Bubbles

Frau N. trinkt einen Bubble Tea und ich bin recht neidisch, denn ich habe noch nie Bubble Tea getrunken. Sie hat außerdem zwei Glückskekse, einen öffnet sie für mich und sagt:

„Das wird dir nicht gefallen“.

Sie hat Recht, denn der Glückskeksspruch lautet: „Change is coming.“

Change is never good, people say it is but it is not.

Ich zitiere das gerne, und es ist wahr und es ist falsch.

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Zwei Wochen im Mandatory Block Leave gewesen. Man würde vielleicht vermuten, dass ich im Urlaub schlecht abschalten kann, dass ich ständig Mails checke oder am Pool mit dem Büro telefoniere. Tatsächlich gelingt mir das Loslassen gut, ich ergebe mich dann in eine ce sera sera Haltung, und meine anderen Interessen übernehmen die Führung. Viel gelesen im Urlaub, das hat gut getan. Mir neulich ein Buch zum Thema Self Care gekauft, das ich noch nicht gelesen habe, denn eigentlich weiß ich ja, wie es geht.

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Noch ein Nachtrag zum Dienstleister, über den ich mich so geärgert hatte (Sie haben das alle bestimmt schon wieder vergessen). Ich bestellte ihn (also den Vertreter) am Freitag vor dem Urlaub ein. Ich war sehr ernst, und ich war sehr gut vorbereitet. Dem Unternehmen ist Schaden entstanden, habe ich gesagt, und dann ausgeführt. Und wie ich da mich so in meinem gerechten Zorn erging, eisgekühlt, passierte etwas Ungewöhnliches: der Dienstleister ertränkte mich in Freundlichkeit, ich wurde festgeklebt von Honig, ich wurde Golden Retriever-like umgeworfen. Keine Rechtfertigung, sondern volle Zustimmung bei allem: natürlich wolle man stets nur das Beste für das Unternehmen, es ist sozusagen eine Mission, stets den allerbesten Service, und die Dinge werden genauso gesehen wie ich sie sehe etc.

Muss man sich merken, so als Taktik im Köcher.

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Heute beim Nachhausefahren – es war noch hell – beobachtet, wie eine Frau mit ihrem Fahrrad gestürzt ist, an einem Fußgängerüberweg. Wobei ich den Sturz selbst nicht gesehen habe, erst ab der Sekunde danach: die Frau, die am Boden liegt, und dann ein Paar, das sofort hilft. Er sammelt die Trinkflasche ein, die langsam Richtung Deutsche Bank rollt, sie stellt die Yogamatte wieder in den Fahrradkorb, denn die Frau hat sich aufgerappelt, ist aufgestanden. Sie ziehen das Rad von der Straße auf dem Bürgersteig, erkundigen sich nach der gestürzten Frau, der es gut zu gehen scheint, ein Schreck nur, es ist ihr alles ein bisschen peinlich.

Meine Ampel wird grün, ich bin gerührt, und fahre weiter.

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Innerhalb von zwei Tagen sind die Kirschblüten aufgegangen. Wir sind gerade in dieser einen Woche, in der alles grün wird oder blüht, jeden Tag ein bisschen mehr, als ob jemand mit dem Pinsel über die Landschaft streicht. Ich mag es sehr, dem zuzusehen.

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Kein guter Blogeintrag, aber ein sehr schönes mäanderndes Gespräch mit Frau N. war das heute.

Papiernes

Gibt so ein paar Sachen, über die man zur Zeit schlecht Witze machen kann, Spritpreise zum Beispiel (abgenudelt), Weltfrieden (zu emotional) oder den dritten Weltkrieg (too soon).

Es ist brüchiger geworden alles, durchscheinend wie japanisches Papier. „Lohnt sich das jetzt noch?“ ist so eine Frage, die unter der Oberfläche von fast allem ruht. Keller aufräumen? Ja, denn die Illusion, Ordnung zu schaffen, tut mir gut. Dekovorhänge fürs Schlafzimmer? Ja, Nestbau. Bewusster essen für bessere Blutzuckerwerte oder Schokolade für die Seele? Schwierig.

Ich mache, was ich immer mache, ich gehe ins Büro, ich komme heim, ich räume die Spülmaschine aus- und wieder ein. Ich tanke und ich kaufe Klopapier und Nudeln, ich spreche mit Frau N. über Bargeldreserven und mit Lieblingstwitter über Kurbelradios. Es fühlt sich alltäglich an, ich lade Powerbanks auf und teste Batterien als Teil meiner Routine, so wie ich das Waschbecken putze und Handtücher wechsle.

Frau N. fragt mich, wie oft ich tanken muss. Ich erzähle, dass ich jetzt öfter tanke. „Wegen Flucht“, fragt sie, und ich denke, sie macht sich lustig, und vielleicht tut sie es auch, aber dann sagt sie: „es beruhigt mich zu wissen, dass du gut nach Hause kommst“.

Seufz.

