Meine Schwester fasst mir ins Gesicht, streicht mir über die Wange, einfach so, als hätte es nie Streit gegeben, als hätte sie nicht die Grundfesten unserer Familie erschüttert mit ihrer Tobsucht, Unvernunft, Bockigkeit, als wären wir uns nah, als wüßte sie, wer ich bin, als hätte ich nicht die gute Tocher sein müssen, weil sie die schlechte war, als hätte ich mich nicht auf die Seite meiner Eltern stellen und darüber vergessen müssen, wo denn eigentlich meine eigene Seite ist. Schwester, Schwester. Du bist mir so fremd, fremder als eine Zufallsbekanntschaft, ich verstehe überhaupt nicht, wie du tickst, fühlst, funktionierst, denkst. Gerade eben habe ich Dias gefunden, ein kleines Viereck gegen das Licht gehalten, darauf du, vielleicht zehn, und ich, vielleicht drei, auf deinem Schoß sitzend, und du lachst und umarmst mich und hältst mich ganz fest. Du liebst mich. Du kennst mich nicht. Ich verstehe nicht, wie das zusammengeht, ich verstehe ja so viel an dir nicht, aber ich lerne gerade, es zu akzeptieren, wie es ist.