11/31 – drei Leben

Zehn Minuten vor dem Wecker aufgewacht, aus unruhigen Träumen. Ein blödes Aufwachen ist das.

Ich hatte einmal eine Freundin, die mir immer kurz nach Mitternacht gratuliert hat, denn sie wollte die erste sein. Ich vermisse sie nicht, aber diesen Aspekt schon. Jetzt bleibt mein Handy dunkel, bis ich geduscht und angezogen bin, acht Uhr.

Ich bin melancholisch heute. Did you get enough love, my little dove? Why do you cry.

Ist es genug? Bekomme ich genug? Und an wen würde ich meine Beschwerde richten? Mängelrüge an das Universum.

If I had three lives, I’d marry you in two. Vielleicht ist das hier gerade das dritte.

Ich wünsche mir manchmal diese kindliche Begeisterung für Geschenke zurück. Das Staunen beim Öffnen, der Wow-Moment, die Überraschung. Wenn ich gefragt werde, was ich mir wünsche, fällt mir nichts ein. Ich bin zu einer Frau geworden, die nichts mehr braucht.

Dann ruft Novemberregen an und gratuliert mir. Im Büro haben sie mir meinen Schreibtisch geschmückt. Der Geschäftsführer singt mir ein Lied. Francine meldet sich, und für die Sprachnachricht von Kassandra muss ich die Tür zu machen, so gerührt bin ich. Der Lieferdienst liefert Kuchen, es gibt viele Umarmungen.

Ich mache früh Schluss, Abendessen bei meiner Mutter. Es gibt einen Korb voll Kleinigkeiten, und jede sagt: ich kenne dich, ich weiß, wer du bist und was du magst.

Es ist schön, dieses dritte Leben.

10/31 – Zähne zusammenbeißen

Heute wirklich unglaublich viel gearbeitet. PowerPoint-Folien und Videocalls und Auswertungen in Excel und wieder Videocalls und Besprechungen und PowerPoint-Folien und Emails und Videocalls. Gefühlt nur reaktiv und nichts von meiner eigenen To-do-Liste, Tür zu, Kopf unten.

In der Mittagspause zum Zahnarzt, erst Zahnreinigung, dann Warten, dann Zahnkontrolle. Mir ist ein kleines Stück einer Krone abgebrochen, da bleibt jetzt beim Essen öfter was hängen. „Sie pressen nachts“, sagt mein Zahnarzt, und spricht über den Druck und dass die Zähne doch gleichsam Hartgebilde als auch lebendig und flexibel sind. Das Wort Ossifikation liegt mir auf der Zunge, aber es passt nicht. Zähne sind keine Knochen, sondern verhärtete Hautbestandteile.

Der Zahnarzt rät zur Knirschschiene. Ich denke, ich sollte weniger arbeiten, und eile wieder zurück ins Büro, zwischen meinen Zähnen ein Sandwich, während ich Zahlen eintippe.

Viertel nach sieben kleiner Feierabend, um acht bei meiner Mutter vorbeigeschaut. Lange über die Lage im Nahen Osten geredet. Sie macht sich große Sorgen, das ist immer so bei bedrohlichen Weltereignissen, an denen es in letzter Zeit keinen Mangel gab. Ich beneide sie ein bisschen um die Fähigkeit, emotional bewegt zu sein, bei mir ist nur noch Fatalismus.

Die Welt wird enden, und das Ende rückt näher.

Ich denke, ich sollte weniger arbeiten.

Statistik:
Laune: 7/10
Fitness: 7/10
Druck: 8/10
Schlaf: 7/10

8/31 – Antiemetika

Bis halb zehn geschlafen, durchgeschlafen, aber nicht fit gewesen. Nach dem ersten Kaffee so große Übelkeit, dass ich mein gesamtes Hausapotheken-Arsenal an Antiemetika ausreizen musste. Nochmal hingelegt bis etwa ein Uhr, und mich dann mit dem Stimmzettel auseinandergesetzt. Ich hatte Briefwahl beantragt. allerdings übersehen, dass dieser bereits am Donnerstag hätte abgeschickt werden müssen, um rechtzeitig beim Wahlamt einzugehen.

