Auf meiner Hassliste ganz oben stehen Taxifahrer, die möchten, dass ich als Fahrgast ihnen den Weg erkläre. In meinem Verständnis ist die zuverlässige Beförderung von A nach B im Preis inbegriffen, ob nun per Gedächtnis und Ortskenntnis oder mit Navigationsgerät und Google Maps – mir egal. Ich hatte lange ein ziemlich kleines Einkommen (und auch jetzt nur ein mittelmäßiges), weil ich lange studiert, dann auf einer halben Stelle promoviert, und dann arbeitslos war. Taxi fahren ist für mich immer noch ein gefühlter Luxus, den ich mir gönne, wenn der Tag oder der Abend sehr lange und intensiv waren, oder wenn ich bis in die Nacht oder den frühen Morgen gearbeitet habe. Ich habe dann keine Kraft und keine Nerven mehr, um jemanden den Weg zu erklären. Wenn ich nämlich noch fit wäre, dann würde ich vierzig Minuten auf die nächste U-Bahn warten, oder eine halbe Stunde durch dunkle Straßen laufen. Außerdem habe ich meine Arbeit für diesen Tag schon getan. Und dich erwarte, dass andere ihre Arbeit auch gut machen, oder zumindest so gut sie können. Deshalb habe ich Achtung vor der Frau, die abends unsere Büros reinigt, gut möglich, dass sie ihre Tätigkeit mit mehr Gründlichkeit erledigt als ich die meine. Und ich freue mich, wenn ich im Restaurant gut bedient werde, in Geschäften gut beraten und Prozesse effizient ablaufen.
Ich glaube, dass ich hier eine Schwachstelle habe in meinem moralischen Kompass, dass der Ärger und die Verachtung, die ich für jene spüre, die schlampig arbeiten, übermäßig groß sind. Ich konnte noch nicht ganz ergründen, woran das liegt. Vielleicht bin ich einfach so gestrickt, und alles andere geht mir gegen den Strich, eine Art von inneres OCD?
Bei aller Moral, bei allen Bemühungen, ein guter Mensch zu sein, habe ich aber auch eines gelernt: manchmal kommt es allein darauf an, das System zu bedienen, als wäre es ein Computerspiel, bei dem es virtuelle Punkte zu erringen gibt. Viele Prüfungen, zum Beispiel die in der Schule, prüfen gar nicht das tatsächlich vorhandene Wissen. Sie prüfen, ob man die richtigen Antworten auf Variationen von Standardfragen weiß, ob man sie entschlüsseln kann, ob man den Code versteht. Sie prüfen systemkonformes Handeln, und das ist eine Rolle, in die man hinein- und auch wieder herausschlüpfen kann. Hoffe ich. Jeder hat da so seinen Preis.
Neulich gedacht, dass die Lösung der Griechenlandkrise darin bestehen könnte, herauszufinden, unter welchen Bedingungen Kapitalanleger und institutionelle Fonds bereit wären, in Griechenland zu investieren, das Land zu rekapitalisieren. Den Gedanken dann aber sofort als neoliberal verworfen.
Die griechischen Staatsschulden liegen, wenn ich richtig informiert bin, bei um die 300 Milliarden Euro. Kaum vorstellbar, und auch nicht fassbar: Geld, das in Bits und Bytes in Rechnern existiert, allenfalls noch als bedrucktes Papier, Schuldscheine und so. Geld an sich hat ja ohnehin keinen Wert, nur den, auf den wir uns als Gesellschaft mehr oder weniger geeinigt haben. Wir glauben, dass Geld einen gewissen Wert besitzt, dass ein bestimmter Geldbetrag einen bestimmten Gegenwert rechtfertigt. Es ist also alles eine Frage des Vertrauens in das System. Es wackelt ein bisschen, unser System, aber es wird noch lange nicht fallen.