Fernweh.
Nicht nur nach einem Ort, sondern auch danach, einen Teil meines Lebens einfach zu überspringen. Ich verstehe nicht, wieso die Leute immer jung sein wollen.
Fernweh.
Nicht nur nach einem Ort, sondern auch danach, einen Teil meines Lebens einfach zu überspringen. Ich verstehe nicht, wieso die Leute immer jung sein wollen.
Der Mann mit dem Bärenfellumhang weilt fern von hier, fern von mir. Er bat mich um ein Bild, die Zeit zu verkürzen bis zu einem Wiedersehen. „Ich habe keine Nacktbilder“, sagte ich. „Ein Bild fürs Herz, nicht für die Hose“, entgegnete er.
„Er scheint mich schön zu finden…“, erzähle ich verwundert der Wand. Ein Satz, der sich denkt wie ein Auto, das durch eine verschneite Kurve fährt.



„Wieso kannst du eigentlich nicht mal was normales haben?“, fragt mich die Kollegin. „Husten, Schnupfen, so wie andere Leute!?!“
[Mit Herrn Kid kann ich nicht mithalten. Gottseidank.]
Krank. Verletzungsphotos folgen, sobald ich mich wieder länger als fünf Minuten aufrecht halten kann.
Skalitzer Ecke Wrangelstraße. Strategisch gut gewählt, eine vielbefahrene, zweispurige Straße, und genau hier: eine Ampel mit langer Rotphase. Im Schatten der U-Bahn-Brücke, zwischen den beiden Fahrbahnen: eine Gruppe Punks mit Hunden. Immer zwei wischten den Autofahrern die Scheiben, man gab gerne oder konnte zumindest nicht nein sagen. Manchmal, in den 45 Sekunden der Ampelschaltung, ein Blick auf jemand, der auf der nackten Erde schlief, und immer die Frage im Kopf: gewollte Bohème oder erzwungene Armut?
Als der Sommer zu Ende ging, gingen auch die Punks, ich dachte an ihre manchmal vom Schmutzwasser geschwärzten Hände und wünschte ihnen eine schöne Reise durch Indien oder Thailand. Sie machten Platz für einen anderen Mann, eine Stufe weiter unten in der Nahrungskette, der das Geschäftsmodell übernahm und in der Kälte arbeitete. Ein wenig wunderte ich mich schon, als die Temperaturen sich dem Nullpunkt näherten und er, im Anorak, weiter dort stand, die Hände in kaltem Wasser. Ein paar Mal habe ich ihm etwas gegeben, aber das schien nicht sein Ziel zu sein. Froh war er erst, wenn er einem einen Zettel unter den Scheibenwischer hatte stecken können. Kein Copyshop-Flyer und auch keine Massenverteilung, sondern handbeschriebene Zettel, oft Rückseiten von Papier aus Zigarettenschachteln oder Kassenzetteln. Schwer zu lesen, wirr, mit Wörtern aus einer fremden Sprache – polnisch wahrscheinlich. Eine Kollegin, die ein wenig polnisch versteht, übersetzte den Zettel so, daß „Stanislav“ Arbeit sucht und eine Adresse angegeben hat.

Ich kann nur die fünfte Zeile von oben lesen: Fraulen ich mechte Arbejt. Bite. Eine Zeile weiter unten: Frau Hjlpen kajne Angest Bite mit genau geben.
Ich bin hilflos. Ich kann ihm nicht helfen. Nicht einmal Worte funktionieren.
Auf meinem Küchenregal steht ein Topf aus Ton, darin in kleinen Stücken, wie französischer Nougat, wie türkischer Honig: Geduld.
Meine Schritte führen mich oft zu diesem Topf in diesen Tagen.
„Ich hätte nicht hier sitzen können, ohne dich anzufassen“, sagt er und später, daß er mich sexy findet. Ich sage nichts. Ich bin nass zwischen den Beinen. „Das zwischen uns hat nur peripher was mit Sex zu tun“, sagt er, und da hat er recht. Es ist Erotik, Leidenschaft, Neugier.
Ich sehe den Pferdefuß, aber wer könnte widerstehen? Hüll’ uns in den Bärenfellumhang. Ich bin Rosenrot. Wärm’ dich an mir.
[keine Kommentare]





Zeitgenossin hat es zusammengefasst.
Noch eine halbe Stunde bis Montag. Ich fühle mich schon sehr montaglich, sehe alles nur noch schwarz. Nichts gutes ist mir je passiert. Nichts gutes wird mir je passieren.
Oh je. Oh weh. Ich armer Teufel.
Dann muß ich ein wenig lächeln. Manchmal weine ich im Dunkeln, wenn ich an traurige Geschichten denken muß. Leaving Las Vegas .
Keine meiner eigenen Geschichten ist so traurig, daß man deswegen weinen müßte.