Mir geht es beim Wählen so wie den meisten in meinem persönlichen Umfeld: ich fühle mich von keiner Partei repräsentiert und bin mit allen unzufrieden. Es geht also beim Wählen darum, die Entscheidung zu treffen, die am wenigsten weh tut. Schwierig. Meistens splitte ich meine beiden Stimmen, in der Hoffnung, dass der gemittelte Wert einigermaßen passt. Ich vergebe eine meiner Stimmen auch gerne an eine Kleinstpartei wegen Parteienfinanzierung.

Ich wähle übrigens immer, Nichtwählen ist keine Option für mich. Ich denke in letzter Zeit öfter darüber nach, was es für mich bedeutet, Staatsbürgerin zu sein. Ich halte es für ein großes Privileg, das mit Rechten und Pflichten verbunden ist. Demokratie ist schön, macht aber auch Arbeit.

Mit Briefwahlzettel und iPad ein halbes Stündchen gesessen und die Kandidat/innen und Parteiprogramme gegoogelt. Gewählt. Mit dem Auto zum Wahlamt gefahren, ein sehr sonniger, warmer Sonntag, viele Menschen auf den Straßen. Im Auto große Sehnsucht danach, mich hinzulegen. Von dem Gefühl der Matratze unter mir phantasiert.

Zuhause noch eine Waschmaschine angeworfen, den Wecker gestellt und sofort anderthalb Stunden tief geschlafen. Nach zwei Mal Snoozen die Wäsche aufgehängt, mich wieder hingelegt.

Diesen Text geschrieben, runtergetippt eher. Keine Kraft. Müde.

Statistik:
Laune: 5/10
Fitness: 2/10
Druck: 8/10
Schlaf: 7/10

07/31 – in den Knochen

Müde. Um halb sechs aufgewacht, nicht mehr einschlafen können. Das macht der Druck mit mir, und es ist eine große Ironie.

Aufgestanden. NYT Connections halb gelöst. Das Bett abgezogen, Wäsche sortiert, das Bett neu bezogen. Eine Ladung Wäsche gewaschen und auf dem Balkon zum Trocknen aufgehängt. Staub gewischt. Staubgesaugt. Die Küche geputzt, den Kühlschrank durchgesehen. Einen Einkaufszettel geschrieben. Blumen gegossen. Rohrfrei eingesetzt.

Vom Krieg in Israel erfahren. Kassandra auf WhatsApp angeschrieben. Gemeinsam um Worte gerungen. Sprachlos gewesen. Den Fernseher angemacht. Raketen gesehen.

Geschluckt. Weitergemacht.

Aus Kühlschrankresten, beinahe keimenden Kartoffeln und Fleisch aus dem Tiefkühler ein Mittagessen gekocht. Die Spülmaschine laufen lassen. Den Biomüll runter gebracht. Geduscht, Haare gewaschen, Bad geputzt. Einkaufen gefahren. Geärgert über den vollen Supermarkt. Die Einkäufe verräumt. Den Küchenfußboden gewischt. Die Wäsche abgenommen und verräumt. Meine Mutter und eine ihrer Freundinnen am Busbahnhof abgeholt, zu spät gekommen, weil ich noch Kuchen kaufen wollte, Bäckerei hatte aber schon zu. Die Freundin nach Hause gefahren, meine Mutter und mich selbst nach Hause gebracht.

Gutes Gespräch mit meiner Mutter über die Reise, es hat ihr gefallen. Gemeinsames Abendessen.

Eine Stunde auf TikTok versumpft, vielleicht auch zwei.

Müde, bis auf die Knochen.

Eine lange, ungeschriebene Liste der Dinge, die ich alle nicht gemacht, und nicht geschafft habe, in meinem Kopf.

Statistik:
Laune: 3/10
Fitness: 5/10
Druck: 9/10
Schlaf: 6/10

6/31 – Hinwege, Rückwege

Die Euphorie von gestern ist bereits verflogen.

Es gibt ja so Menschen, die kommen ins Büro, fahren den Rechner hoch, holen sich einen Kaffee, tratschen bisschen mit der Sitzplatznachbarin, packen die Frühstücksstulle aus und beißen rein, und erst dann betritt der erste arbeitsbezogene Gedanke ihren Kopf.