Meinen Streit mit dem Empfangsdienst habe ich eskaliert, auch wenn Frau N. meint, dass es eigentlich nicht mein Niveau ist, und nichts zu gewinnen ist. Mir scheint es aber irgendwie sehr wichtig zu sein, ich habe nämlich Recht und ich möchte, dass das anerkannt wird, auch wenn ich vermute, dass es der anderen Seite an der Fähigkeit mangelt, dies grundsätzlich einzusehen. Vielleicht zeigt die Zeit, was mich da reitet, gerade.

Meinen eigener Aufstieg innerhalb der Organisation mag ich gerade nicht so richtig vorantreiben. Auch interessant.

Zerbrechliche Zeiten. Als ich noch jung war, und rome von Rounders etc, da fand ich Charles Bukowski toll, und mich selbst so richtig edgy, wenn ich ihn gelesen habe. Each man must realize that it can all disappear very quickly, an diese Zeile habe ich mich heute morgen erinnert. All our foundations – including love – rest on foundations of sand.

Was die Liebe angeht, stimme ich nicht mit ihm überein. Für mich schafft die Liebe eine Verbindung, die nicht schwindet, auch nicht, wenn die Lebenswege auseinander gehen. Auch nicht durch den Tod

Auch meine Liebe zur Welt hat Bestand.

hoch, runter

Ich sitze in der Küche von Novemberregen und blogge. Hatte heute sowohl meinen Geldbeutel (andere Tasche) als auch mein iPad (mit Tastatur), über das ich normalerweise blogge, wenn ich bei Frau N. bin, zuhause vergessen. Zum Glück hat sie mich zu einem Mezze-Teller und Schawarma eingeladen, und jetzt darf ich auf dem Endgerät eines Haushaltsmitglieds bloggen.

Ich werde selten so verwöhnt wie bei Frau N. Ich war seit Oktober nicht mehr bei ihr zuhause, wir haben uns nur draußen oder per Video gesehen.

Bisschen über meinen Streit mit einem Empfangsmitarbeiter gesprochen. Es stellt sich heraus, dass mein Ärger ganz berechtigt ist, und auch nicht. Es ist schlechte Dienstleistung, wirklich sehr schlechte Dienstleistung. Ich fühle mich darüber hinaus auch gemaßregelt, vorgeführt, geschulmeistert. Ich kann die mangelnde Dienstleistung addressieren, aber nicht meine Gefühle, die muss ich wegatmen, wieder mal, ganz professionell.

Frau N. lacht, nicht über mich, nicht mit mir. Über die Situation, über das absurde, über das Theaterstück, das andere aufführen und in dem man unvermittelt eine Rolle zu spielen hat, die man nicht wollte.

Ich will, dass einmal irgendetwas einfach einfach ist.

Vor ein paar Jahren habe ich Frau N. gefragt, was sie noch für Ziele hat. Ich hatte das Gefühl, selbst alles erreicht zu haben – wobei alles hier ein großes Wort ist – zumindest: einen Sättigungszustand erreicht zu haben: Job war gut, Freundschaften gut, Wohnung war gut, Geld war gut, jede Menge Reisen, ich war mit mir ganz zufrieden, und doch unzufrieden, denn: was nun? Was als nächstes? Frau N. hat damals zu mir gesagt, sie wünscht sich einfach, dass alles so bleibt wie es ist.

Dann kam die Pandemie, und jetzt der Krieg, und wir sind dabei, mehr zu verlieren, als wir uns je hätten vorstellen können.

Stellen Sie sich vor, was mir heute Abend passiert ist: ich gehe aus dem Büro raus, rufe den Aufzug, die Aufzugtür geht auf und ein junger Mann mit Maske ist gerade dabei sich den Pullover über das Hemd zu ziehen. Ich glaube, er hat kurz gequietscht, als die Tür aufgegangen ist, und mir einen Blick zugeworfen wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Ich habe dann höflich gefragt, ob ich zusteigen darf, wir haben beide ein bisschen gelacht, ich meinte, dass ich hoffe, dass er noch bekleidet ist, wenn wir unten ankommen, haha. Es war aber auch ein bisschen süß, ich habe mich beim Aussteigen bedankt, dass er mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hat.

Überhaupt, Aufzüge. Ich könnte lange über Aufzüge sprechen oder schreiben. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass zwischen der Aufzugtür und dem Boden ein schmaler Schlitz ist, der tückischerweise genau breit genug ist für ein Mobiltelefon oder eine Broschüre oder ein kleiner Dokumentenpack? Unter den Aufzügen gibt es eine Art von Käfig, in dem alles gesammelt wird, was da so unterfällt – oder zumindest die Splitter davon. Wer mal The time traveler’s wife gelesen hat, weiß, wovon ich spreche.

Ich denke da gelegentlich dran: einen Ort, an dem alles gesammelt wird, was wir je verloren haben, während wir hoch fahren oder runter, mitfahren oder aussteigen, aufbrechen oder ankommen.

Das klingt jetzt schon wieder so melancholisch, dabei geht es mir eigentlich ganz gut.