kein Ersatz

Justyna und ich laufen durch den Regen. Ich sage: „Pornokino. Strapse, High Heels, Rock, schwarzer Chiffon, Korsett, Kit Kat. Pornokino!“.

Und Justyna sagt: „ach, eigentlich willst du doch jemand, der mit dir durch die Straßen von Paris flaniert, dir Bücher für einen Euro auf dem Flohmarkt kauft und mit dir direkt nach dem Aufwachen schläft.“

Ja, aber. Ja, aber. Ja, aber.

„Es sieht ja nun nicht danach aus, als ob ich eine Partnerschaft gebacken bekomme. Dann könnte ich doch wenigstens dreckigen Sex haben!“

Justyna guckt skeptisch, sehr skeptisch. Mein Übermut ist verflogen, ein kleiner Rest an Trotz ist noch da, aber sie hat natürlich Recht, nüchtern betrachtet.

Frauen unter sich

Jetzt ist es mir schon mehrmals passiert, daß mich Leute, die mich über mein Blog kennen, beim ersten Treffen umarmt haben.Wirke ich irgendwie… knuddelig?

[Und ja, ich finde das gut, auch wenn ich erschrocken wirke.]

Am Ende des Abends wird sie sagen: „das war jetzt sehr intensiv …“ Ich werde ein wenig zusammenzucken, mir dann aber denken: sie kann das aushalten. Und mithalten sowieso.

Eindrücke der Blogs!-Lesung

Als erstes liest Anke Gröner einen ernsten, düsteren Text („Salzkartoffeln“) mit weihnachtlichem Thema. Aus zwei Gründen ist dieser Text keine gute Wahl: erstens wird dem Publikum gleich zu Anfang ein harter Brocken hingeworfen, zweiten sind ernste Texte sehr schwer zu lesen; es braucht viel Übung, um die Nachdenklichkeit und Stimmung zu vermitteln. Anke Gröner schreibt gut, sie schreibt sogar sehr, sehr gut. Später wird sie noch einen zweiten, humorvollen Text über eine anstrengende Frau im Supermarkt („Eisente“) lesen, ich werde lachen müssen. Sie liest „…jede einzelne Limette…“, betont die Wörter genau richtig, trifft genau die richtige Stimmlage, bringt die Atmosphäre gut rüber. Warum nur hat sie es sich und uns so schwer gemacht mit diesem ersten Text?
Als nächstes liest Frank Lachmann, hier stimmt alles. Er liest seine Texte mit genau derselben ironischen Distanz, die sich auch in geschriebener Form spüren läßt. Er ist großartig, jetzt beginnt die Lesung zu funktionieren, ich lasse von meinem Glas ab und freue mich.
Andrea Diener kann ich nicht gerecht werden. Ich lese ihre Texte so gut wie nicht, sie schreibt sicherlich gut, es ist nur ganz einfach nicht mein Geschmack. Sie liest sie auch passabel, aber wie gesagt, mein Ding ist es nicht.
Emily schreibt schöne, lustige Texte, aber zum Vorlesen eignen sie sich nicht.
Genau andersherum ist es bei Herrn Shhh von der Freakshow: die Texte wirken in geschriebener Form nicht so gut, aber wenn er sie vorliest, werden sie lebendig. Er liest sehr gekonnt, fast professionell, man fühlt sich gut unterhalten.

Die Moderation wirkte etwas konfus, es wurde viel geredet, aber die Aussage ist mir entgangen. Gab es ein Konzept? Gab es einen roten Faden?
Dennoch: egal, ob man Don Alphonso mag oder nicht, es ist immer eine Show. Und egal, ob man die Show mag oder nicht, 6 Euro ist das alle Mal wert.

Fazit: das Potential wurde nicht gänzlich ausgeschöpft, aber es war nichtsdestotrotz ein guter Abend.
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Es ist wie ein chemisches Prozeß, ein Kristallisationskeim, und drumherum sammelt sich alles. In der Mitte steht diese starke und energiegeladene Frau, die sehr wohl auch eine verletzliche Seite hat, aber nicht heute. Zunächst bin ich mit ihr und einem Long Island Ice Tea alleine, dann kommen zwei weitere spannende Menschen dazu. Im Roten Salon und bei Gin Tonic besetzen wir einen Tisch in der hintersten Reihe, ich fühle mich an die Schulzeit erinnert, letzte Reihe, hier wird gestänkert und gelobt und gelebt und geliebt. Zack – schon haben wir uns um ein Luder und einen Engel vermehrt, noch einen Gin Tonic, bitte. Als der Schmuddelblogger kommt, ist es schon fast vorbei, oder fängt es jetzt erst an? Noch einen Gin Tonic, bitte.
Ich frage Don Dahlmann, kennst du mich noch? und er lügt, ja klar. Ich frage Frank Lachmann, kennst du mich noch? und er sagt, ja klar, und lügt nicht.
„Kann ich noch was trinken?“ frage ich den Barkeeper, und er sagt „nein! auf keinen Fall!“ und schmeißt uns raus. Der Pulk um den Kristallisationskeim, die Frau, die auch nach Stunden nichts von ihrem Verve verloren hat, geht in ein anderes Lokal, einen Gin Tonic bitte. Sie spielen „Take Five“ und Nina Simone und ich bin froh und gelöst und gelassen und genieße das Leben.
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Während ich noch überlege, ob die S-Bahn noch fährt und wo die Nachtbus-Haltestelle ist, sagt Fry zu mir, er würde sich gerne ein Taxi nehmen. Damit er mit mir auf der Rückbank knutschen kann.

