Ich bin gerade aufgewacht. Ich träumte, jemand hätte sich auf dem Feld neben meinem Elternhaus das Leben genommen, nun wäre Polizei und Ambulanz da mit ihren roten und gelben Warnlichtern. Diese Lichter waren kein Traum, sondern kommen durch mein Schlafzimmerfenster, das auf die Straße rausgeht. Aha, denke ich leicht verärgert, gibts mal wieder eine Kleinrazzia in dem Internetcafé/ Hort der Kleinkriminalität nebenan. Drehe mich um, mache die Augen auf und aus der Wohnung gegenüber schlagen helle Flammen. Vier Löschzüge der Feuerwehr sind da. Ein Feuerwehrmann bringt eine sehr alte Dame, weißhaarig, gebückt, im fliederfarbenen Schlafanzug, aus dem Haus hinaus. Sie ist barfuß. Einen Augenblich später folgen zwei Erwachsene, einer mit einem Kind auf der Hüfte, das Kind ist vielleicht fünf. War knapp.
Die Flammen machen mir Angst und die Barfüßigkeit der Menschen.
Das Fenster, aus dem die Flammen schlugen, liegt meinem Schlafzimmerfenster genau gegenüber: nah, nur durch fünf Meter Straße getrennt. Lange Zeit wohnte niemand hinter diesem Fenster, und daneben ältere Leute mit dicken, schwere Vorhängen, die immer geschlossen waren bis auf Dienstags, da kam immer die Putzfrau. Ich konnte mich also immer recht ungestört an- und umziehen, bis vor einem halben Jahr jemand einzog. Die Wände wurden liebevoll gestrichen, soviel konnte ich sehen, mit einer halbhoch angebrachten, blauen Bordüre, was ich etwas kitschig fand. Als nächstes haben sie einen halbhohen Sichtschutz aus blaugestreiftem Stoff installiert, wie man es manchmal an Küchenfenstern hat. Gestern morgen war diese Halbgardine verrutscht, das weiß ich noch. Jetzt ist da nur noch ein ausgebranntes Loch.
Ich hoffe, der Mann, der da gewohnt hat, war nicht zuhause, ansonsten wars das wohl. Wie zerbrechlich doch alles ist, im Grunde genommen. Wir sind uns dem meist nicht bewußt, könnten sonst wohl auch nicht aktiv und sorgenfrei leben.
Es wird langsam hell. Morgengrauen. Der Dachstuhl raucht noch ziemlich. Bizarrerweise hat es heftig geregnet.
Ich gehe den Rauchmelder suchen und hoffe, noch ein wenig schlafen zu können, wenn die Löschzüge abgezogen sind. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, die Sorgen draußen zu halten.