und.

Ich würde hier gerne mal was reinschreiben

über die schöne Unbekannte
über Jose Gonzalez und Konzerte an Montagen
über das, was meine Mutter neulich gesagt hat
und über meinen Nachbarn, der mich letzte Nacht um eins und dann wieder um fünf geweckt hat und den Soundtrack des letzen Einhorns hört und ja, er ist schwul und er nennt mich Schätzeken und er macht die Musik trotzdem nicht leiser und wahrscheinlich hat er ein Drogenproblem, das letzte Einhorn auf Speed, die Augenringe unter seinen Augen sind violett, meine Augenringe sind eher lila.

Ich würde hier gerne mal wieder was reinschreiben,
aber ich brauche meinen Schlaf, jetzt ist es 23:40 am Sonntag und ich bin auf der Arbeit und gehe gleich rüber zu dieser Maschine und werte Daten aus und dann gehe ich nach Hause und dann habe ich hmw und Jings immer noch keine Novembermusik geschickt, weil ich ein paar Zeilen dazu schreiben wollte aber ich kann nicht schreiben weil ich habe immer was zu tun und wenn nicht, dann muß ich schlafen. Morgen ist Montag und ich lasse mich zum ersten Mal in meinem Leben über Geldanlagen und Fonds beraten, von Fonds verstehe ich nichts, aber meine Eltern haben gesagt, ich muß mich beraten lassen und mich hineindenken, weil Geldanlagen gehören zum Erwachsenwerden. Es ist übrigens nicht mein Geld sondern ein vorgezogenes Erbe, damit ich Dinge regeln kann, wenn man Vater beim Bäume ausschneiden von der Leiter fällt.
Mein Vater wird irgendwann mal sterben und das irgendwann ist schon viel näher als mir lieb ist. Irgendwann schreib ich vielleicht mal was darüber, wie er älter wird und ich manchmal denke, ich kenne ihn gar nicht mehr, und ich mache mir Sorgen und denke, irgendwas in ihm erlischt langsam, aber ich glaube, ich schreibe da nie drüber, weil es geht mir zu nahe und ich trage es lieber bei mir.

23.45, ich gehe rüber zur Maschine und dann nach Hause und dann ins Bett, weil ich muß ja auch mal schlafen, und wenn der Nachbar wieder laut ist, dann drehe ich durch, und dann zur Bankberatung und dann arbeiten und dann Novembermusik und am Dienstag einen Termin mit dem Chef und nachmittags eine Besprechung und am Mittwoch arbeite ich, was mir mein Chef gesagt hat und abends gehe ich mit der Kollegin ins Kino und am Donnerstag bringe ich das Auto zur Reparatur (unbedingt vorher waschen), es braucht neue Bremsen, 150 bis 200 Euro, und nochmal 200 Euro für die Heizkostennachzahlung, das wars dann mit Weihnachtsgeld, und dann ist schon wieder Wochenende.

23.48, ich lese das jetzt nicht mehr durch, sondern drücke einfach auf veröffentlichen .

games people play

Bizarre Ereignisse hier im Hause Fragmente: ein Mann, den ich sehr anziehend finde (wir berichteten: 1/ 2/ 3 ) hat sich mit mir verabredet. Er möchte ein Brettspiel mit mir spielen. Brettspiel.
B-R-E-T-T-S-P-I-E-L.
Das erinnert mich an einen jungen Russen, den ich super fand und der mich gefragt hat, ob ich mal mit ihm in die Sauna gehen würde. Ich mußte leider ablehnen.
Die Gelegenheit, mit einem charmanten und testosteronverströmendem Kerl ein Brettspiel zu spielen (Mensch ärgere dich nicht?), werde ich mir allerdings nicht entgehen lassen. Ich bin mir übrigens zu fast 100% sicher, daß Brettspiel nicht das neue Codewort für schmutzigen Sex ist. Ich kenne den besagten Mann nämlich schon mindestens ein Jahr, und er steht einfach nicht auf mich. Er mag mich, wir verstehen uns gut, er legt Wert auf meine Meinung, aber er steht nicht auf mich. Ich habe damit einigermaßen meinen Frieden geschlossen. Ich habe kurz gelitten, so wie ich immer leide, und ich habe ihn überwunden, so wie ich immer überwinden muß, was ich nicht haben kann. Was bleibt, ist seine starke körperliche Anziehungskraft, die ich immer im Radius von 10 Metern um ihn herum spüre. In seiner Nähe wird mein genetische Programm eingeschaltet, Hormone werden ausgeschüttet, ich spüre, daß ich eine Frau bin. Es fühlt sich gut an, lebendig, süß und immer auch ein wenig bitter.
Am Sonntag nachmittag werde ich mit einem echt sexy Typen ein Brettspiel spielen. Ich werde einen Kuchen backen, ich werde Lippenstift tragen, ich werde mich sündigen Gedanken hingeben, während ich meine Figur über das Spielbrett wandern lasse. Ich werde sein wie immer.

