Ich habe eine Arbeitshypothese, dass alle Konflikte, die man mit sich selbst oder mit anderen hat, auf eines von drei Themen zurückzuführen sind: Angst, Entscheidung oder Respekt. Obwohl mir diese Hypothese ein wenig zu einfach vorkommt, funktioniert sie erstaunlich gut.
Heute war ein gurkiger Tag, der mir zwischen den Fingern zerronnen ist, ohne dass ich auf die eine oder andere Art viel davon gehabt hätte. Das ist insofern ärgerlich, als dass ich gerade Urlaub habe, und freie Tage für mich zur Zeit das Kostbarste überhaupt sind. Gut möglich, dass dies für mich der erste Urlaub seit fünf Jahren ist – sicher, es gab arbeitsfreie Tage, aber diese waren in der Vergangenheit geprägt von Pflege, Weiterbildung oder Bewerbungen schreiben. Jetzt also freie Tage, und einen davon habe ich vergurkt. Und warum? Weil ich mich nicht entscheiden kann. Erholen kann ich mich nämlich auf zwei Arten: Variante A besteht darin, gar nichts zu machen, oder zumindest nichts geplantes, sondern mich treiben zu lassen. Zuhause bleiben, im Internet surfen, Buch lesen, vielleicht einen Film schauen, nachmittags ein Nickerchen, mich von Serendipity leiten lassen. Variante B bedeutet, etwas zu unternehmen und zu erleben: Leute treffen, Orte besuchen, Sightseeing, unterwegs sein. Das ist sehr schön, macht die Tage reich und voll, aber dafür muss man vorbereiten, planen, organisieren, sich mit Freunden abstimmen, Wäsche waschen und Autos betanken. Wenn ich etwas unternehmen will, mich aber nicht entsprechend vorbereiten will, weil mir eigentlich nach Nichtstun ist, dann schieße ich mir selbst ins Bein. Bin dann am Ende des Tages weder vorbereitet noch erholt, sondern habe mich den ganzen Tag nur gedrückt, nur aufgeschoben und verschoben, bin schlecht gelaunt und gereizt.
Das Dilemma im Leben – oder zumindest in meinem – ist, dass ich immer zu viel vorhabe, mehr tun möchte, als die Zeit zulässt, mich dabei gnadenlos überschätze. Langeweile ist ein exotisches Gefühl, an das ich mich nur schemenhaft erinnere. Ich habe Giardino versprochen, einmal etwas über die Zeit zu schreiben, und unseren Irrtum, wir könnten die Zeit weiter & breiter machen, indem wir mehr hineinpacken. Ich hoffe, ich finde dafür die Zeit, entscheide mich dafür, meine Zeit diesem Thema zu widmen, und entscheide mich damit gegen alle anderen Möglichkeiten, wie ich diese bestimmte Zeiteinheit verbringen könnte. Ein geradliniges Leben, klare Linien. Es schreibt sich so einfach.
Wenn ich Glück habe und alles gut läuft, dann habe ich noch etwa 16.000 Tage zu leben. Die genaue Zahl weiß man meistens nicht, nur, dass sie sich jeden Tag um einen Tag verringert. Es wäre schön, jeden Tag bedeutungsvoll zu machen, reich und tief. Kann sein, dass es auch dazugehört, Tage zu verschwenden. Aber gerade tut es mir ziemlich weh.
Reduziert Feedback Ihren Schmerz?
Ich kenne weder die Anzahl noch die Art Ihrer Leser.
Ich kenne mich und lese Ihren Blog – noch nicht sehr lange, das gebe ich zu.
Vor einigen Wochen war ich zufällig drauf – wie auch immer ich dort gelandet bin – und war erst einmal von der Optik sehr positiv eingenommen. Richtige Zeit zum Lesen hatte ich mir nicht genommen.
Unlängst hat mich Frau N. zu Ihnen eingeladen – noch bevor Sie den 31. Januar geschrieben haben.
Ich kam mir vor, als sei ich heimlich in Ihrer Abwesenheit in Ihrer Wohnung. Ein etwas unwirkliches, unheimliches Gefühl. Dafür habe ich mich etwas geniert und habe gewartet, bis Sie wieder zuhause sind, damit ich nicht wie ein Dieb bei Ihnen herumschleiche.
Seitdem gehören Sie zu meinem Abendprogramm.
Ihre Texte sind musikalisch und sehr eigen. Ich höre Ihnen gerne zu und drücke am Ende häufiger auf „repeat“.
Sie haben mir in den letzten Tagen an verschiedenen Stellen meine Lieben mitgebracht – die auch so ganz nah bei mir sind, die ich aber auf diesem Weg noch einmal anders erleben durfte.
Ihr verbummelter Tag – den ich parallel sehr hektisch, fast panisch durchlebt habe – hat für mich wieder eine schöne Abendmelodie.
Wenn ich nach langer Zeit, Verlust eines lieben Menschen und Stellenwechsel zum ersten mal richtig frei hätte, ich würde in ein solches Loch von Erschöpfung bei gleichzeitiger Unruhe fallen, dass ich vermutlich tagelang überhaupt nichts mehr mit mir anzufangen wüsste.