des nachts.

In meinen Traum hinein schwappt die Musik wie eine Welle, nicht unangenehm zuerst, doch dann merke ich, daß ich sie nicht leiser stellen kann, und wache langsam auf. In der Wohnung unter mir singt Tracy Chapman, das ist besser als die letzten drei Mal, da war es Nena oder billiger Diskokram. Ich schaue auf die Uhr, es ist halb eins. Ich habe etwa eine Stunde geschlafen.
Ich warte fünf Minuten, freue mich, als es still wird, aber es ist nur die Pause zwischen zwei Songs. Ich stehe auf und esse einen Cracker, ziehe mir eine Schlafanzughose an und warte noch ein bisschen. Dann gehe ich runter, klingele und bitte darum, daß die Musik leiser gestellt wird. Die letzten drei Mal hat die Frau genickt und ja gesagt und dann war Ruhe.
Dieses Mal sagt sie mir, daß ihr Balkon immer nass würde, wenn ich die Blumen gieße, und dann auch noch so spät abends! Ich solle doch die Blumen zu einer anständigen Zeit gießen!
„Und das ist jetzt die Rache?“, frage ich, „daß Sie mich um halb eins wecken? Ich war schon drei Mal hier wegen der lauten Musik, und Sie schaffen es nicht, zu mir hoch zu kommen und mir das mit den Blumen zu sagen?“. Ich bin ziemlich perplex und bitte nochmals darum, daß die Musik leiser gestellt wird. Ansonsten, sage ich, muß die Polizei kommen. Die Frau sagt, sie ruft das Ordnungsamt und stellt mir die Granitplatten des Balkons in Rechnung.
Ich gehe hoch in meine Wohnung und lege mich ins Bett. Erst ist es still, dann setzt die Musik wieder ein. Ich hadere mit mir.
Dann rufe ich die Polizei.
Etwa zwanzig Minuten später sind sie da, stehen unten, weil die Haustür abgeschlossen ist, ich laufe vier Stockwerke runter und lasse sie rein. Ich zeige Ihnen die Wohnungstür der Frau. Die Polizisten sagen, ich soll nicht/ muß nicht dabei sein. Ich gehe wieder in meine eigene Wohnung. Als ich merke, daß die Polizisten gegangen sind, lege ich mich wieder ins Bett.
Fünf Minuten später klingelt es an meiner Wohnungstür. Ich stehe auf, meine Knochen sind schwer. Halbherzig hoffe ich auf eine Entschuldigung. Als ich die Tür öffne, redet die Frau erstmal einen ganzen Absatz lang, und mir wird klar: dies wird kein Dialog. Sie sagt: „Sie haben mir die Polizei auf den Hals gehetzt! In den 11 Jahren, die ich hier wohne, ist mir das noch nicht passiert! [Ab hier muß man hinter jeden Satz ein dreifaches Ausrufezeichen setzten.] Warten Sie erstmal, bis die Griechen Party machen!!! Und warten Sie, bis Sie einmal Party machen!!! [äh, denke ich, mache ich eigentlich nie.] Ich bin krank!!! [tolle Antwort, die mir leider erst heute früh eingefallen ist: dann gehen Sie doch mal früh ins Bett! Der Süße sagt, ich soll nicht immer so schnippisch sein.] Ich muß ins Krankenhaus!!! Ich kriege ein künstliches Hüftgelenk!!!“
Sie ist ziemlich aufgelöst und weint. Ich frage, ob Sie bereit ist, auch mir zuzuhören, und zähle nochmals auf: daß es schon mehrmals das Problem mit der lauten Musik gab. Daß ich, als ich heute mit ihr geredet habe, nicht das Gefühl hatte, daß sie mich respektiert. Daß ich von der Sache mit dem Blumengießen heute zum ersten Mal gehört habe…
Dann merke ich, daß es sinnlos ist. Sie betitelt mich noch mit ein paar Schimpfwörtern und geht langsam die Treppe wieder hinunter.

Ich lege mich wieder ins Bett und liege noch eine Weile wach. Ich fühle mich nicht so gut. Ich spüre, daß dies der Anfang von etwas Ungutem ist.

Erst jetzt, als ich diesen Text tippe, als ich ein paar Stunden geschlafen habe, weiß ich, daß ich diesen Konflikt anders hätte lösen sollen. Rhetorisch geschickter, weniger auf meine eigene Kränkung bedacht, weniger emotional. Nur: es fehlt die Kraft. Ich kann nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen.

Diese Schlacht habe ich verloren.

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