Was für ein Jahr.
Im Januar habe ich ein Selfie von mir gemacht, in meinem Büro, kurz nach dem mich der CEO sehr höflich – aber wie das bei CEOs so ist, auch sehr bestimmt – gebeten hatte, eine größere Rolle zu übernehmen. Auf dem Selfie sehe ich geschockt aus, die Augen stecknadelgroß, denn ich wusste, das dies einer jener Momente war, der das Leben in ein Vorher und ein Nachher teilt. Wie groß die Rolle sein würde, habe ich dann doch erst nach und nach so richtig verstanden, denn ich bin nun nicht nur für andere Geographien außerhalb von Deutschland zuständig, sondern auch ein Teil des Gremiums, das das Unternehmen in Europa leitet.
Man kann daher sagen, dass ich 2024 vor allem gearbeitet habe. An Sachthemen, an Präsentationen, an meinem Netzwerk, an mir selbst und an der Rolle, für die ich einige Parameter setzen darf und auch setzen muss, damit sie mich nicht gänzlich auffrisst.
Es ist auch ein wenig Abschiedsschmerz dabei von dem, wofür jetzt erst einmal keine Zeit mehr bleibt, aufgewogen durch unvergessliche Momente: das erste Meeting des Gremiums, ausgerechnet in jener osteuropäischen Stadt, in der mein Vater geboren ist. Das erste gemeinsame Dinner, bei dem der CEO über seine Lesebrille schaut und in die Runde fragt and who wants Oysters? Meine erste Präsentation, und in der Kaffeepause danach zieht mich mein Chef zur Seite, fasst mich an beiden Schultern und sagt: „Fragmente, das war wirklich 1A!„. Ich kenne ihn lange genug, um an seiner Stimme zu hören, dass er ehrlich beeindruckt ist.
Ich fliege meine Mutter ein, wir suchen das Geburtshaus meines Vaters und finden es nicht, aber ich weiß, er wäre stolz auf mich, hätte sich über mich und für mich gefreut, auch wenn er mich nie wegen meiner Leistungen geliebt hat, sondern weil ich bin, wie ich bin.
Ich arbeite, ich bin auf Dienstreise, ich optimiere das Kofferpacken. Überhaupt muss alles immer optimiert sein, weil so viele Momente auf Kante genäht sind, dass so gut wie kein Raum für Ungenauigkeiten bleibt. Ich sitze viel mehr als jemals sonst in meinem Leben vor Kalendern und plane meine Zeit, beruflich wie privat, jede Woche aufs neue, jeden Monat, fast jeden Tag. Was nicht kalendiert ist, neigt dazu, nicht stattzufinden.
Ich gehe ins Coaching, und ich arbeite an mir, und ich lerne mehr und mehr, die Parameter zu setzen, und die Momente, in denen mir die Dinge gelingen, mehren sich. Ein weiteres Treffen des Gremiums, Skandinavien dieses Mal, „nice presentation“ sagt der CEO, und abends sitzen wir alle gemeinsam an einem großen Tisch, alle sind entspannt, irgendwo spielt ein Akkordeon, und ich gehöre dazu.
Nach einem schwierigen Sommer stellt sich dann im Herbst ein vertrautes Gefühl in der Rolle ein. Mir fällt vor allem auf, dass meine Unzufriedenheit und auch einige der Konflikte aus dem letzten Jahr damit zu tun hatten, dass meine vorherige Rolle ein bisschen zu klein für mich war. Jetzt passt es, zumindest empfinde ich es gerade so, und ich hoffe, dass es so bleibt, denn das hier war der größte und vielleicht letzte Karriereschritt in meinem Erwerbsleben.
Mir bleibt also von 2024 vor allem die Arbeit in Erinnerung. Bluesky zeigt mir, dass ich auch oft glücklich war. Ein gutes Jahr? Ein unglaubliches Jahr.