Bei mir ist das nicht so. Meistens geht es bei mir los, wenn ich unter der Dusche stehe, weil ich dann beginne, über die anstehenden To-do’s und Termine nachzudenken. Das ist immerhin nicht direkt nach dem Aufstehen, sondern erst, nachdem ich einen Kaffee getrunken, eine Runde durch die Blogs gezogen und das Wordle/Waffle/Connections gelöst habe. Heute war es ein langes Nachdenken über die Arbeit, weil ich morgens noch aufgeräumt habe (war nötig), und dann im Stau stand, den Stau umfahren habe, und mich dabei verfahren habe. Als mein Fuß also um 10 Uhr den Büroteppich berührte, hatte ich schon diverse arbeitsbezogene Problemszenarien durch meine Gehirnwindungen gezogen und war ziemlich genervt. Der Frage, warum ich so wütend bin, muss ich mal in einer meiner Wir-nennen-es-Coaching-und-nicht-Therapie-Sitzung nachgehen, aber erst, wenn wir das Rätsel gelöst haben, warum ich immer so weinen muss, wenn ich daran denke, dass mein Vater tot ist.

Jedenfalls. Ich habe dann erst einmal zwei Meetings abgesagt, dann hat mich eine wichtige Person, die mich sonst eher nicht unterstützt, bei einem mir wichtigen Anliegen unterstützt, was diverse Unter-der-Dusche-Horrorszenarien in Luft aufgelöst hat, dann hat mich ein Abteilungsleiter scharf angegriffen – ich kann ihm aber nicht böse sein, die arme Socke, dann hat mich mein Lieblingsfeind per Chat blöd angemacht, dann habe ich übersprungshandlungshalber seine neue Kollegin angerufen, und die ist sehr nett. Dann bin ich Novemberregen anrufend aus dem Büro geeilt und habe mich vor dem Büro mit Francine getroffen. Wir sind zu dritt Mittagessen gegangen, ich habe Frau „free therapy“ Novemberregen die unverschämten Chatnachrichten meines Lieblingsfeindes gezeigt und Francine hat Geschichten aus Südamerika erzählt.

Es war sehr schön.

Die nächste Stunde habe ich hektisch Dinge weggearbeitet, an die ich keine Erinnerung mehr habe, und dauernd Leute aus meinem Büro geschmissen („keine Zeit“). Anschließend gutes Treffen mit einem externen Dienstleister.

Zum sehr frühen Feierabend zu Fuß aus dem Büro geeilt und zum Friseur gegangen, also: meiner Friseurmeisterin. Sie besitzt einen sehr kleinen Friseurladen, man ist dort mit ihr allein. Mir gefällt das sehr. Über ihre Preisgestaltung gesprochen und die sonstigen Friseurgespräche geführt. Mein Auto aus der Bürotiefgarage befreit und bei der Ausfahrt ging wer an mir vorbei?

Richtig. Frau Novemberregen. Gehupt, sie eingesammelt und nach Hause gefahren. Nein, es liegt nicht auf dem Weg. Ja, es war sehr schön.

Den Weg von ihr zuhause zu mir nach Hause kenne ich recht gut. Es gibt da ein Stück Autobahn, gerade und sehr nach Westen ausgerichtet, dort habe ich schon oft einen wirklich schönen Sonnenuntergang gesehen, heute wieder. Der Sonnenuntergang auf dem Rückweg von Novemberregen. Und Flugzeuge obendrüber.

Es muss ein bisschen Druck aus meiner Beziehung zum Büro. Die Dinge müssen mir ein bisschen egaler werden.

Statistik:
Laune: schwankend
Fitness: 7/10
Druck: 8/10
Schlaf: 7/10

5/31 – van der Waals

Langer Tag heute, bis etwa acht Uhr im Büro gearbeitet. Vier oder fünf Stunden davon in einem Meeting gewesen. Bürojobs sind schon irgendwie weird. Was macht man den ganzen Tag? Meetings. Videokonferenzen. Emails. Manchmal auch so Sachen in PowerPoint und Excel.

