10/30

Essen gewesen mit Besuch aus London und ein paar Managern.

Darüber nachgedacht, wie wir manchmal bestimmte Strategien und Verhaltensweisen, die uns durch eine schwierigen Lebensphase gerettet haben, auch dann nicht loslassen können, wenn diese Episode unseres Leben vorbei ist. Und welche Strategie ich noch mitschleppe, obwohl sie mir nicht mehr hilft. Welchen Preis es von mir erforden würde, sie loszulassen. Dass ich meinen Blick auf etwas anderes lenken, etwas neues in mein Leben lassen müsste, um weniger von dem zu tun, was mir nichts mehr nützt.

Nächste Woche wieder wir-nennen-es-Coaching-nicht-Therapie. Über die Dinge nachgedacht, über die ich dort nicht spreche. Weil sie gänzlich falsch sind, oder zu nah an der Wahrheit.

09/30

Mein Chef in London hat neulich erzählt, dass er, wenn ihn alle so richtig nerven und er seine Stimmung heben will, ein Glas Champagner in der zu einer Bar umgewandelten ehemaligen Wertpapierbörse trinkt und sich anschließend die Schuhe polieren lässt.

Ich hingegen fahre durch die Waschanlage. Das ist mein Happy Place.

Jedenfalls, ich war heute in der Waschanlage und habe – das wird vielleicht Novemberregen interessieren – zum ersten Mal das Kundenmagazin der Waschanlage ausgehändigt bekommen. An dieser Stelle wollte ich ursprünglich einen Witz einfügen, was die Daseinsberechtigung dieses kleinen Blogs angeht, wenn selbst eine Autowaschanlage ein eigenes Magazin hat (!!!), aber dann habe ich gesehen, dass die Auflage des Magazins 150.000 Exemplare beträgt. Nicht nur das, die Waschanlage (besser: die Kette der Waschanlagen) hat sogar ein Blog. Sie bezeichnen sich selbst aber als „der Blog“, dabei wissen wir doch alle, dass es „das Blog“ heißt, wegen Weblog/Logbuch/Log. Und komm mir keine/r mit dem Duden!

Jedenfalls hat sich die Zeit heute leicht und weit angefühlt, obwohl es weder mehr Zeit gab, noch irgendetwas leichter war als sonst. Vielleicht, weil ich gestern früh ins Bett gegangen bin?

So ist das ja häufig mit dem Leben: man denkt, man hat es raus, hat verstanden, welchen Gesetzmäßigkeiten die Dinge unterworfen sind, und dann wird schlichtweg neu gewürfelt. Es kommt ein neuer Tag aus diesem unendlichen Würfelbecher heraus, der das Potential hat, und völlig zu überraschen – in die eine wie in die andere Richtung.

08/30

Überrascht gewesen, wie dunkel es um 18 Uhr bereit ist. Schwärzeste Nacht.

Ansonsten einkaufen gewesen. Paket konnte ich noch nicht vom Paketshop abholen, weil keinen Ausweis dabei. Bisschen TikTok, sonst keine Übrigzeit. Ich habe zwar noch etwas mehr als eine Stunde, bis ich schlafen muss, ich bezweifle, dass da noch etwas interessantes passieren wird.

Heute morgen das Wordle, das Waffle, und NYT Connections verloren.

07/30

Sehr vieles nicht gemacht heute. Nicht im Supermarkt gewesen, noch nicht einmal einen Einkaufszettel geschrieben. Ich hoffe, die Milch reicht morgen früh noch für einen Milchkaffee. Nicht das Paket abgeholt vom Paketshop. Keine neue Handyhülle bestellt, nicht aufgeräumt. Den Schrank durchzusehen und die Sommerklamotten weg- und die Winterklamotten einzuräumen, daran ist nicht einmal zu denken. Natürlich nicht beim Ghibli Pop up-Store gewesen. Auch keines der 21 To-do’s auf meinem Whiteboard in Angriff genommen.

In der Arbeit war es ähnlich, aber ich blogge ja im November nicht über die Arbeit, sondern nur über die Übrigzeit. Freizeit. Überlegt, im Dezember nur über die nichtgemachten Sachen zu schreiben; den Gedanken aber wieder verworfen wegen zu deprimierend.

Heute jemandem zugehört, das war wichtig, glaube ich.

Schon komisch, dieses Leben, also: meines. Kurze Momente des Scheiterns, gelegentlich ein heller Schein von etwas, das gelingt, vor einem Canvas aus aus Mittelmäßigkeit und Alltäglichkeiten.

Gut geschlafen habe ich, das zählt auf jeden Fall.

06/30

Um 04:30 Uhr aufgewacht wegen Schmerzen, bis zum Weckerklingeln um 06:30 Uhr gedöst. 12 Stunden im Büro gewesen, nein, weniger, aber mein Gehirn ist jetzt zu müde, das noch auszurechnen. Gerade ein Knäckebrot mit Schinken im Stehen gegessen. Gleich gehe ich ins Bett, vielleicht schaue ich mir noch die TikTok-Sammlung von Crocodylus an, die Ina in einem Kommentar erwähnt hat, den ich sofort freigeben werde.