(ohne Titel)

Die Blüten, aufgestickt auf meinen Büstenhalter, sind verwaschen.
Ausgewaschen hat sich auch das Rot meiner Haare.
Fast schon brünett, meint meine Mutter, ihr gefällts.

Mir nicht. Ich fühle mich zerschlissen.
Bald macht man Fetzen aus mir,
die man dann als Putzlappen verwendet.

Fällt mir keine andere Metapher ein?
Vielleicht ein Stein in einem Flußbett.
Körnchen für Körnchen- ich schaffs noch ins Meer!

Novembermusik

Ich möchte mich gerne bei allen, die mir etwas zum Geburtstag geschenkt haben, mit einer Mix-CD bedanken, die ich in den nächsten Tagen rausschicken werde. Wer das nicht will, weil zum Beispiel jemand den Briefkasten leert, dem man das nur schlecht erklären kann, der möge sich bitte per Kommentar oder Mail (frau_fragmente ad yahoo.de) melden.
Letztes Jahr habe ich eine kleine Broschüre gemacht mit ein paar Texten aus diesem Weblog. Wer daran Interesse hat, möge sich bitte ebenfalls melden. Also:

nichts tun = Mix-CD zugeschickt bekommen
mailen = was auch immer in der Mail drinsteht, also gar nix oder Mix-CD plus Broschüre.

Mir hat die viele Zuwendung von den Lesern und Leserinnen dieses Weblogs sehr gut getan und viel Freude gemacht. Daher: danke!

fünf und sechs.

Total bizarrer Traum, und der geht so:

Ich muß zu einem Meeting. Bei dem Meeting geht es darum, daß mich drei Männer wollen – sie begehren mich, sie sind in mich verliebt, sie können ohne mich nicht mehr leben. Als ich in den Raum reinkomme, in dem das Meeting stattfindet, sitzen da plötzlich nicht drei, sondern fünf Männer um den ovalen Tisch herum. Ich kenne alle, einen sogar aus dem real life, und ich frage recht überrascht: was, Du !?! Er nickt leidend, trotzig, entschlossen.
Ich nehme das alles hin, so wie man manchmal im Traum die seltsamsten Dinge als selbstverständlich hinnimmt. Dann fälle ich ein beinahe salomonisches Urteil: die Männer sollen mich teilen! Jeder bekommt mich für genau 1,2 Tage. (eins komma zwei Tage).

Wahrscheinlich lag ich mit komisch abgeknickten Hals im Bett, und das Blut floß in eine Hirnregion, die gleichermaßen für Sex, Selbstüberschätzung und Kopfrechnen zuständig ist: 6 Tage geteilt durch 5 Männer ergibt nämlich 1,2 Tage pro Mann.
Am siebten Tage soll man ruhen.

zwölf

Schwester, die du mir die liebste bist, weil du die einzige bist.
Es ist lange her, daß wir uns das letzte Mal gesehen haben. Weißt du’s noch? Ich mußte lange nachdenken: es war kurz nach Weihnachten – ich ging gerade, du kamst und brachtest die Frau, mit der du jetzt zusammenlebst, mit.
Wie bei allen deinen Partnern, ob Mann, ob Frau, habe ich mich unwohl gefühlt. Es ist nicht deine Schuld, daß ich mich aufführe, als wäre ich zwölf. Vielleicht bin ich eifersüchtig, weil es zwischen dir und deinen Partnern immer so viel mehr Nähe gab als zwischen dir und unserer Familie. Deine Partner hast du dir ausgesucht. Manchmal hast du schlecht gewählt.
Vielleicht bin ich neidisch, weil es für mich nichts zu wählen gibt.

Mein Vater, also unser Vater, hat mir neulich erzählt, er hätte sich darüber Gedanken gemacht, wer von seinen beiden Töchtern glücklicher wäre. Er sei zu dem Schluß gekommen, seine beiden Kinder wären beide glücklich, aber auf unterschiedliche Weise: während du, Schwester, dein Glück in der Liebe fändest, würde meines in der Wissenschaft liegen. Wissenschaft, Schwester! Ich sah mich selbst für einen kurzen Moment, alt und vertrocknet, und erschauderte.

Nichts wird besser. Du und ich, wir haben uns entfernt. Als du umgezogen bist, hast du mir deine neue Adresse nicht gegeben. Sicher, ich könnte unsere Eltern fragen, aber das ist nicht der Punkt.
Nichts wird besser. Unsere Eltern besuchen mich in ein paar Tagen, und ich mache mir schon wieder Gedanken, daß sie an mir rumnörgeln, mich zu dick finden, sich Sorgen machen und bestenfalls Mitleid mit mir haben. Warum kann ich nach all diesen Jahren nur wieder mit stiller Wut und Trotz reagieren, als wäre ich zwölf?
Es wäre schön, wenn wir uns mal wieder sehen würden, Schwester. Dann denke ich, daß du keine Zeit für mich haben wirst, daß du dich nicht für mich interessierst. Die Gedanken einer Zwölfjährigen.

