau N. hatte dort eine Apotheke ausfindig, und ich uns beiden einen Impftermin (Grippe und XBB) klar gemacht. Wir waren etwas zu früh dran und haben – gemütlich sitzend – vor uns hingewartet und den Menschen zugeschaut. Ein älterer Herr betrat die Apotheke und bat um Wasser, Schmerzmittel, Traubenzucker. Er war gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, sehr wackelig auf den Beinen, und nicht mehr richtig Herr der Lage. Es wurde sich – auch von Frau N. – sehr freundlich um ihn gekümmert, aber er war ein bisschen stur, wollte zum Bus, dort aber nicht von uns hingebracht werden. Wir sahen uns schon einen Krankenwagen rufen, aber während Frau N. geimpft wurde, haben ihn zwei Damen, die er anscheinend kannte, mitgenommen. Ich hoffe, es ist gut ausgegangen.

Ich hatte Frau N. angekündigt, ich wolle noch „shoppen“ gehen (when in Rome…), sie teilte mir mit, sie shoppe nicht gerne, wir konnten die Situation dann auflösen, indem ich shoppen konkretisiert habe (Passfotos machen, Starbucks, Rewe, Blumen kaufen), da wollte sie dann gerne mitmachen (sie hätte ansonsten auch mit der ganz hervorragenden U-Bahn-Anbindung oder mit dem älteren Herren im Bus weiterfahren können.) Wir machten uns dann auf die Suche nach den verschiedenen Geschäften, ließen uns ein bisschen treiben und schauten immer mal wieder auf einem der Schilder nach, ich fand das sehr angenehm. Bei den Passfotos wurde ich enttäuscht, denn der sehr freundliche ältere Mann (Iraner?) teilte uns mit, die Passfotomaschine sei defekt. Frau N. war bei Starbucks sehr glücklich, denn es war klimatisiert. Ich glaube, ich bin für dieses Jahr mit Pumpkin Spice Latte durch. Viel über Arbeitsbelastung geredet, den Druck und wo er herkommt, Reduzierung auf 80%, die European Head-Stelle… ich habe das Gefühl, Frau N. wollte mir etwas sagen, aber ich habe es nicht verstanden. Es wird kommen, wenn die Zeit reif ist.

Die Blumen haben uns beide nicht überzeugt. Dafür kamen wir auf dem Weg zu Rewe zufällig an einem Fotogeschäft vorbei. Wer hätte geahnt, dass das Einkaufszentrum nicht eines, sondern *zwei* Fotogeschäfte besitzt? Magisch. Ich ließ biometrische Passfotos anfertigen, meine Bitte, mich möglichst wenig bekloppt zu fotografieren, wurde sehr kompetent entsprochen, ich würde sogar sagen, ich sehe schön aus. Auf einem biometrischen Passfoto. Es ist unglaublich. Die nächsten zehn Jahre mit Ausweisdokumenten sind gesichert. Der Rewe hatte eine sehr solide Feinkostauswahl, das kann man sich merken. Nach einigem hin und her gelang es uns, das Auto aus dem Parkhaus auszulösen. Ich hatte das Parkticket verlegt, weil Frau N. mir mein Geburtstagsgeschenk überreicht hatte und ich war so aufgeregt. Der Parkscheinautomat nahm nur Münzen, das passt irgendwie ins Gesamt-Ambiente.

Wie ein kleiner Kurzurlaub war das. In Brandenburg haben sie ja eine Badelandschaft in eine ehemalige Zeppelin-Halle gebaut, das stelle ich mir ähnlich vor, nämlich: großartig, wenn man sich darauf einlässt.

Statistik:
Laune: 9/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Schlaf: 7/10

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