still

In der Nacht liege ich mit weit geöffneten Augen im Bett. Es ist so still. Eine Seltenheit in einem Haus in Friedrichshain. Der Mann unter mir hofft auf eine Karriere als Rockstar. Das Szenegirl aus dem Hinterhaus lacht so schrill am Telefon, hat immer die Fenster offen und kokst wahrscheinlich. Ich habe mal mit ihr geredet, mich beschwert, da kam sie mir leer vor, wie ein Abziehbild, nichts eigenes.
Jetzt ist es still, nachts um halb eins, ich höre ein rhythmisches Geräusch. Es ist in meiner Wohnung, nicht draußen. Ein Insekt? Ein Wassertropfen? Ich stehe auf, mache mich auf die Suche. Ich tapse in der Dunkelheit herum, die keine ist, in Berlin bleibt der Himmel immer hell. Ich sehe die Umrisse aller Gegenstände, der Dielenboden unter meinen nackten Füßen fühlt sich rutschig an. Ich habe geputzt, gewischt, aufgeräumt, überall, es ist unheimlich, wenn es so sauber ist.
Das rhythmische Geräusch stellt sich als das Ticken einer Uhr heraus, die Bestandteil der Gasetagenheizung ist.
Ich lege mich wieder ins Bett. Ich denke an die Veränderung, es ist doch nicht die größte, die ich bislang erlebt habe. Vielleicht ist es so bedrückend, weil es zum ersten Mal eine rein innerliche Veränderung ist, also keine, die von äußeren Faktoren bestimmt oder begleitet wird, z.B. von einem Umzug oder einem Bildungsabschluß. Vielleicht ist es die letzte Veränderung, die noch passieren könnte, und vielleicht passiert sie nicht. Vielleicht ist es so schwer, weil ich so alt bin.
Ich denke manchmal , daß ich wahnsinnig werde, daß ich den Verstand verliere, daß dieses Korsett aus Gewohnheiten und Alltag zerreißt.
So geht es sicherlich vielen Menschen, besonders denen, die zu viel nachdenken.

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