Wenn mein Körper ein Land wäre,
und meine Emotionen die Fauna,
dann wäre ich
eher Tundra als Steppe
eher kalt als warm.
Permafrostboden. Gefrorene Zeit.
Ein langer Schlaf. Langsamkeit.
Sommer ist, wenn man sich die Handschuhe ausziehen kann.
(Februar 07)
Ich wollte damit Relationen und subjektive Bewertung beschreiben: jemand, der arm ist, fühlt sich schon mit relativ wenig Geld reich; jemand, der Kälte gewöhnt ist, definiert schon 10°C plus als Sommer; mir ging es damals so, daß bereits Kleinigkeiten auf mich höchst erotisierend gewirkt haben – ich war so etwas einfach nicht mehr gewöhnt.
Der Ausdruck „gefrorene Zeit“ tauchte schon ein Jahr früher auf. Mir gefällt der Vergleich von emotionalen Zuständen und Aggregatzuständen. Fest, flüssig, gasförmig und die Übergänge: schmelzen und fest werden, verdampfen und kondensieren, abkühlen und erhitzen. Temperatur ist Bewegung, Bewegung ist Zeit. Wenn sich zum Beispiel die Teilchen einer Substanz fast gar nicht bewegen können, dann sind sie fest. Führt man ihnen Energie zu, indem man die Temperatur erhöht, bewegen sie sich immer schneller, schmnelzen und werden schließlich gasförmig. Ein Gas will sich immer so weit ausdehnen, wie es möglich ist – sperrt man es in einen Kessel, entsteht Druck, und wenn man die Temperatur weiter erhöht, kommt es irgendwann zur Explosion.
Ich mag es kühl. Nicht so kühl, daß die Substanz in meinem Brustkorb mir mit scharfen Ecken und Kanten ins Fleisch schneidet, nein – lieber kühl und glatt und dankbar für die Rituale des Alltages. Dann freue ich mich über ein ruhiges Wochenende: ein Buch lesen, lecker essen, eine Serie gucken. Ich bin zufrieden.
Robert Smith verwendet in seinen Texten gerne melting als sexuelle Metapher. Ich finde, es beschreibt treffend das Gefühl, wenn festes langsam weich und biegsam wird, aufbricht und beweglich wird, während man aus diesem langen, kühlen Schlaf erwacht und ganz verwundert darüber ist, daß man zu Gefühlen fähig ist.
Im Moment toben in meinem Brustkorb gasförmige Teilchen, trommeln wild und hektisch gegen meinen Solarplexus. Es ist schrecklich. Ich weiß nicht, woher es kommt – Hormone, Mond oder Jahreszeit? Aber ich weiß, wie es enden wird: mit einem Knall und einem bodenlosen Fall und einer Depression, von der so mancher meinen mag, das passe ja zu Herbst und Winter. Ich fürchte mich trotzdem davor.
Vielleicht sollte ich mich weiter anheizen, bis ich überkoche, rotglühend werde, explodiere, in Fetzen herunterhänge, bis ich nicht mehr weiß, wie ich heiße, bis ich mich selbst im Spiegel nicht mehr erkenne und endlich froh sein werde, noch einmal davongekommen zu sein.
Ich fürchte, ich habe nicht genug Mut, und so klopft mein kleines Hasenherz im Rhytmus mit den Teilchen. Hoffentlich fällt bald Schnee.