WMDEDGT 06/17

(Hier die Erläuterung, was WMDEDGT ist)

Pfingstmontag. Ein geschenkter Tag. Ich wünsche mir an Sonntagabenden häufig, es gäbe noch einmal 24 Stunden, denn es fühlt sich oft so an, als sei ich am Sonntagabend gerade erst fertig mit allem notwendigem, und jetzt, wo der Spaß endlich beginnen könnte, ist das Wochenende vorbei.

Heute also: ein geschenkter Tag. Ich beginne ihn mit einer meiner Lieblingstätigkeiten: ausschlafen. Um halb zehn erwache ich aus angenehmen und leicht erotisch angehauchten Träumen. Ausschlafen ist das allergrößte. (Fast). Ich bleibe noch eine Weile liegen und genieße das Gefühl des Ausgebreitetseins, des weichen Bettlakens unter mir und der leichten Sommerbettdecke auf mir.

Kleines Frühstück, kleine Katzenwäsche, und dann geht es mit etwas ebenfalls großartigem weiter: Musik. Ich erstelle eine Playlist für den Sommer. Musikhören ist mir sehr wichtig, und ich stehe auf saisonales Musikhören. Aus irgendeinem Grund verbinde ich den Sommer mit Musik aus den 1980ern. Im letzten Jahr hieß meine Playlist „Südfrankreich“, Alison Moyet war dabei, Chaka Khan, Fleetwood Mac, und auch Foreigner. Ich bin ja jetzt in einem Alter, in dem mir nix mehr peinlich ist, da kann man auch mal bei 35°C im Auto an der Ampel „I ain’t missing you at all!“ mitgrölen. Dieses Jahr wurde die Playlist ein bisschen härter, funkiger, zum Beispiel mit Grace Jones, Grandmaster Flash oder Last Night a DJ Saved My Life (ja, den Interpret erinnert niemand mehr). Funky Cold Medina ist übrigens ein toller Song mit sehr, sehr fragwürdigem Text. Der Sänger hat sechs Kinder mit fünf Frauen, ein Mann wie ein Rasensprenger. Wenn man das mal weiss, kann man es auch nicht mehr vergessen.
Auch ein paar neuere Songs schaffen es in meinen Sommer: Banks, Chet Faker, Jax Jones (auch hier: schwieriger Text), Captain Capa, Bernd Begemann, Hein Cooper. Das ganze Jahr über begleiten mich schon London Grammar, diese Liebe scheint nicht saisonal zu sein. Auch King Krule ist wieder dabei. Selbst Sun Kil Moon, eigentlich wegen der depressiven Grundstimmung Musik für den Herbst oder Winter, ist vertreten.
Ich möchte eine Playlist mit Musik, die mich an trockenes Gras, tiefblauen Himmel, nackte Füsse und heruntergelassene Autofenster erinnert. Der Geschmack von Honigmelone und Aprikosen, die Abende unendlich lang, die Stadt und das Land in Urlaubsstimmung, und die Zeit wieder endlos wie damals als Kind.

Gegen elf, da habe ich erst eine grobe Idee meiner Playlist, verlasse ich das Haus und kaufe frischen Spargel und Erdbeeren von einem Stand an der Straße. Den Spargel bereitet meine Mutter zu, die nebenan wohnt, ich mache eine Sauce Hollandaise, dessen Rezept ich SGMaus auf Twitter erläutere. Meine Mutter und ich essen und unterhalten uns gut, und ich bin sehr dankbar dafür, wie wir zusammen und doch frei sein können.

Zurück in meiner Wohnung mache ich eine To-do-Liste, bin dann aber doch so träge, dass ich erstmal gar nichts erledige, sondern lieber noch ein bisschen lese. Ein gutes Buch, das ich mir da ausgesucht habe, geht anders weiter, als man gedacht hätte, gut geschrieben, die Figuren sind nicht nur von der Handlung getrieben, sondern auch von dem Wunsch, sich selbst besser zu verstehen. Es macht mich sehr zufrieden, ein gutes Buch zu lesen.

Dann widme ich mich meiner Urlaubsplanung. Ich recherchiere, dass es ganz schön teuer ist, ein Motorboot zu mieten. Ich koordiniere Termine und freue mich ziemlich auf Treffen mit großartigen Frauen. Und immer ist da auch eine leichter Schmerz, weil ich gerne noch so, so viel mehr machen und unternehmen würde, und jetzt schon merke, dass die Zeit knapp wird: im Urlaub wie auch heute.

Zwischendurch lasse die Spülmaschine laufen, starte die Waschmaschine, räume auf, bezahle eine Rechnung, bestelle was bei der Online-Apotheke, bestelle ein Buch, versuche, schwarze T-Shirts zu bestellen, aber die sind anscheinend alle ausverkauft, spiele an der Playlist weiter rum, stelle fest, dass ich im US-Amazon zwar eBooks, aber keine mp3s kaufen kann, seltsame Welt.

Aus irgendwelchen Gründen ist es dann plötzlich schon 20 Uhr. Ich schaue mir kurz das Grauen in der Welt via Tagesschau an, während ich die Wäsche aufhänge, verabschiede mich dann vom Fernsehprogramm und schaue ein paar Folgen der vierten Staffel von „The Middle“. Mir fällt zunehmend auf, dass die Serie Geschichten von Figuren erzählt, die in gewöhnlichen Narrativen nur nebenbei vorkommen würden: die tollpatschige, aber liebenswerte Sue, der eigenartige, aber hochintelligente Brick, der schweigsame, aber coole Arbeiter. Der beliebte, aber nicht allzu schlaue Footballer Axl hat sich gerade in seine sehr kluge, leicht an „Daria“ erinnernde Nachhilfelehrerin verliebt, auch das eine Geschichte, die sonst aus der anderen Perspektive erzählt wird. Gefällt mir.

Gegen zehn will ich eigentlich noch ein paar Dinge erledigen, bleibe dann aber bei Novemberregen hängen, und fange dann an zu bloggen. Es bleibt immer zu wenig Zeit für das, was ich mir vorgenommen habe. Trotzdem war es ein guter, vielleicht sogar ein sehr guter Tag heute. Es ist niemals genügend Zeit für alles, aber meistens doch für das, was mir wirklich wichtig ist. Und was das ist, weiss ich manchmal erst hinterher.