Ich begleite ihn leise zur Tür, während die anderen konzentriert weiterarbeiten. Erst auf dem Gang fange ich an zu sprechen. „Ich will dir nicht auf den Sack gehen,“ sage ich, und meine, ein leichtes Lächeln ob dieser legeren Formulierung in seinem Gesicht zu sehen, „aber – was war los?“. Der Termin ist denkbar schlecht für ihn gelaufen.
Er spricht von der Zeit, und wie sie einem durch die Finger rinnt, immer zu wenig. Ich kenne das, und ich sehe es ihm an. Er sieht fertig aus, müde und überarbeitet, sein Teint gelbstichig, um seine Lippen klebt etwas weißes, das mich an Schlafspucke erinnert, aber wahrscheinlich Vaseline ist. Trotzdem ist es ein guter Moment, da im Gang. Er hält immer noch Distanz zu mir, steht so weit weg, daß ich ihn nicht berühren könnte, wenn ich die Hand ausstreckte. Aber sein Oberkörper biegt sich zu mir wie ein junger Baum, während seine Füßen fest verwurzelt sind. Er wirkt wie einer, der eins ist mit sich, auch in seiner Schwäche. Seine Stimme ist tief und kraftvoll.
Ich hatte mich innerlich darauf vorbereitet, ihn bei diesem Termin zum letzten Mal zu sehen, und war ganz darauf konzentriert, ihn loszulassen, keine Erwartungen mehr zu haben und ihn spüren zu lassen, daß ich ihm alles Gute wünsche. Vielleicht hat diese Grundhaltung dazu beigetragen, daß es eine schöne Begegnung war, harmonisch und entspannt. Sie hat mich nicht traurig gemacht, sondern happy, auch noch ein paar Tage danach.
Ich wünsche mir, daß ich diese Grundhaltung beibehalten kann: ihn mögen, wertschätzen, und gehen lassen: Karabinerhaken, die sich lösen. „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen,“ ist sein letzter Satz. Er betont das „du“, weil ich es ihm noch einmal angeboten hatte. Ein schöner letzter Satz.
Es war nicht das letzte Mal.