Heute also ein Meeting. Ich hatte versucht, mich davor zu drücken, oder zumindest das zweitbeste: remote aus dem Home Office teilzunehmen. Es kam dann aber eine recht harte Ansage, dass ich dabei sein muss, obwohl ich – meiner Meinung nach – fachlich nichts beitragen kann. Es scheint gar nicht so wichtig zu sein, dass ich was mache, aber es ist für dieses leicht exotische Büro anscheinend sehr wichtig, dass ich da bin, und überhaupt: dass ich bin.

Der Treppenwitz meines Lebens: harte Ausbildung als Wissenschaftlerin mit Studium der Atomphysik, und dann dieser völlig unerklärliche Karriereweg als ich selbst sein. Im Grunde ist es natürlich die Wechselwirkung der Teilchen: es macht etwas mit den anderen, wenn ich dabei bin. Ich hab’s dann doch ganz gerne gemacht, in diesem Meeting zu sein. Weil ich mich für die Menschen interessiere, und die Dinge, und die Systeme, die sich entfalten, und dem allen wirklich gerne zuschaue.

Heute morgen war ich sehr schlecht gelaunt. Ich erinnere schon nicht mehr, warum. Und ob es überhaupt ein warum gibt. Jetzt fühle ich mich ruhig, schwebend, auf eine gute Art müde. Ich mag es gerne, so spät durch die Stadt zu fahren, die Bankentürme blinkend hinter mir zu lassen, freie Straßen, beschleunigend. Es ist mir ein Rätsel, wie es meine Arbeit schafft, meine Laune so zu drehen. Wenn man meine Texte liest, erschließt es sich einem wahrscheinlich, aber ich sehe es nicht. Ich bin zu nah dran, und wundere mich staunend, wie ich hier hin gekommen bin.

Es ist viel besser, als ich erwartet hätte.

Statistik:
Laune: außerhalb der Koordinaten
Fitness: 7/10
Druck: 7/10
Schlaf: 7/10

4/31 – gewaschen

Morgens noch ziemlich sore gewesen wegen krank gestern. Mit dem Auto meiner Mutter ins Büro gefahren. Das Auto besitzt noch einen CD-Spieler, dortselbst befindet sich seit etwa fünf Jahren dieselbe, von mir gebrannte CD mit Liedern, die man mit meiner Mutter anhören kann, ohne dass sie sich beschwert. Als ich fünfzehn war, hat meine Mutter geduldig Songs von The Cure angehört (damals noch auf Kassette), rückblickend ehrt sie das sehr. Jedenfalls, etwa zweimal im Jahr fahre ich ihr Auto und freue mich über die Playlist.

Im Büro schwer genervt gewesen, weil alle dauern irgendwas wollen und wir mittlerweile so viele Extrawürste braten, dass es kaum noch zu managen ist. Und die Bratwurstspirale schraubt sich immer weiter nach oben.

Mit dem Geschäftsführer zum Lunch gegangen, keine Bratwurst, aber Sucuk, und ziemlich ehrlich über die Dinge gesprochen. Viel Resonanz gespürt. Verschiedene Meetings, unter anderem ein großes mit den Heads, was gut war und uns voran gebracht hat.

Um kurz nach fünf aufgebrochen, um das Auto meiner Mutter durch die Waschanlage (innen und außen!) zu fahren. Die Schließzeiten der Waschanlage bilden eine harte Deadline, mit der ich schon mehrmals unangenehm in Berührung gekommen bin. Mit dem frühen Feierabend gehadert, es ist doch vieles unfertig geblieben heute. Das ist aber wohl mein Los, dass nur immer das eine oder das andere gemacht werden kann. Letztmöglicher Waschanlagentag war das heute.

Anschließend noch in der Drogerie gewesen, außerdem noch eine Decke aus dem Auto gewaschen. Es ist zu viel liegen geblieben wegen krank am Dienstag. Ärgerlich.

Falls sich das ein bisschen langweilig und frustrierend liest: so war es auch.

Statistik:
Laune: 3/10
Fitness: 5/10
Druck: 8/10
Schlaf: 6/10

3/31 – Schlaf

Schwieriger Tag. Die Nacht war nicht besonders gut – ich bin um halb zwei aufgewacht und dann um halb sieben noch einmal (sehr langes Kirchengeläut). Durchschlafen, ausschlafen, das wäre schön. Immerhin nochmal eingeschlafen bis halb acht.

