(ohne Titel)

Ich träume, daß ich dir ins Gesicht schlage, mit zwei Schritten auf die zugehe und Dir einfach eine runterhaue, voller Wut. Du nimmst den Schlag mit leichtem Trotz, du weißt, du hast es verdient und kannst doch nicht ändern, was der Grund dafür ist. Als du mich mit deinen dunklen Augen ansiehst, legt sich Begehren wie ein sanftes Tuch auf meine Wut: wie schön du bist, kräftig und jung, aufrecht wie eine Säule, und wie du leuchtest, leuchtest. Ich will dich, und ich kann dich nicht haben.

Ich wache auf, stehe auf, mache Kaffee, ziehe mich an, male mir ein Gesicht und schlüpfe in die, die ich tagsüber bin. Meine Hände arbeiten von selbst, alles Routine, wähend mein Geist noch mit dem Traum beschäftigt ist. Es scheint einen Ort der wilden Emotionen in mir zu geben, so tief, es bliebe dem Computertomographen verborgen, so tief, man müßte mir das Brustbein aufsägen, um ranzukommen. Seltsam, ausgerechnet dich dort zu finden, wo ich doch dachte, ich könnte dich abwaschen wie Staub oder Smog. Vielleicht ist es nur ein Bild von dir in meinem Kern, um das nun das Magma meiner Emotionen kocht und brodelt. Wut und Lust verschmelzen, das kommt mir nicht richtig vor, doch jene Instanzen, die urteilen, gibt es nur außen, nicht innen. Ich schließe die Tür und gehe zur Arbeit, und auch mich verschließe ich, so gut ich kann.

Mut

Unvermittelt legt er die Karten auf den Tisch. Es ist unsere zweite Chance. Wir waren essen, sind durch die Straßen gestreift, haben einen Zwischenstop in einem dreckigen Hinterhof eingelegt und sitzen nun in einer Bar.
Er schaut mich an, seine Augen dunkel, und sagt: wir können nicht zusammen sein.

Ich will austrinken, aufstehen, gehen. Frage dann doch warum? Es ist mir unerklärlich. „Willst du nicht“, frage ich, „oder kannst du nicht?“
Er spricht von Selbstzweifeln, von seiner Sorge, Konflikten nicht gewachsen zu sein. Von der Schwierigkeit, tragfähige Kontakte zu anderen Menschen aufzubauen. Er will alles richtig machen.
„Alles beginnt mit dem ersten Schritt“, meine ich. „Jetzt klingst du wie ein Kalenderblatt“, meint er. Er spricht von einem Abgrund, der uns trennt und den er nicht überbrücken kann. „Was ist mit der Brücke, die ich dir gebaut habe?“, frage ich. „Metaphern helfen uns nicht weiter“, sagt er.
Immer wieder bedeckt er die Augen mit seiner Hand, massiert seine Stirn, grinst, um die Tränen zu unterdrücken. Es ist nicht einfach für ihn. Es ist auch nicht einfach für mich. Eine Stunde später verstehe ich immer noch nicht, was ihn aufhält, was er befürchtet. Es ist so viel Nähe zwischen uns, so viel Intimität in unseren Worten, mehr als wenn wir nackt wären. Und dennoch entsagt er mir lieber, als die Zweisamkeit zu versuchen. Straft sich, straft mich.

Er begleitet mich ein Stück auf meinem Nachhauseweg. Ich fühle mich ausgelaugt und gleichsam aufgekratzt. Schwarzer Humor hat sich eingeschlichen, und wir müssen beide ein wenig lachen, weil das alles so absurd ist, grotesk, tragisch.
Zum Abschied nimmt er mich sanft und leicht in die Arme, einen Bruchteil eines Augenblickes nur. Etwas klickt, wie zwei Teile, die zueinander passen. Als er sich von mir löst, tut es so weh, daß ich es kaum aushalten kann.

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