Das rührt mich dann doch.

vor dem Roten Salon

Ich gehe zur
Bloglesung
(Dienstag, 26.10., 20 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Berlin). Mag sich der eine oder andere mit mir vorher in einem nahegelegenen Lokal ein bisschen warmtrinken?

Frau Engel? Frau Changes? Frau Schnatterliese?

(auch Nicht-Blogger und Männer sind erlaubt).

EDIT

Ich reiche zwei Links nach (ich dachte, der Link zur Blogbar hätte das schon abgedeckt, aber Frau Engel weist zurecht darauf hin, daß da was fehlt):

Roter Salon
Hier ist die Lesung zwar nicht im Programm gelistet, dafür gibt es ein Bild vom Roten Salon. Ich schätze, vorbestellen muß man nicht, aber wer früh kommt, sitzt besser (sorry Frau Engel & sorry Fry).

Volksbühne
Hier ist die Lesung im Programm gelistet, soweit ich das verstanden habe, kostet der Eintritt 6 Euro.

irreversibel

Ich kann Vergewaltigungsszenen in Filmen nur sehr schlecht aushalten. Seit Sonntag verfolgt mich eine Szene aus Leaving Las Vegas . Die Prostituierte Sera wird von drei Footballspielern vergewaltigt, a job gone bad . Danach kauert sie in der Dusche, hält ihre Knie umschlungen; zwischen ihren Beinen läuft blutiges Wasser hervor. Rape-related humiliation: der Taxifahrer, der sich über sie lustig macht; die Vermieter, die sie hinauswerfen, nachdem sie sie mit zerschlagenem Gesicht nach Hause haben humpeln sehen.

Vielleicht kann ich es deshalb nur schwer aushalten, weil es zu nah an der Realität ist.

Just when I think I have picked myself up and am dusting myself off, I become worthless all over again.

Abgründe

Vor mehreren Jahren erlebte Frankfurt am Main einen Bankenboom. Jeder, der nicht bei drei auf dem Baum war, wurde eingestellt. Es ist eine andere Geschichte, daß auf den Boom immer der Crash folgt, jedenfalls suchte Ruth dringend Arbeit und in Berlin gab es schon damals nichts. So fing sie zusammen mit ein paar Studienabbrechern in einer Frankfurter Bank an. Von einem Typen erzählte sie öfter: daß er unglaublich böse gucken konnte, aber auf dem Weg von der U-Bahn die Alditüten für sie trug. Ein rätselhafter, scharfsinniger, charismatischer Mann. Sie trank ihn unter den Tisch.
2001 wurde der Mann von der Frau, die er liebte und mit der er zusammengelebt hatte, wegen eines anderen verlassen. Daraufhin (temporal? kausal?) begann er unter dem Namen „rome“ und der url „rounders.de“ ein Weblog. Ein verstörendes, schonungsloses Weblog, schonungslos gegenüber sich selbst und den anderen. Moralisch zweifelhaft, voller Nutten- und Casinogeschichten. Misantroph. Mit detaillierter Beschreibung all der Wunden, die ihm jene, die er liebte, zugefügt hatten. Voller Ratlosigkeit darüber, was denn nun zu tun sei mit der Zeit zwischen dem ersten und dem letzten Atemzug.
Irgendwann wollte Ruth nichts mehr mit rome zu tun haben, die Gründe dafür sind vielschichtig und wohl in ihrer komplizierten Persönlichkeit zu suchen; sein Weblog jedoch hat seinen Teil dazu beigetragen.

Ich habe sein Blog ebenfalls gelesen, vielleicht sogar intensiver als Ruth, es hat mich auf eine unerklärliche Art und Weise beeinflußt und berührt. Rome hörte Anfang 2003 mit dem Schreiben auf und hinterließ eine Lücke, die nicht zu schließen war. Ich erinnerte mich an eine Äußerung, daß er sein Zeugs lieber lesen als schreiben wolle, und so wuchs in mir der Gedanke, daß ich vielleicht das, was ich lesen möchte, einfach selbst schreiben muß. Denn wer sonst tut es?

Ich verschwieg dieses Weblog vor Ruth. Das ist ja auch nur eine kleine Sache, nichts wichtiges, die paar Zeilen. Doch es wurde schwierig. Vieles, was mich bewegte, konnte ich nicht erzählen, und sie merkte das. Sie spürte, wie wir uns entfernten und sprach es auch aus.

Als ich ihr vor wenigen Tagen von meinen Fragmenten erzählte, fragte sie mich sofort, ob es so sei wie Rounders. Nein, sagte ich, Herr Rounders hatte Stil und gute Geschichten. Dennoch, so vermutete Ruth, rome und ich, wir schreiben wohl beide über die menschlichen Abgründe. Über die Abgründe in uns. Über das, worüber man besser schweigen sollte.

Ruth fühlt sich von mir belogen und verraten; ich kann ihr kaum widersprechen. Sie sagt, Rome hätte geschrieben, weil er es niemanden hatte erzählen können. Aber bei mir lägen die Dinge doch anders, oder?