Gemütlicher Start in den Tag, lese gerade sehr gerne den Reisebericht von Mek.

Die Kellerregal aufgebaut und relativ schnell gemerkt, dass es nicht so aufgehen wird, wie ich mir das gedacht hatte. Die Regale sollten mehr Platz schaffen (in die Höhe stapeln), damit anderes Zeugs, das gerade in der Kammer neben meinem Schlafzimmer ist, dorthin umziehen kann. Es sind aber einfach insgesamt zu viele Sachen, ich muss ausmisten.

Gegen ein Uhr dann Pause wegen Mattigkeit, erst lustlos rumgetiktokt, dann ins Bett gegangen und bis etwa sieben Uhr abends geschlafen. Habe das öfter, dass ich plötzlich so wegklappe, und würde gerne wissen, was da los ist: atypische Migräne? Stoffwechselentgleisung?

Eine kleine Quiche warm gemacht, dazu das Merkel-Interview geschaut. Noch nicht zu einer Meinung gefunden, außer, dass ich Frau Merkel immer noch gerne zuhöre, und interessant finde, was sie zu sagen hat. Das Ambiente hat mich etwas unterwältigt: die Stühle, der Heizkörper im Hintergrund, der mickrige Blumenstrauß, das Polohemd von Herrn Sirin, die Tonprobleme. Ich frage mich dann immer, ob das gewollt war, ob es eine Art von Authentizität ausdrücken soll, oder ob es einfach Schlampigkeit ist.

Die Pflanze, die ich gestern fürs Badezimmer gekauft und gründlich gewässert habe, wirkt sehr glücklich.

Statistik:
Laune: 5/10
Fitness: 2/10
Druck: 6/10
Schlaf: 3/10

2/31 – Brücken

Ein guter Tag. Mein gestriges Ich hatte mir eine schöne Playlist gemacht. Die Autobahn ist frei, und der Riss in meiner Windschutzscheibe wird nicht größer.

Sometimes you’re the windshield, sometimes you’re the bug.

Es schmerzt ein wenig, am Brückentag zu arbeiten, aber es ist eigentlich blöd, es nicht zu tun. Alles ist ein bisschen leerer, luftiger, leichter. Wir tragen Sneakers und fühlen uns wie damals in der Schule, wenn die Noten schon feststehen, aber die Zeugnisse noch nicht ausgegeben sind. Die beiden Geschäftsführer stehen in meinem Büro und albern rum, der eine lehnt lang und schlacksig an der Wand, der andere läuft von links nach rechts, sie erzählen Geschichtchen, die so witzig sind, dass ich lauthals lache. Schön ist das.

Ich mache einen sehr langweiligen Bericht für eine Versicherung fertig, den ich schon am Freitag hätte abgeben müssen. Ich begrüße einen neuen Mitarbeiter, und bespreche mich mit meiner Mitarbeiterin. Ich stöhne ein bisschen, denn ich habe mir auf jede volle Stunde einen halbstündigen Termin mit irgendjemand zu irgendwas gelegt. Ich verschiebe einen davon und will gerade in den Lunch gehen, da ruft mich per Video eine Kollegin aus England an. Wir hatten uns letzte Woche gestritten, genauer gesagt: wir hatten ein disagreement, es würde Stunden dauern, die Geschichte aufzuschreiben. Eine Initiative, die ihr sehr wichtig ist, ist gerade dabei, einen langsamen und qualvollen Tod zu sterben. Ich habe mich da reinziehen lassen, von dem Antagonisten in der Geschichte, ausgerechnet, und er hat dafür meine Eitelkeit benutzt, hat mich glauben lassen, dass ich diejenige bin, die es richten kann. Das war arrogant von mir und dumm.

Die Kollegin ruft mich an, um sich bei mir zu entschuldigen, sie hätte das ganze Wochenende gelitten und sich gesorgt, dass unsere Freundschaft Schaden genommen hätte (denn das sind wir: Freundinnen). Ich sage ihr, was oben steht, entschuldige mich, vergewissere ihr meine Freundschaft. Wir sprechen über die sehr verfahrene Situation, unlösbar vielleicht, und irgendwo dazwischen laufen ihr, die zehn Jahre älter ist als ich und Senior Professional, die Tränen.