05/30

Heute ist nichts passiert.

Life admin gemacht. In stressigen Zeiten neige ich dazu, Zeugs in Plastikkisten zu sammeln. Das hilft, die Ablageflächen frei zu halten. Jetzt war es mal an der Zeit, diese ganzen Nester von Sachen aufzulösen und die Dinge wieder ihrem Ort zuzuführen.

Gedanken sortiert, Termine notiert, To-do’s strukturiert, Papiere geordnet, Rechnungen bezahlt. Der Rest des Jahres wird rasen, ein so unverplantes Wochenende wie dieses wird es für mich erst einmal nicht mehr geben.

Zwischendurch in der Mediathek eine Folge der für mich entspannensten Serie überhaupt geschaut: Zwischen Spessart und Karwendel. Zu meiner Überraschung dort ein mir von TikTok bekanntest Gesicht gesehen, nämlich Teresa Reichl (ich verlinke mal auf ihren YouTube Kanal, weiß gar nicht, ob man auch TikToks überhaupt Links setzen kann). Kleine Welt – oder große Welt, je nach dem, wie man es sieht.

Gleich nehme ich noch ein Fußbad und schaue dabei die fluffigste Highschool-Romanze, die Netflix im Programm hat. Und dann beginnt eine neue Woche. Noch sieben Wochen bis Weihnachten, und acht Wochen bis 2024.

Viertausend Wochen hätte so ein Leben im Durchschnitt, meint Oliver Burkeman.

04/30

Ein schöner Tag war das. Gegen halb acht aufgewacht, aber bis um zehn im Bett geblieben. Im Internet rumgesurft, TikTok, ein neues kleines Spiel auf dem iPad angefangen, Musik gehört. Zwischendurch ein bisschen geputzt und aufgeräumt, das hilft immer auch sehr meiner inneren Ordnung und ist mir heute gar nicht schwer gefallen.

Am Nachmittag einen Spaziergang mit meiner Mutter durch die Weinberge gemacht. Mich sehr gefreut über die herbstlichen Farben, manche Reben tragen richtig dunkelrotes Laub. Leichtes Nieseln, ein echter Novemberregentag, aber nicht sonderlich kalt. Jahreszeitlich angemessen. Den langen Weg zurück genommen, ich fahre ja grundsätzlich recht gerne Auto, und so ganz ohne Zeitdruck, wenn es was zu gucken gibt, gefällt es mir besonders gut. Es entwickeln sich dann auch besonders gute Gespräche, finde ich, wenn man sich so treiben lässt, über dies und das spricht.

Zuhause setzte sofort Gemütlichkeit ein, ich möchte bei diesem Wetter gerne Tee trinken, kuschelige Socken tragen und ein Buch lesen. Vielleicht sogar eine Kerze anzünden.

Hätte ruhig noch länger sein können, dieser Tag.

03/30

Meine Übrigzeit hat sich heute ein hektisch angefühlt. Morgens noch ein bisschen aufgeräumt, spät dran gewesen. Abends im Stau gestanden wegen einer wütenden Demonstration. Versucht, die Demo zu umfahren, stattdessen im Bahnhofsviertel im Stau gestanden. Vorne Demo, Polizei, Blaulicht; links wurden Drogen gedealt, rechts wurden Drogen konsumiert, an der Straßenlaterne eine Dirne, und hinten wurde gehupt.

Dann Lesezirkel, wir haben „Oben Erde, unten Himmel“ besprochen. Mir hat die Sprache sehr gefallen, der Schauplatz des modernen und dennoch alltäglichen Tokio, die genau gezeichneten Figuren. Das Sujet war nicht so meines, ich mag meine Bücher fluffiger.

Müde. Ich freue mich auf den Schlaf, das Ausschlafen, und werde morgen auf jeden Fall länger liegen bleiben.

02/30

Gestern war es spät geworden, ich hatte mir daher den Wecker für heute früh auf 07:30 Uhr gestellt. Um 07:09 Uhr weckte mich der SMS-Ton, um 07:16 Uhr öffnete ich meine Augen und nahm den Text zur Kenntnis. Die zauberhafte Sarah bat mich äußerst höflich, ob ich mal nach ihrem Handy schauen könnte, sie könne es nicht finden. Ich erinnerte mich, dass wir irgendwann vom Wohnzimmer in die Küche umgezogen waren, wie man das eben so macht, wenn es ein wirklich schöner Abend ist. Sarah räumte den Tisch ab, ich half dabei. Später wollte ich noch ihr Handy holen, wegen WLAN zum Bloggen, konnte es aber im Wohnzimmer nicht mehr finden.

