Wasn Jahr.
Die meiste Zeit schlecht gelaunt gewesen. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch gute Tage, schönes und sogar Glücksmomente gegeben hätte. Aber die Baseline war doch recht weit unten. Das liegt natürlich an der COVID-19-Pandemie und am zunehmenden von mir als schlecht empfundenen Management durch beide Bundesregierungen.
Die Pandemie ist die größte Krise seit dem 2. Weltkrieg und hat eine große disruptive Kraft. Und der Scheiß hört einfach nicht auf, sondern wird in Q1/2022 noch einmal so richtig schlimm. Da kann man schon einmal sehr schlecht gelaunt sein.
So richtig rumjammern kann ich leider nicht, denn es geht mir im Vergleich zu anderen sensationell gut. Ich habe Arbeit, muss mich im Büro nur selten mit Impfgegenern auseinandersetzen, bin dreifach geimpft, genieße finanzielle Sicherheit, kann remote arbeiten, wenn es sein muss, und habe keine chronische Krankheit. Aber so hatte ich mir mein Leben nun auch nicht vorgestellt, mit diesem sich durchhangeln irgendwie, und der ständigen Risikoabwägung. Mein Leben vor der Pandemie war geprägt von kurzen und langen Reisen, Konzertbesuchen, Treffen mit Freunden, Karaoke und nice little restaurants where they know your name. Ich weiß, andere haben so viel mehr verloren. Aber trotzdem.
Was war sonst noch? Ich habe 2021 sehr viele Impftermine organisert. Das hat mir gut getan und mir die Illusion von Kontrolle gegeben. Vielleicht habe ich dadurch auch tatsächlich hier und da eine Infektionskette unterbrochen. Schöner Gedanke.
Die Branche, in der ich arbeite, zählt zur kritischen Infrasturktur, obwohl wir etwas wirklich ganz anderes machen als Feuerwehr und medizinische Versorgung. In Erinnerung bleiben wird mir eine Veranstaltung des Arbeitgeberverbands, in dem darüber gesprochen wurde, ob man Bescheinigungen zur bevorzugten Impfpriorisierung nur bestimmten Personen im Betrieb oder allen ausstellen sollte. Der Sprecher hat berichtet, dass er vor zwei Wochen dafür plädiert hätte, dies nur für bestimmte Personen zu tun, dass aber mittlerweile große Organisationen dies für alle ausstellen. Daraufhin habe ich für alle in meinem Büro ein solches Schreiben ausgegeben. Etwa drei Wochen später ist die Impfpriorisierung insgesamt gefallen, was mein Gewissen etwas erleichtert hat.
Was war schön in 2021? Ich habe mir ein neues Auto gekauft, das mir überraschend viel Freude bereitet. Im Wellental habe ich zwei schöne Urlaubsreisen gemacht, jeweils Ferienhaus mit Pool. Das erste Mal Außengastronomie war wirklich sehr schön. Ich habe einen Tomaten-Burrata-Salat mit gebratenem Pfirsich entdeckt und zuhause viele Male nachgekocht. Perseiden waren toll dieses Jahr. Immerhin einmal Karaoke allein mit Frau N. Viel schöne Zeit mit Francine, insbesondere der eine Abend, als ich einfach so vorbeigekommen bin, und wir sind spazieren gegangen.
Ich habe für eine Person aus einem Kriegsgebiet ein Schengen-Visum erwirkt. Und dann noch eine COVID-19-Impfung, obwohl keine Krankenversicherung und keine Meldeadresse in Deutschland.
Im Büro zum ersten Mal direkt Game of Thrones-Style attackiert worden. Am Ende das Schreibtischelement des anderen ausgeräumt und seine Visitenkarten weggeworfen. Hätte ich drauf verzichten können. Vor Misserfolgen nicht gefeit gewesen, aber auch viele Momente der schönen Zusammenarbeit und der Wertschätzung. Aus dem Urlaub wieder ins Büro gekommen und der ganze Schreibtisch war voll mit kleinen Geschenken, zum Beispiel. Schon wieder eine Beförderung angeboten bekommen, weiß nie, wie ersthaft das ist. Weils in einer anderem Geografie wäre, und für einen Teil der Organisation, der gerade langsam untergeht, werde ich freundlich ablehnen.
Das negative: fünfmal Wasser im Keller wegen Kanalproblemen. Ziemliche Belastung durch Immobilienverkauf und (gescheiterten) Immobilienankauf meiner Mutter, sie war da sehr emotional. Einmal so gestritten, dass ich geheut habe.
Unbekannte Virusinfektion im Oktober (hier beschrieben: steril). Doch nicht in den Emiraten gewesen. Das ganze Jahr kein einziges Mal Motorboot gefahren.
Müde gewesen.
Zwei gute Bucher dieses Jahr: einen Erotikroman („morning glory milking farm„) mit Minotauren und sowas wie Sexarbeit, aber vielleicht doch eher Physiotherapie, und dann wird es überraschend romantisch und optimistisch und wärmt das Herz.
Das andere ist The Empress of Salt and Fortune über eine Kaiserin wider Willen, die aus dem Exil heraus einen Coup organisiert. Die Geschichte wird ganz indirekt erzählt, in einer wunderbaren Sprache, sehr tragisch, aber auch sehr kraftvoll, und mir queeren Elementen, die man nicht erwartet hätte.
Bester Film Your Name, wenn auch schon etwas älter.
Bester Eintrag in diesem Blog: die Sache mit dem Marder.
Es gab auch zwei schöne neue Platten dieses Jahr: einmal Californian Soil von London Grammar, und dann noch Seventeen going under von Sam Fender. Im Titelsong heißt es:
I was far too scared to hit him/ but I would hit him in a heartbeat now/ that’s the thing with anger/ it bets to stick around…
Ja, 2021 war Anger eine vorherrschende Emotion. Nehme ich sie mit ins neue Jahr?