Ach, mein Herz.

Ich gehe raus, die Stadt ist schon halb im Urlaub, die Menschen sitzen in den Cafés, weit und breit keine Krawatte zu sehen. Ich bringe einen Blazer zur Änderungsschneiderei (Ärmel kürzen) und entdecke dann im Vorübergehen ein Zimtschneckenfachgeschäft, das ich auf TikTok gesehen habe. Es ist alles sehr hip, ich darf sogar Schlange stehen, bevor ich Zimtschnecken für mich und mein Team erwerbe. Anschließend tätige ich einen größeren Einkauf im Traditions-Feinkostgeschäft, den ich mit Essensschecks begleiche.

Die Spielgeldhaftigkeit von Geld in meinem Leben beunruhigt mich manchmal ein bisschen.

Weitere interne Besprechungen. Noch ein weiterer Anruf einer anderen Kollegin (diesmal keine Freundin) aus England, die auch in die gescheiterte Initiative verstrickt ist. Telefonat mit einem externen Dienstleister, den ich im Preis runterhandele (immer noch sehr teuer, aber er ist auch recht kompetent, glaube ich). Weitere interne Besprechungen.

Der Geschäftsführer bittet mich, ihn in den nächsten Tagen bei einem Projekt zu unterstützen. Wenn ich sage „er bittet mich“, dann meine ich das auch so: es ist eine Bitte, keine verpackte Forderung, und mich berührt das so, dass er sich da solche Mühe gibt. Wenn ich so drüber nachdenke, dann scheint es mir, dass die Forderungen eher von den hierarchisch unter mir stehenden Menschen zu kommen scheint, während die Chefs bitten und sehr freundlich fragen.

Im Grunde sagt mir sowieso so gut wie niemand mehr, was ich zu tun habe. Was auch eine Art von Problem sein kann.

Zwischendurch vereinbare ich einen Impftermin, den ich wieder absagen muss, weil ich an dem Tag kein Home Office machen kann (und die Arztpraxis zu weit vom Büro entfernt ist), weil ich bei einer mehrstündigen Teamsitzung dabei sein muss, die wahrscheinlich eskalieren wird.

Hm.

Meine Mutter schickt Bilder von der Gruppenreise, es scheint gut zu laufen.

Ich schreibe noch eine vorbereitende Zusammenfassung für einen Termin am Mittwoch, packe meine Delikatessen ein, und fahre heim. Zuhause befülle ich kurz den Kühlschrank und düse dann wieder los, an einen Ort, den ich wirklich gerne mag: den Baumarkt. Der Baumarkt ist ja auch eine Art von Nicht-Ort, ich kenne ihn vor allem in der letzten Stunde vor Ladenschluss, ziemlich leer, die Mitarbeiter/innen alle schon ein bisschen durch, die Kund/innen ein wildes Sammelsurium an Lebensumständen. Ein Mann mit erwachsener Tochter oder jüngeren Geliebten versucht, eine lange Küchenarbeitsplatte in seinen Kombi zu laden. In der Gartenabteilung ist schon Herbst. In der Dekoabteilung sogar schon Weihnachten, „schau, der Weihnachtsmann!“ sagt ein Mädchen zu seiner Mutter, und beide freuen sich ein wenig.

Ich kaufe drei Regale für den Keller, ein Verlängerungskabel, und leider keine Lampe (zu teuer, ist eben nicht Ikea). Ich kaufe aus oben genannten Gründen auch keine Chrysanthemen für den Balkon, dafür aber eine Grünpflanze für das Bad (die vorherige hat das übermäßige Gießen nicht überlebt). Ich überlege, eine Novemberregen-Gedächtnis-Orchidee zu kaufen, aber eigentlich begeistern mich Orchideen auch nicht so. Dafür entscheide ich mich für eine Pflanze, die definitiv gerettet werden muss. Dazu hat Frau N. auch einen schönen Blogeintrag, wie sie einmal eine Pflanze aus dem Supermarkt rettete.

Dabei fällt mir ein, dass ich die Pflanze im Auto vergessen habe. Sie entschuldigen mich, ich muss nochmal vor die Tür…

Statistik:
Laune: 7/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Happiness: 7/10
Schlaf: 6/10