(ohne Titel)

Nachdem ich mich gestern beim Universum über den Mangel an erotischen Träumen im Hause Fragmente beschwert habe, wurde mir folgender Traum geschickt:

The Cure haben ihre Fans eingeladen, vorab das Veranstaltungsgelände des Promokonzertes für ihr neues Album zu besuchen. Ich wandere an der Bühne vorbei durch verschiedene Räume, alles ist in jenes blaue und violette Licht getaucht, daß The Cure auch in der Realität bei ihren Bühnenshows benutzen. Schließlich gelange ich backstage. Ich dürfte eigentlich nicht hier sein, mich hat aber auch niemand aufgehalten.
Und wie ich da so stehe, läuft Robert Smith an mir vorbei. Ich bin aufgeregt, fasse mir aber ein Herz und spreche ihn an. Nach ein bisschen small talk fragt er, wie mir der Veranstaltungsort, das neue Album und das Konzept gefallen würde. Er selbst findet es super, so gut wie Sex, sagt er.

Und ich sage: no, not like Sex. It’s like falling in love…

(ohne Titel)

„Entschuldigung“, sagt der junge Mann in der Fußgängerzone und läuft auf mich zu. „Können Sie mir helfen?“. Ich bleibe nicht stehen, aber ich lächle. „Haben Sie den Wal vorbeischwimmen sehen?“, fragt er.

Der Scherz bleibt mir verborgen.

***

„Ich hoffe, das ist jetzt nicht zu creepy…“, sagt sie.
„Du könntest niemals creepy sein“, sage ich.

Nein, ich habe keinen Wal gesehen. Aber ich habe eine Perle gefunden.

what’s in a name

Ich habe neulich einen pissigen Brief an meinen Energielieferanten geschrieben. Ich schreibe ungern pissige Briefe. Pissige Briefe sind was für Menschen, die nicht ausgelastet sind, und ich bin voll ausgelastet mit meinem Job und meiner komplizierten Psyche. Ein bisschen wie ein Pentium III mit 256 MB RAM, dessen CPU zu 100% ausgelastet ist und der dennoch nach gewisser Wartezeit und eifrigen Rattern grafiklastige Websites öffnet. Pissige Briefe zu schreiben sind meine grafiklastigen Websites – man geht dort nicht hin, wenn es nicht wirklich dringend ist. Strompreiserhöhungen nehme ich also klaglos hin, falsche Heizkostenabrechnungen nicht. Mein Energielieferant und ich hatten Streit, weil auf meinen Heizkostenverteilern (=Dinger am Heizkörper, wußte ich vorher auch nicht) was anderes stand als auf der Rechnung. Das war dieses Jahr so, das war letztes Jahr so, das wird auch nächstes Jahr so sein. Ich schreibe dann immer einen höflichen Brief an meine Hausverwaltung mit dem Wort Einspruch darin, und dann ruft mich Herr Scholek vom Energielieferant an. Auf dem Mobiltelefon. Wäre mein Leben Firefox auf einem Pentium III, dann wären Anrufe auf dem Mobiltelefon wie ein Browserabsturz („sofort beenden“. Nachts um drei geweckt werden wäre dann wie ein Systemabsturz, um mal in der Metapher zu bleiben.)
Herr Scholek terrorisiert mich also auf dem Mobiltelefon. Wir machen einen Termin aus, er kommt frühmorgens vorbei, meistens schaffe ich es nicht, mir einen Büstenhalter anzuziehen. Für den armen Herrn Scholek bin ich vermutlich genauso sehr eine Strafe wie er für mich. Dann wollte er noch einen Termin und noch einen Termin und ich blicke da nicht mehr durch und hätte dann doch gerne mal was schrifliches, weil ich Akademikerin bin. Wir lieben Papier, wir stehen auf Buchstaben.
Also habe ich einen pissigen Brief geschrieben, es fiel mir nicht leicht. (Die Vermutung, Herr Scholek könnte eventuell Legastheniker sein, habe ich außen vor gelassen, darüber macht man keine Witze.) Auf meinen pissigen Brief habe ich etwa vier Wochen keine Antwort erhalten, also habe ich vorgestern einen pissigen Brief geschrieben, in dem stand, daß ich einen Brief geschrieben hätte und nun doch gerne Antwort hätte. Den Brief habe ich gefaxt! Es scheint ein Naturgesetz zu sein, daß Faxe viel schneller beantwortet werden als eMails oder Briefe. Heute hatte ich Post von meinem Energielieferant. Wenn Sie bis jetzt mitgelesen haben und sich fragen, was die Frau Fragmente eigentlich sagen will – hier kommt die Pointe: der Brief war von einer Frau Inspektorek .
Ich stand etwa fünf Minuten im Treppenhaus, starrte auf den Brief und fragte mich, ob die mich verarschen wollen. Ob Herr Scholek sich einen Spitznamen für mich ausgedacht hat, Frau Inspektor vielleicht, weil ich immer so viel nachfrage, und dann sein eigenes -ek angehängt hat. (Wenn ich so drüber nachdenke, nervtötende Schwabbelsau wäre vielleicht der Spitzname gewesen, den ich mir gegeben hätte, wäre ich Herr Scholek).
Dann glitten meine Augen tiefer, auf die Mailadresse von Frau Inspektorek. Ihren wirklichen Vornamen kann ich nicht posten, sie steht im Telefonbuch, aber so ungefähr sah die Mailadresse aus:

gracia.inspektorek@energielieferant.de

Ich wäre nicht Frau Fragmente, wenn ich der Sache nicht weiter nachgegangen wäre:

Absolute geographische Verteilung des Namens „Inspektorek.“

Ich hoffe, die Dame googelt sich nie selbst, und wenn, daß sie mir diesen Eintrag nicht übel nimmt. Ist ja eigentlich kindisch, diese Faszination von einem Nachnamen, aber: made my day.

nachts um drei, wenn der Geist schutzlos und nackt ist.

Um drei klingelt es. Es ist nicht der Wecker.
Drei Uhr tut weh, körperlich und real, nicht im übertragenen Sinn. Meine Brust zieht sich zusammen, mein Herz klopft wie wild.
Es klingelt, es ist nicht der Wecker, aber was ist es? Ich spinge auf, laufe durch die dunkle Wohnung. Das Klingeln hört auf, natürlich, wie könnte es auch anders sein. Ich lege mich wieder hin, der Nacken verkrampft, einen sauren Geschmack im Mund, mein Magen knurrt.
Ich gehe in meinem Geist anderswohin, wo ich den Schlaf vermute, und finde nur dunkle Gedanken. Dann klingelt es wieder. Ich stehe auf, was ist es? Rauchmelder?
Es ist das Telefon. Ich gehe ran und höre nur ein Freizeichen mit Rauschen und Knistern. Ich lege auf, es klingelt wieder, ich gehe dran, Freizeichen. Dieses Spiel spielen wir schlaftrunken eineViertelstunde lang. Dann ziehe ich den Stecker und suche eine Erklärung. Ich vermute, daß die Störung mit dem Haustelefon der Frau im ersten Stock zusammenhängt. Sie telefoniert gerne intern mit ihrer gebrechlichen Mutter im Erdgeschoß. Mein schnurloses Telefon scheint auf einer ähnlichen Frequenz zu arbeiten, denn kürzlich konnte ich ihr Gespräch auf meinem Telefon mithören.
Wieder im Bett, mein Geist schutzlos und nackt, grüble ich: ist meinem Vater etwas passiert? Oder Ruth? Fran würde sicherlich ihren Freund anrufen, wenn irgendetwas wäre, meine Mutter meine Mobilnummer.
Ich finde lange keinen Schlaf, die Muskeln in meinem Nacken ganz verspannt, weil sie einen so schweren Kopf tragen müssen.

Lektionen in Demut.

Ich war bei der Bank, ich habe mein Auto reparieren lassen, ich habe die Novembermusik verschickt. Ich habe die Daten aus der Maschine ausgewertet und meine Wohnung geputzt. Ich habe die Mutter meines Nachhilfeschülers besucht und ausreichend geschlafen.
Und jetzt, wo die Welle an Aufgaben über mich hinweggerauscht ist, ich endlich wieder in ruhigere Gewässer komme und auch mal wieder Zeit habe, ein Buch zu lesen – jetzt kommt die Depression.
Ganz sicher geht das wieder vorbei, ich habe da ja Erfahrung, vielleicht schon nächsten Mittwoch, wenn das Sturmtief über Deutschland hinweggezogen ist und ich nicht mehr im Bett liege und mich allein fühle, während draußen die Regentropfen gegen die Scheibe trommeln und die Fensterläden im Wind klappern.
Was mich bedrückt, das ist hier zu sein, in diesem Projekt festzustecken, in dieser Wohnung festzuhängen, in dieser Stadt festzukleben wie eine Fliege in Klebstoff: ich ziehe und ziehe und ziehe und komme nicht weg. Das macht mich müde.

Vielleicht ist es genau andersherum, und ich bin die ganze Zeit unterwegs, wie ein Schiffsjunge auf einem Segelschiff und warte darauf, anzukommen. Aber ich bin nicht der Kapitän, ich bestimme nicht den Kurs und kann nur jeden Morgen hoffen, endlich Land zu sehen.

Ich habs ja nicht so mit Ratschlägen. Für 110 Euro habe ich aber einen wirklich guten bekommen: ich solle folgenden Satz in meinem Herzen tragen (aber nicht auf meinen Lippen) –
Meine Zeit wird kommen.

Bis dahin heißt es Lektionen in Demut und trotzdem den Mut nicht verlieren, sondern ein fleißiger Schiffsjunge sein. Es sind wertvolle Lektionen, die mir später sicherlich nützlich sein werden, ich sollte dankbar sein. Aber manchmal liege ich im Bett, der Wind tobt draußen und ich bin traurig.