Inneres Erdbeben

Meinen heimlichen Crush das erste Mal seit fast einem Jahr wiedergesehen. Ihn erkannt, von hinten. Immer habe ich Angst, daß ich die Menschen nicht mehr erkenne. Wenn ich versuche, mir Gesichter ins Gedächtnis zu rufen, scheitere ich oft, daher kommt diese Angst. Ihn habe ich sofort erkannt, sogar von hinten. Seine Haare, unter einer Basecap hervorragend, an die ich eine halbwegs bewußte Erinnerung hatte, und sein Körper, seine Körperhaltung, seine Größe, die Linie seiner Schultern und das leicht hochgezogene. Unbewußte Erinnerungen. Dann sein Gesicht, das ich erkenne, und bereits jetzt nicht mehr beschreiben kann.
Wir schauen uns an, während ich mit der Kollegin vorbeischlendere, zu viele Gedanken in meinem Kopf. In seinem Blick diese leichte, allgemeine Unsicherheit, eine große Wachheit und ein wenig Trotz. Ich bin ihm verfallen wegen dem, was sich in seinen Augen widerspiegelt.
Ich grinse, ziehe die Augenbrauen hoch. Er setzt zu einem Gruß an, der mittendrin verloren geht. Dann bin ich an ihm vorbei, und während ich überlege, mich umzudrehen und zu ihm zurückzugehen, haben mich meine Schritte bereits von ihm weggeführt.
Shit. Es wäre so cool gewesen.

***

Zwei Stunden später treffe ich mich mit der Fledermaus im Café um die Ecke, eine weitere Stunde später laufe ich zurück zu meinem Büro. Da kommt er mir entgegen, was ein kleiner Zufall ist, aber kein großer. Ich wußte, daß er in dem Gebäude, in dem mein Büro liegt, einen Termin hat, und konnte grob abschätzen, wann dieser vorbei sein würde. Jetzt bin ich also halbwegs vorbereitet, gehe direkt auf ihn zu und merke erst später, daß das vielleicht ein bisschen beängstigend war: eine kräftige, schwarz gekleidete, zu allem entschlossene Frau, pfeilgerade auf ihn zugehend. Ich sage „Hallo!“ und seinen Namen. Ich mag seinen Namen. „Wie gehts?“, frage ich, und wir tauschen Höflichkeitsfloskeln aus. Als er mich fragt, wie es mir geht, verknoten sich meine Worte. Eine Frage, auf die ich viel zu erzählen, viel über mich zu erzählen hätte, aber ich sage nur: „muß ja“. Frage ihn ein wenig nach seinem Termin, er bleibt einsilbig, wenn auch schüchtern lächelnd, seine Worte abgehackt, als verließe ihn der Mut mittendrin. Aber was weiß ich schon, ich kann Männer nicht besonders gut einschätzen.
„Du hast einen ziemlichen Eindruck bei mir hinterlassen“, sage ich, anerkennend. „Hoffentlich positiv“, meint er, und ich bejahe. Dann verabschieden wir uns.

Vielleicht wollte ich ihm nur das sagen: daß ich ihn schätze, daß ich viel von ihm halte. Ich habe ihn in der Schulung gedisst und wollte das schon lange geraderücken. Es fühlt sich gut an, diesen Aspekt zu einem runden Ende gebracht zu haben. Für ein paar Stunden hat mir das Treffen mit ihm ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert, mich leicht und beschwingt gemacht. Jetzt kommt ein wenig Traurigkeit hinzu, weil ich mich wieder erinnere, mich wieder ganz genau erinnere, was mir fehlt.
Wie wirds weitergehen? Wir werden einander wahrscheinlich hin und wieder zufällig begegnen, uns freundlich grüßen. Womöglich reden wir sogar miteinander: small talk und Floskeln. Alles andere wäre ein Wunder.

(ohne Titel)

Nur noch so kleine Häppchen Aufmerksamkeit, wenn ich aufsteige aus dem Text oder den Tabellen, an denen ich gerade arbeite. Genug für Twitter, nicht genug für Mails oder ganze Sätze. Ich sammle die kleinen Häppchen und mache ein Mix-CD daraus, als dankeschön für die Aufmerksamkeiten, die mich via Amazon anläßlich meines Geburtstages erricht haben. Novembermusik 2008.

***

Geträumt, ich würde zwei Bären stillen, so groß wie Katzenbabies, einer schwarz, einer weiß, an prallen Brüsten. Es zieht und kitzelt und fühlt sich gut an.

(ohne Titel)

Weißauchnicht. Irgendwie gehts wieder.
Aufgefangen worden von meinen Kollegen, Ruth, meinen Eltern.
Midori hat mich gewärmt. Die Fledermaus hat ein treffendes Bild gefunden von zwei, die in einem Boot sitzen. Kittykoma meint, ich hätte eine Ausstrahlung, als ob etwas großes in mir schlummern würde. Ich bin ein wenig rot geworden. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Vielleicht etwas großes. Vielleicht ist es auch schon vorbei. Ich war schön, als niemand hinsah/ ich war brilliant, als es egal war/ Kellner beim Fest, auf dem ich selbst nicht erwünscht war… Womöglich hat Don Alphonso recht und die wichtigsten Kenntnisse in den nächsten Jahrzehnten werden Fruchtfolgte, Schweinehaltung und Stickstoffdüngung auf Winterweizen sein. Auch so könnte ich leben.

Leben. Demnächst werde ich einunddreißig. Letztes Jahr eine Liste von Dingen erstellt, die ich im Leben noch so machen möchte. Null gemacht. Ich stecke fest, klebe fest, komme nicht voran, und das wird wohl auch noch in meinem neuen Lebensjahr eine Weile so bleiben. Es gab üppige Lektionen in Demut, fast mehr, als ich aushalten konnte, auch, was die Männer betrifft (1/ 2/ 3).

Leben. Mir kommt es manchmal so vor, als ob es aus Bruchstücken besteht: heiter und traurig, schwarz und weiß, positiv und negativ. Diese Fragmente gleichen sich nicht aus, sie sind einfach da, und die Kunst besteht darin, den Widerspruch auszuhalten.
Seit Twitter blogge ich nicht mehr so häufig. Trotzdem bin ich zufrieden mit meinen Fragmenten. Das letzte Jahr ist umfassend und treffend dokumentiert worden, hier in meinem kleinen Archiv. Ich hoffe, das bleibt so. Alles andere darf sich ändern.

Oh, und vielleicht läßt sich jemand erweichen und schenkt mir was über Amazon.