Im Aufzug

Es ist Sommer. Ich laufe in der Mittagspause schnell ins Einkaufszentrum und mache eine Besorgung. Ich nehme nicht die Rolltreppe, sondern den Aufzug, das erscheint mir schneller. Zunächst aber warte ich mit zwei älteren Herren, dass der Aufzug kommt. Sie sind wirklich schon sehr alt, eher neunzig als achtzig, ganz verbogen, verbeult und zerknittert, nur ihre Laune nicht. Der Aufzug fährt an uns vorbei und wir beginnen ein Gespräch über den Algorithmus hinter der Fahrstuhlprogrammierung. Ich bin da sehr enthusiastisch, und die beiden recht vergnügt, und dann kommt auch schon der Aufzug, und wir steigen ein. Der Aufzug fährt nach unten, auch wenn die Herren lieber nach oben gefahren wären. „Mit Deutschland geht es auch nur noch abwärts“, sagt der eine und lacht. Ich widerspreche, auch wenn ich keine Argumente habe, nur ein Grundgefühl. In dem kurzen Moment vor dem Aussteigen fällt mein Blick auf das Handgelenk des Sprechers. Dort ist eine Nummer eintätowiert, schludrig und an den Rändern verlaufen. Keine Seemannstätowierung, da gibt es gar nichts zu überlegen. Mein Geist hält nur an der Überlegung fest, was es alles nicht ist, weil mir zu grausam erscheint, was es wirklich ist..

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Anzugtypen im Aufzug, Und ich. Der eine zum anderen: „The only time I ever met Mitt Romney…“ und ich denke: wow! Nicht wegen Mitt Romney himself, sondern wegen der Perfektion, mit der dieser Halbsatz gleichzeitig Angeberei und Understatement ist. Ich erinnere mich an Ela, wunderschön und beneidenswert, die ich vor einem Curekonzert kennengelernt habe, viele Jahre ist das schon her. Jemand fragte sie: „wie war das damals, als du Robert Smith getroffen hast?“ und sie sagte: „beim ersten oder beim zweiten Mal?“

Jedenfalls: der Anzugtyp, mit dem ich gerade Aufzug fahre, ist einmal mit Mitt Romney in einem Aufzug gefahren. Das war in Boston oder so, und die beiden stiegen in den Aufzug ein, aber der Aufzug fuhr nicht los. Sie wunderten sich, dann wurde klar: keiner von beiden hatte auf den Aufzugknopf gedrückt.

Realismus

Es gibt eine These, dass depressive Menschen die Realität genauer wahrnehmen als die vermeintlich normalen. Genauer heißt auch: ohne positive Illusionen, ohne Selbstüberschätzung, ohne den Glauben, alles im Griff zu haben.

„Man hangelt sich so von Fest zu Fest“, sagte Ruths Mutter einst. Ich weiß, was sie meint. Meine Jahre sind unterteilt in schöne Ereignisse, Zeit mit Freunden, kürzere Reisen. Die Zwischenräume füllt die Arbeit, Alltägliches und die kleinen Freuden: ein gutes Essen, ein schöner Text, Musik. Gemütliche Momente, und der Frieden, den mir frisch gewaschene Wäsche gibt.

Nur manchmal reißt der Schleier auf, und ich sehe meinen Stillstand. Ich spüre, was mir fehlt, und was ungelebt bleibt. Aber woher soll die Kraft kommen, etwas zu verändern? Ich habe mich selbst eingelullt.

(ohne Titel)

Geträumt, ich hätte ein Wespennest im Haar: hunderte Wespen in einer Traube auf meinem Kopf, oberhalb des Ohres, naturwissenschaftlich falsch mit einer imaginären Königin verklebt. Ich kann mich kaum noch bewegen. Ihr Gewicht drückt mich nach unten, genauso wie die Angst vor einer falschen Bewegung. Als wäre ich durch ein Erdbeben verschüttet oder durch einen Unfall gelähmt.

Der einzige Ausweg ist, aus meinen Träumen aufzuwachen.