Mein Nachhilfeschüler kommt rein, knallt die Tasche auf den Tisch, fläzt sich auf den Stuhl. Seine ganze Körperhaltung drückt Ablehnung aus. Er tut, was ich sage, er tut es leidenschaftslos, ungern, leidend. Er zieht eine Flunsch. Passive aggressive. Und ich werde zunehmend sauer, das ist ja, als ob man einen Esel den Berg hochschieben muß, so gut bezahlt werde ich nun auch nicht. Mühsam, und ich weiß mir mit nichts zu helfen außer mit Routine: wir machen eine Aufgabe, lesen aus den Buch, schreiben etwas auf, machen noch eine Aufgabe.
Als ich nach Hause fahre, die Straßen leer in der Dämmerung, schießt es mir durch den Kopf: mein Nachhilfeschüler war heute sehr verletzlich. Und ich erinnere mich plötzlich wieder, wie das ist – Pubertät, das Chaos der Hormone: an manchen Tagen die Haut so dünn, die Seele wie ein rohes Ei. Grundlos geweint habe ich, und ich bin mir sicher, ich war oft ebenso pampig wie er.
Manchmal, sinniere ich weiter, geht es mir auch heute noch so. Ich reagiere schnippisch, wenn ich eigentlich verletzlich bin und dünnhäutig. Und manchmal bin ich im Unrecht. Aber was würde es nützen, das zuzugeben?
Archiv des Autors: fragmente
today
Wie soll man mit dem eigenen Geburtstag umgehen?
Ich habe vieles versucht. Gar nicht gefeiert, still gefeiert, mit Freunden gefeiert, mit vielen Menschen gefeiert. Mir nichts gewünscht, damit ich nicht enttäuscht werde. Mir ganz konkrete Dinge gewünscht, damit ich nicht enttäuscht werde. Mir selbst etwas geschenkt, damit ich nicht enttäuscht werde. Den Geburtstag vorher angekündigt, damit ihn ja niemand vergißt. Den Geburtstag verschwiegen.
Dieses Mal feiere ich. Die Kollegen haben schon gratuliert, die Eltern und Ruth ebenso, heute Abend koche ich für ein paar Freunde, und meinem Blog habe ich den Geburtstag auch nicht verschwiegen.
Dieser Geburtstag scheint ein angenehmer Tag zu werden. Vielleicht, weil ich nicht mehr so krampfig bin, sondern gelassener geworden bin. Vielleicht, weil ich weniger verletzlich, weil weniger eitel bin.
Älter werden scheint so seine Vorteile zu haben.
Apropos
Apropos schamlos.
Wie Sie ja wissen, bin ich allein. Ungefähr einmal im Jahr schlafe ich mit einem Mann, und dieses Jahr war schon.
Ich bin also allein, und wie Sie vielleicht aus eigener Erfahrung wissen, hat man dennoch Bedürfnisse. Diesen Bedürfnissen zollte ich am Samstag abend Beachtung – manchmal muß man eben selbst Hand anlegen. Jedenfalls, gegen Ende jener Prozedur hat es sich ergeben, daß ich ein paar unkontrollierte Laute ausstoßen mußte, vielleicht lauter als gewöhnlich.
An sich kein Problem, denn im eigenen Schlafzimmer darf man ja wohl Schlafzimmerdinge tun, und ich würde das hier auch nicht erzählen, hätte ich nicht vor ein paar Tagen festgestellt, daß die Wand, die mein Schlafzimmer von dem des jungen türkischen Ehepaares trennt, aus Rigips ist. Komisch, daß mir das erst jetzt aufgefallen ist, aber man läuft ja nicht durch die Wohnung und lehnt sich an die Wände, außer neulich, als ich mir die Schuhe angezogen habe und merkte, oh, die Wand ist ja ganz dünn.
Ich liege also so im Bett, die Welt tritt langsam wieder in meinen Fokus, und ich denke: upps, das war aber ganz schön laut. Da kommen aus dem Schlafzimmer des jungen türkischen Paares plötzlich Laute, die meinen sehr ähnlich sind. Es ist möglich, wenn auch unwahrscheinlich, daß die beiden zu just jenem Zeitpunkt einer ähnlichen Tätigkeit nachgegangen sind wie ich. Für wahrscheinlicher halte ich, daß es sich für einen Wink mit den Zaunpfahl seitens des Ehepaares handelt.
Ich werde also langsam rot, überlege mir, was man dann wohl zueinander sagt, wenn man sich das nächste Mal im Treppenhaus begegnet, seufze dann und setze mich vor die Glotze.
Beim Zappen fällt mir auf: Länderspiel Deutschland gegen Georgien. Das 1:0 für Deutschland fällt zeitlich genau mit den Lauten aus der Nachbarwohnung zusammen…
ich lese. live!
Location: ein Piercingstudio. Näheres dazu bei Bandini.
schamlos
945 Tage online, 720 Beiträge. Bislang hielt ich nichts davon, das hier in irgendeiner Weise kommerziell auszunutzen – Befindlichkeitsweblogs eignen sich ohnehin nur eingeschränkt, um Produkte zu bewerben.
