Er liegt im Krankenhaus, die ganze Woche schon. Eine geplante Operation. Keine schwere, aber auch keine Kleinigkeit; Routine, aber nicht ohne Riskien. Sechshundert Kilometer zwischen uns; mir bleibt nur seine Stimme übers Telefon, ganz rauh vom Tubus, aber er ist guten Mutes, guter Dinge. Ich bin extra nicht zu ihm gefahren, aus einer komplizierten Logik heraus: man fährt nur zu seinem Vater, wenn es ein lebensbedrohlicher Eingriff ist, wenn man schweißgebadet im Warteraum sitzt und auf Nachricht wartet, wenn man noch einmal Abschied nehmen will. Ich aber bleibe in Berlin und gehe meinen Angelegenheiten nach wie an allen anderen Tagen auch, also wird ihm nichts passieren.
Ich hatte Angst um ihn.
Und bin doch unabhängig genug, um nicht zu ihm fahren zu müssen, um nicht eine gute Tochter sein zu müssen, um auf einer gewissen Distanz bleiben zu können. In diesem Raum, den diese Unabhängigkeit geschaffen hat, bleibt genug Platz, genug Zeit, ein Gefühl spüren zu dürfen. Das Gefühl, daß ich jetzt nirgendwo lieber wäre, als bei ihm. So suche ich eine Stunde lang auf der Seite der Deutschen Bahn nach einer bezahlbaren Verbindung, drucke mir ein Online-Ticket aus und werde morgen sieben Stunden im Zug sitzen. Ihn besuchen. Am Sonntag wieder zurück. Es gibt nichts, was ich lieber tun würde an diesem Wochenende.