to be good.

Gisela im Krankenhaus besucht. Krankenhäuser sind @$#*%!.

Es geht ihr mittel. Sie hat Harnsteine und hofft, nächste Woche wieder entlassen zu werden. Insofern: kein Krebs, nichts lebensbedrohliches, aber auch keine Bagatellerkrankung. Gesund sah sie nicht aus.
Sie hat sich gefreut, daß ich gekommen bin. Nach kurzem Update über ihre Situation hat sie sehr viel über Ali gesprochen. Sie mußte weinen und hat mit mir relativ offen darüber gesprochen, daß Ali Alkoholiker ist und Leberzirrhose hat. Ihr Weinen war Wut und Trauer: Trauer, weil sie weiß, daß ihre Zeit mit Ali begrenzt ist; Wut, weil sie nichts verändern kann. „So oft habe ich ihm schon gesagt, er soll aufhören zu trinken!“ Weggeschüttet hätte sie das Zeug, es hätte alles nichts gebracht. Wenn es nicht besser wird, dann will sie ihn verlassen und zu ihrem Sohn ziehen. Eine leere Drohung?
„Es ist eben eine Sucht“, sage ich, und daß Ali es wohl nicht ändern könnte, selbst wenn er wollte. Daß er großes Glück hat, daß er sie gefunden hat, daß er ohne sie wahrscheinlich schon gar nicht mehr leben würde, und daß sie die Last der Verantwortung für sein Trinken nicht tragen soll, nicht tragen muß.
Es ist keine romantische Liebe zwischen den beiden, aber sie sind einander Gefährten.

Ich taste das Thema Haushaltshilfe/ Pflegekraft an. Gisela winkt ab. Sie will das nicht. Noch einmal taste ich mich vor, die Krankenkasse würde das bezahlen, sage ich, und daß ich gerne helfen würde mit dem Papierkram. Dann lasse ich das Thema ruhen, vielleicht keimt der Samen dennoch.
Morgen kommt ihr Sohn, erzählt Gisela. Ali hat einen Freund, der sich um ihn kümmert, manchmal kümmert sich auch eine Nachbarin. Zwei Neffen gibt es, die mal mehr, mal weniger präsent sind.
„Was soll ich tun, wenn es ihm schlecht geht?“, frage ich. Den Notarzt rufen, meint sie. Mehr könne man nicht tun.

Ich schreibe ihr meine drei Telefonnummern auf, verabschiede mich. Die Stimmung ist gelöst und herzlich, nur getrübt von jenem Hellgrün des Krankenhausflures, das in den Siebzigern oder frühen Achzigern sehr modisch gewesen sein muß und nun im Neonlicht verblaßt.
Auf dem Rückweg fröhne ich meiner eigenen Sucht und kaufe mir an der Tankstelle ein Kit Kat Chunky (immerhin muß ich tatsächlich tanken). Es schmeckt sehr süß und nicht so gut wie in meiner Erinnerung.
Ich bin ein mittelguter Mensch. Alles sind Fragmente. Der Krankenhausbesuch ist Fragment eines langen Tages. Die anderen: Meeting, Schulung, Adrenalin, der Blumenhändler kurz vor Ladenschluß, der Starkregen, die Kollegin, die mir heute den Nacken massiert hat. „Du hast da was“, sagt sie. „Ja, ich hab Streß“, antworte ich.
Aber meine Nieren und meine Blase und meine Leber und mein Geist funktionieren. Alles andere sind Luxusprobleme.

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