Nun ja. Um nicht lange drum herum zu reden: ich hab bald Geburtstag, und ich würde mich freuen, wenn mir jemand was schenkt. Wer mag, könnte dem Geschenk sogar eine persönliche Botschaft hinzufügen. Ich würde mich revanchieren – mit einem Dankeskärtchen in Papier- oder Weblogform zum Beispiel…
Frau F. denkt nach und kommt zu keinem Schluß.
Wenn ich nachdenke, dann hilft mir manchmal Robert Smith. Der sitzt dann, leicht transparent, auf der Kante des Sofas, eine Bierflasche in der Hand, schaut auf seine Schuhe und hört mir zu.
Ich rede gerne mit ihm über das Glück. Wie es sich anfühlt, wenn er glücklich ist. Ob es lange dauert oder kurz.
Bei mir ist das Glück ziemlich kurz, ein Moment nur, wenn man auf einer Brücke steht oder an einer roten Ampel. Ein Zwinkern in den Augen Buddhas. Das Glück fühlt sich leicht an, als wäre man ein klein wenig verliebt – in sich selbst vielleicht? Zumindest finde ich mich dann ganz okay, ich werde aber nicht blind gegenüber meinen Makeln und Abgründen. Sie sind nur einfach nicht wichtig in diesem Moment des Glückes.
Gerne würde ich von Robert Smith wissen, ob man Glück auch chemisch herbeiführen kann; es heißt, er habe da Erfahrung. Ich selbst habe keine, zumindest nicht mit verbotenen Substanzen, ich warte noch auf den richtigen Zeitpunkt für meinen ersten Joint, den ich mit einem Mann rauchen will, in einem Zimmer unterm Dach, auf dem Fußboden liegend durchs Dachfenster den Himmel betrachtend.
Das Glück des Rinderbratens, damit kenne ich mich aus. Wenn man einen Bissen von etwas nimmt, die Augen schließt und sagt: einfach perfekt.
Ob er einen Rat für mich hätte. (Von ihm würde ich vermutlich einen annehmen.) Wie man das Glück herbeiführen kann. Ob das überhaupt möglich ist? Doch leider bricht unsere Unterhaltung hier meistens ab; Robert Smith nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche, wird zunehmend transparenter, und ich gehe in die Küche und mache den Abwasch. Stehe dann, die Küchenschürze umgebunden und mit tropfenden Händen, noch einmal im Türrahmen und schau auf die Stelle, wo er nicht mehr sitzt. Ob man, um Glück empfinden zu können, im gleichen Maße Unglück ertragen muß.
Darauf will ich die Antwort nicht selbst herausfinden müssen.
Blond
Der ziemlich scharfe Typ, der kürzlich bei mir auf der Arbeit war und ein sehr kompliziertes Gerät erklärt hat. Seinen Namen zieren zwei Buchstaben. Er hatte Charme, er hatte ein Leuchten, mir war zum seufzten.
Das einzige, was mich dann doch ein wenig… nunja. Auf der unteren Hälfte seiner weinroten Krawatte befanden sich eine ganze Menge blonder Haare, und ich verfluche mein Gehirn, das beim Anblick dieser Haare sofort Assoziationsketten geformt hat.
Blonde Haare. Frauenhaare.
Ein Frauenkopf an seinem Bauch.
Unter welchen Umständen würde eine Frau ihren Kopf ausgerechnet dorthin legen? Sofa? Auto?
Auto. Und ein wenig wie von einer Perücke sehen die Haare ja auch aus.
Um die Ecke von meiner Arbeitsstelle ist übrigens ein großer, überregional bekannter und von der Polizei geduldeter Straßenstrich.
jetzt
wäre mal ein guter Zeitpunkt für ganz viele Kommentare.
mein liebster Spam.
Die sakral-poetische Version:
Dear Friend,
Greetings to you in the name of our heavenly God. This mail might come to you as a surprise and the temptation to ignore it as unserious could come into your mind; but please, consider it a divine wish and accept it with a deep sense of humility. My name is Zita Harris.
Die porno-poetische Version (Stilmittel: Wortwiederholung, Lieblingsausdruck „unser kleiner Seeelefant“):
Dicke Weiber wollen es hart besorgt bekommen!!
Sie lässt sich geil lecken und feucht f**. Dann ist sie schon so geil, daß sie anfängt geil zu schwitzen und sie weiß wirklich, wie man mit dem Mund arbeitet.
Dann legt sich aber unser kleiner Seeelefant auf den Rücken und lässt sich ordentlich durch****
Fettpolster so weit du gucken kannst. Da hast du mehr zum anfassen, als du dir
je erträumt hast.
Frau F. fährt nach Duisburg
Trotz Stadtplan war die Anfahrt irgendwie suboptimal. Umso schöner dann die Gesellschaft: nachzulesen beim Flußkiesel, beim Prospero, beim Küper, und bei Ludger, der übrigens wunderschöne Bilder mit 3D-Grafikprogrammen macht, die mir als Science-Fiction-Fan natürlich besonders gut gefallen.
Ansonsten habe ich einen Text probegelesen, was ganz gut geklappt hat. Den zweiten Text konnte ich leider aus Zeit- und Aufmerksamkeitsgründen nicht mehr lesen, so daß ich dafür noch ein Testpublikum bräuchte… Mit dem Text, den ich in Hannover gelesen habe, hätte ich dann dreie beisammen.