Badewannengedanken.

In Justynas Urlaubsabwesenheit hüte ich gerade deren Heim und Haustier. Einer der Vorzüge ihres Heims gegenüber meines Drecklochs ist, daß Justyna eine Badewanne besitzt. Nicht nur das, es gibt sogar genügend warmes Wasser, um selbige zu füllen. Voller Freude stieg ich also gestern in die Fluten, doch leider mußte ich festsellen: ich kriege meine Brüste nicht unter Wasser. Dies minimiert das Badevergnügen in ganz erheblichen Maße. Alles ist warm und wohlig von Wasser umgeben, aber gerade die empfindlichen Teile dienen als Kälteaustauscher.
Woran liegt das? Am Winkel des Oberkörpers? An meinem Körperumfang? Weil Gott einem nichts, aber auch gar nichts gönnt?

Justyna besitzt nicht nur eine Badewanne, sondern auch Kabelfernsehen. Ich habe jetzt also fünfzigtausendmal das Video von Maroon 5, sowie „die letzte Welle“, sowie „Symphonie“ (ganz schlimm), sowie irgendeine Dreizehnjährige („JoJo“) gesehen. Es ist nicht wirklich abwechslungsreich. Jedenfalls, um den Bogen zu schlagen, einmal kam auch Britney Spears und bringt sich in der Badewanne um. Und deren Brüste, so weit ich das sehen konnte, sind auch nicht unter Wasser, nur ein bisschen mit Schaum bedeckt. Silikon schwimmt eben oben, mag der eine oder andere jetzt denken, aber vielleicht müssen Badewannenfabrikanten einfach umdenken.

Als nächstes versuche ich es mal mit einem Jacuzzi.

Ich schnitt mir die Haare ab

Ich schnitt mir die Haare ab, direkt unter dem Zopfgummi des Pferdeschwanzes, mit einem Messer. Ein halber Meter hennarotes, seidiges Haar in meiner linken Hand, wie ein totes Tier, kein Teil mehr von mir. Ich stehe im Badezimmer meiner Eltern und sehe mich mit kurzen, schwarz gefärbten Haaren im Spiegel, die Frisur, die ich mit vierzehn oder fünfzehn hatte, auch mein Körper ist wieder so.
Mir wird klar, was ich getan habe. Ich bin entsetzt, bekomme Angst, der Traum wandelt sich zu einem Alptraum, ich spüre, wie ich mich im Bett verkrampfe, zittere. Wie könnte ich nur, und jetzt läßt es sich nicht mehr rückgängig machen.

Ein leichtes Aufwachen, ein Bewußtwerden, dies hier ist nur ein Traum, dann geht es weiter. Ich bin zu einem Fest einer Freundin meines Chefs eingeladen. Die Freundin hat zwei Söhne, der ältere ist sehr cool, es gibt kein anderes Wort dafür. Wie der Kerl aus der Jeans-Werbung. Er fragt mich, wie es mir geht, und ich sage, ach, schon viel besser als damals, als ich mein Diplom gemacht habe. (Anscheinend haben wir uns bereits vorher getroffen, im Traum in dieser oder einer anderen Nacht.) Jetzt habe ich endlich mal Zeit für mich, erzähle ich ihm, nach der Arbeit, dem Haushaltskram, der Zeit mit Freunden bleiben mir tatsächlich zwei oder drei Stunden nur für mich. Und er sagt: „vielleicht solltest du dir eine Auszeit nehmen, sechs Wochen oder so. Damit du dich um dein gebrochenes Herz kümmern kannst.“ Und ich denke, ich habe also ein gebrochenes Herz? Es klang übrigens gar nicht kitschig, als er es sagte, nicht so, wie jetzt in Buchstaben.
Mein Chef zieht die Augebrauen hoch und guckt skeptisch. Sechs Wochen frei? In einem anderen Leben vielleicht.

Die Stadt

Ich mache früher Schluß und fahre durch die Stadt, in einem großem Bogen von Wedding über Prenzlauer Berg nach Friedrichshain. Vordergründig, um einige Besorgungen zu machen, in Wahrheit wohl aus Melancholie.

Die Stadt zieht an mir vorbei. Eine gepflegte, leicht ökomäßig angezogene Frau, die darauf wartet, die Straße überqueren zu können und dabei permanent mit sich selbst redet. Ein Zigeunerkind, vielleicht zehn, mit einem alten, erwachsenen Gesicht und einem Kleinkind auf dem Schoß. Eine kleine, kompakte, füllige Frau mit ihrem schlaksigen, zwei Köpfe größeren Freund, und wie sie sich reckt, auf die Zehenspitzen stellt, und er sich runterbeugt, ein kurzer Kuß, dann geht es weiter.
Später, in einem billigen Einrichtungsmarkt im Wedding, die Blicke der schwarzhaarigen Männer, die abschätzen, ob man fickbar wäre. Natürlich wäre ich das, aber das sieht man ja nicht.
Schönhauser Allee, Danziger Straße. Es wird Abend und dann Nacht, ein langsames Erblinden.

das ist also mein Leben

Ich trete hinaus auf die Straße, die Luft ist warm; die Tram biegt ratternd und quietschend um die Ecke. Und ich denke: das ist also mein Leben. Nichts wirklich falsch gemacht und nichts wirklich richtig. Wenigstens in meinem Scheitern wäre ich gerne großartig gewesen. In der Arbeit gelingt mir hin und wieder etwas. Mittelmaß. Der Dispo ist röter als sonst, bedenklich rot, aber so weit entfernt von einem Herrn Rounders, der fünfzigtausend mit Optionsscheinen für AMD verliert, vom Casino und den Nutten gar nicht zu reden. Der hatte wenigstens Casino und Nutten und gute Geschichten zu erzählen. Ich habe einen Sessel von Ikea.
Die Liebe. Keine Liebe. Nichts, was mich zerstört hätte oder aufgefressen, was mir unter die Haut gegangen wäre, was mich nachts nicht schlafen ließe. Niemand, der mich aus der Bahn geworfen hätte, ruiniert und beschenkt gleichermaßen.
Liebe die Makel!, denke ich, mit Ausrufezeichen, liebe dein Scheitern und die Begrenzheit deines Lebens. In mir steckt nichts wagemutiges, nicht in meiner Erziehung, nicht in meinem Wertesystem, nicht in meinem Charakter. Was es brauchen würde, um großartig zu sein, ich weiß es nicht. Mut könnte eine Komponente sein, aber es ist nichts, für das es eine Formel gibt oder wozu man sich entschließen kann. Man ist es, oder man ist es nicht.

Ich werde wohl ein Kleingeist bleiben, voller Sehnsucht nach Größerem.