Ich hatte es nämlich zu dem Buch und meinem Block in einen Beutel gesteckt und mit nach Hause genommen.

Ich war dann sehr schnell wach und angezogen, sehr zerknirscht und um 07:34 Uhr auf dem Weg zum Treffpunkt mit Sarah, die sich auch sehr gerne „in der Mitte“ getroffen hätte. Das war aber meiner Ansicht nach keine Situation, bei der man sich in der Mitte treffen sollte, zumal die zauberhafte Sarah ein Leben führt, das (i) zeitlich ziemlich auf Kante genäht ist, und (ii) in dem auf ein Smartphone nicht wirklich verzichtet werden kann (die SMS, falls sich wer fragt, kam übrigens von ihrem iPad).

Es hat sehr geregnet, es war dickster Berufsverkehr, mit Baustellen und Stau und Unfall und Rettungsgasse, das hat sich alles auf gute Art nach Buße tun angefühlt für den sehr stressigen Morgen, den die arme Sarah auf der Suche nach ihrem Handy hatte, weit bevor ich überhaupt aufgewacht war. Die Übergabe war dann sehr schön und sehr kurz, Sarah hat sich sehr gefreut, als ich um 08.47 Uhr (und damit 2 min später als angekündigt) am Treffpunkt eintraf, ein Strahlen ging über ihr Gesicht, und sie hat mich fest an ihr Herz gedrückt. Schön war das.

Durch den Stau wieder zurück, den 10-Uhr-Call etwas nach hinten geschoben, alles etwas eng, aber wir bloggen im November ja nicht mehr über die Arbeit.

Den Rest der Übrigzeit mit Lesen für den anderen Lesezirkel verbracht, es ist etwas unglücklich, dass die beiden meistens kurz nacheinander stattfinden. Außerdem abends bei meiner Mutter vorbeigeschaut und ein langes und gutes Gespräch geführt.

Vieles nicht gemacht: Wohnung weiterhin sehr unaufgeräumt (immerhin die Wäsche abgenommen), nicht geputzt, nicht eingekauft, nicht beim Bürgeramt gewesen wegen neuem Pass, und eigentlich sollte ich auch mal zum Arzt gehen wegen einer Entzündung.

Manche Dinge werden ja auch von alleine wieder besser.

01/30 – Übrigzeit

Frau Novemberregen hat sich gewünscht, dass ich auch den ganzen November über jeden Tag blogge, und zwar ausschließlich über die Übrigzeit, also das, was nach der Arbeit und dem Schlafen noch übrig bleibt. Freizeit ist da mit drin. Der November ist ja ihr Monat, da kann ich gar nicht anders, als ihr diesen Wunsch zu erfüllen.

Mein Abend heute ist sehr schön, denn ich bin bei der zauberhaften Sarah zu Gast. Sie hat Crêpes gemacht mit herzhaftem und süßem Belag zum selber aussuchen, das ist immer ganz köstlich. Gemeinsam haben wir dann per Videocall am Lesezirkel teilgenommen. Besprochen wurde „Alle Zeit“ von Teresa Bücker. Ich habe dort viele schöne Worte gelernt: Eigenzeit, Alleinzeit, Übrigzeit, Obligationszeit, Zeitsouveränität, Zeitkonfetti.

Die Zeit beschäftigt mich ja schon immer sehr, so als Konzept. Wir messen die Zeit physikalisch, zum Beispiel durch den vorrückenden Zeiger einer Uhr oder das Zerfallen der Atome in der Atomuhr. Es gibt, glaube ich, auch ein Protein, das im 24-Stunden-Rhythmus zerfällt, oder leicht abweichend davon, weil es noch aus einer Zeit stammt, bevor ein Meteorit auf der Erde einschlug, die Erdumlaufbahn veränderte und so die aktuelle Tageslänge schuf, die wir irgendwann in 24 Stunden eingeteilt haben.

Neben der physikalischen Zeit gibt es auch die gefühlte Zeit, und sie kann manchmal unendlich lang sein, zum Beispiel wenn der Zug nicht kommt oder die Toilette nicht frei wird oder der Schwarm nicht anruft. Sie kann auch vergehen wie im Flug, zum Beispiel mit Sgmaus auf einer Parkbank, oder einfach gänzlich ausgesetzt sein, wie bei einem Konzert von The Cure oder bei einem Kuss.

Gerade ist sie mir zu kurz, ich würde noch gerne länger bei Sarah bleiben, es kommt mir oft so vor, als hätten wir gerade erst angefangen zu reden, wenn wir schon wieder aufbrechen müssen. Aber ich muss nach Hause, sie muss ins Bett, wir müssen beide morgen aufstehen und arbeiten. Obligationszeit.

Die Zeit beherrscht uns, aber manchmal müssen wir sie auch selbst beherrschen und Zeit machen in diesem kurzen, wunderbaren Leben für das, was uns wirklich wixhtig ist.