Beim Aufräumen fällt mir ein Buch in die Hand; ich blättere darin, lese mich fest. Setze mich aufs Bett, lege ich mich schließlich hin und merke nach ein paar Seiten, daß ich genauso liege wie Du – nein, wie wir – das gerne mochten. Plötzlich bist Du da, durchscheinend zwar, aber so real in meiner Vorstellung, daß ich fast glaube, Dich zu spüren.
Die Sehnsucht, die sich nicht wegargumentieren läßt. Ich kann mir zwar verbieten, an Dich zu denken, aber mein Körper erinnert sich. Ich könnte Dich anrufen, jetzt sofort, mich vielleicht sogar mit Dir verabreden, aber Du bist nicht wie in meiner Vorstellung, das weiß ich. Du, wie ich glaube, daß Du bist, und Du, wie Du wirklich bist, das sind zwei verschiedene Sachen, und weil ich von Deinem realen Selbst verlange, was nur mein Bild von Dir kann, enttäuscht Du mich und machst mich unglücklich. Ich grolle Dir dafür, und weiß doch: es ist nicht Deine Schuld. Niemand hat Schuld, und wenn doch, dann am ehesten ich, oder zumindest sind meine Fehler die einzigen, die ich ändern kann. Ich kann aufhören mit Dir, und irgendwann wird meine Sehnsucht nicht mehr Dein Gesicht tragen, sondern ein anderes, ein unbekanntes, hoffentlich.
Neulich habe ich geträumt, ich stände im Garten meiner Eltern. Es ist Herbst, aber die Bäume tragen noch Laub, und an den Büschen glänzen rote Beeren. Früher Morgen, das Gras trägt Reif, es knirscht unter meinen Schuhen. Es scheint so friedlich, und doch habe ich große Angst, weil ich weiß, daß dies der Anfang eines langen Winters ist. Wie soll ich das durchstehen…
Als ob es der erste wäre. Schritt für Schritt, Stunde für Stunde, einen Fuß vor den anderen.