Ein guter Tag. Mein gestriges Ich hatte mir eine schöne Playlist gemacht. Die Autobahn ist frei, und der Riss in meiner Windschutzscheibe wird nicht größer.
Sometimes you’re the windshield, sometimes you’re the bug.
Es schmerzt ein wenig, am Brückentag zu arbeiten, aber es ist eigentlich blöd, es nicht zu tun. Alles ist ein bisschen leerer, luftiger, leichter. Wir tragen Sneakers und fühlen uns wie damals in der Schule, wenn die Noten schon feststehen, aber die Zeugnisse noch nicht ausgegeben sind. Die beiden Geschäftsführer stehen in meinem Büro und albern rum, der eine lehnt lang und schlacksig an der Wand, der andere läuft von links nach rechts, sie erzählen Geschichtchen, die so witzig sind, dass ich lauthals lache. Schön ist das.
Ich mache einen sehr langweiligen Bericht für eine Versicherung fertig, den ich schon am Freitag hätte abgeben müssen. Ich begrüße einen neuen Mitarbeiter, und bespreche mich mit meiner Mitarbeiterin. Ich stöhne ein bisschen, denn ich habe mir auf jede volle Stunde einen halbstündigen Termin mit irgendjemand zu irgendwas gelegt. Ich verschiebe einen davon und will gerade in den Lunch gehen, da ruft mich per Video eine Kollegin aus England an. Wir hatten uns letzte Woche gestritten, genauer gesagt: wir hatten ein disagreement, es würde Stunden dauern, die Geschichte aufzuschreiben. Eine Initiative, die ihr sehr wichtig ist, ist gerade dabei, einen langsamen und qualvollen Tod zu sterben. Ich habe mich da reinziehen lassen, von dem Antagonisten in der Geschichte, ausgerechnet, und er hat dafür meine Eitelkeit benutzt, hat mich glauben lassen, dass ich diejenige bin, die es richten kann. Das war arrogant von mir und dumm.
Die Kollegin ruft mich an, um sich bei mir zu entschuldigen, sie hätte das ganze Wochenende gelitten und sich gesorgt, dass unsere Freundschaft Schaden genommen hätte (denn das sind wir: Freundinnen). Ich sage ihr, was oben steht, entschuldige mich, vergewissere ihr meine Freundschaft. Wir sprechen über die sehr verfahrene Situation, unlösbar vielleicht, und irgendwo dazwischen laufen ihr, die zehn Jahre älter ist als ich und Senior Professional, die Tränen.
Ach, mein Herz.
Ich gehe raus, die Stadt ist schon halb im Urlaub, die Menschen sitzen in den Cafés, weit und breit keine Krawatte zu sehen. Ich bringe einen Blazer zur Änderungsschneiderei (Ärmel kürzen) und entdecke dann im Vorübergehen ein Zimtschneckenfachgeschäft, das ich auf TikTok gesehen habe. Es ist alles sehr hip, ich darf sogar Schlange stehen, bevor ich Zimtschnecken für mich und mein Team erwerbe. Anschließend tätige ich einen größeren Einkauf im Traditions-Feinkostgeschäft, den ich mit Essensschecks begleiche.
Die Spielgeldhaftigkeit von Geld in meinem Leben beunruhigt mich manchmal ein bisschen.
Weitere interne Besprechungen. Noch ein weiterer Anruf einer anderen Kollegin (diesmal keine Freundin) aus England, die auch in die gescheiterte Initiative verstrickt ist. Telefonat mit einem externen Dienstleister, den ich im Preis runterhandele (immer noch sehr teuer, aber er ist auch recht kompetent, glaube ich). Weitere interne Besprechungen.
Der Geschäftsführer bittet mich, ihn in den nächsten Tagen bei einem Projekt zu unterstützen. Wenn ich sage „er bittet mich“, dann meine ich das auch so: es ist eine Bitte, keine verpackte Forderung, und mich berührt das so, dass er sich da solche Mühe gibt. Wenn ich so drüber nachdenke, dann scheint es mir, dass die Forderungen eher von den hierarchisch unter mir stehenden Menschen zu kommen scheint, während die Chefs bitten und sehr freundlich fragen.
Im Grunde sagt mir sowieso so gut wie niemand mehr, was ich zu tun habe. Was auch eine Art von Problem sein kann.
Zwischendurch vereinbare ich einen Impftermin, den ich wieder absagen muss, weil ich an dem Tag kein Home Office machen kann (und die Arztpraxis zu weit vom Büro entfernt ist), weil ich bei einer mehrstündigen Teamsitzung dabei sein muss, die wahrscheinlich eskalieren wird.
Hm.
Meine Mutter schickt Bilder von der Gruppenreise, es scheint gut zu laufen.
Ich schreibe noch eine vorbereitende Zusammenfassung für einen Termin am Mittwoch, packe meine Delikatessen ein, und fahre heim. Zuhause befülle ich kurz den Kühlschrank und düse dann wieder los, an einen Ort, den ich wirklich gerne mag: den Baumarkt. Der Baumarkt ist ja auch eine Art von Nicht-Ort, ich kenne ihn vor allem in der letzten Stunde vor Ladenschluss, ziemlich leer, die Mitarbeiter/innen alle schon ein bisschen durch, die Kund/innen ein wildes Sammelsurium an Lebensumständen. Ein Mann mit erwachsener Tochter oder jüngeren Geliebten versucht, eine lange Küchenarbeitsplatte in seinen Kombi zu laden. In der Gartenabteilung ist schon Herbst. In der Dekoabteilung sogar schon Weihnachten, „schau, der Weihnachtsmann!“ sagt ein Mädchen zu seiner Mutter, und beide freuen sich ein wenig.
Ich kaufe drei Regale für den Keller, ein Verlängerungskabel, und leider keine Lampe (zu teuer, ist eben nicht Ikea). Ich kaufe aus oben genannten Gründen auch keine Chrysanthemen für den Balkon, dafür aber eine Grünpflanze für das Bad (die vorherige hat das übermäßige Gießen nicht überlebt). Ich überlege, eine Novemberregen-Gedächtnis-Orchidee zu kaufen, aber eigentlich begeistern mich Orchideen auch nicht so. Dafür entscheide ich mich für eine Pflanze, die definitiv gerettet werden muss. Dazu hat Frau N. auch einen schönen Blogeintrag, wie sie einmal eine Pflanze aus dem Supermarkt rettete.
Dabei fällt mir ein, dass ich die Pflanze im Auto vergessen habe. Sie entschuldigen mich, ich muss nochmal vor die Tür…
Statistik:
Laune: 7/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Happiness: 7/10
Schlaf: 6/10