Nichts wird besser. Ich habe alles schon einmal erzählt.

I’m not there.

Heute werde ich dreißig. Aber ich bin gar nicht da. Toller Trick, oder?

Naja, natürlich bin ich hier, aber ich bin nicht da, sondern auf der Biotechnica. Dieser Beitrag wurde in der Vergangenheit geschrieben, ich weiß also nicht sicher, wo genau ich bin, vermute mich selbst aber gegen 8 Uhr im Auto auf der Autobahn nach Hannover.
Irgendwie ist mir das ganz recht – offline und allein mit mir sein in einem Meer aus Menschen. Ich habe schon angekündigt, daß ich telefonisch nicht zu erreichen sein werde. So kann ich die Post, die Geschenke, die eMails und die Telefonanrufe ganz in Ruhe und zu meiner Zeit aufmachen, lesen und anhören.
Robert Smith – ich glaube, ich erwähnte es bereits ein paar Mal – hat an seinem dreißigsten Geburtstag Disintegration geschrieben, das beste Album aller Zeiten. Ich habe an meinem dreißigsten Geburtstag einen Brief an meine Eltern geschrieben, um mich bei ihnen zu bedanken. Nicht so sehr, weil sie mich in die Welt gesetzt haben – Kinder in die Welt setzten kann ja jeder – sondern weil sie mich großgezogen und mir eine Menge mitgegeben haben. Ich finde, sie haben fast nichts falsch, aber unglaublich viel richtig gemacht.

Disintegration versus Brief an die Eltern? Ich glaube, ich finde mich cooler. Unentschieden.

Sammeln Sie Punkte?

Letztes Jahr habe ich ein paar Tage vor meinem Geburtstag den Link zu meinem Amazon-Wunschzettel veröffentlicht. Drei meiner Leser haben mir tatsächlich etwas geschenkt und ich habe mich gefreut wie Bolle.
Dieses Jahr habe ich etwas gezögert. Die aufmerksamkeitsheischende Buhlerei um Geschenke ist schon ein wenig würdelos, der eine oder andere denkt bestimmt die Frau Fragmente, die muß es aber nötig haben.
Dann habe ich gedacht: völlig richtig. Ich habe es sowas von nötig. Die Depression sitzt mir im Nacken, meine Haut ist so dünn wie Papier und ich bin verdammt verletzlich. Jetzt wäre es genau das richtige, mit einem glückseligen Lächeln in meinem Auto vor der Post zu sitzen, ein Geschenk auszupacken und mich zu freuen wie bekloppt.

Man kann darüber streiten, ob ich es verdient habe, dieses Jahr etwas zu bekommen. Ich habe nicht besonders gut oder viel geschrieben, aber immerhin: vier gute Texte waren dabei. (eins, zwei, drei, vier).
Und bringen Geschenke nicht gerade der Person, die sie verschenkt, ganz viele Karmapunkte?

Hier also: der Wunschzettel von Fragmente.

(ohne Titel)

Der Punkt, an dem mir nichts mehr einfällt. Der Punkt, an dem sich alle Geschichten endlos wiederholt haben.
Es ist nicht schlimm, daß ich nichts mehr zu erzählen habe. Schlimm ist, daß mir nichts mehr einfällt, was ich anders machen könnte.

Dann bleibt mir nur noch, meine Zeit abzusitzen wie eine Strafe.

Ich denke, wir haben Potential

Ostbahnhof: bei jedem Schritt die Erinnerung, wie ich die Stufen hinuntergefallen bin, damals.
Friedrichstraße: meine alte Arbeit, die Kollegen von früher. Nichts hat sich verändert. In der Kantine weiß ich immer noch, welcher Pudding gut schmeckt.
Görlitzer Bahnhof: „gerade eben habe ich jemanden gesehen, der nur in ein Bettlaken gehüllt war und ständig auf den Gehweg spuckte“, erzähle ich Glam und Kitty. Sie nicken und sagen: „es ist Ramadan. Die Strenggläubigen schlucken ihre Spucke nicht.“ Wir hingegen fasten nicht. Das Essen ist köstlich, die Gesellschaft noch besser.
Warschauer Straße: ein Punk steht auf der Brücke und pinkelt im hohen Bogen auf den S-Bahnsteig.
Ostbahnhof: die Vertrautheit des Hotelzimmers, das an allen Orten der Welt gleich aussieht. Nachts wache ich auf, weil mich das Hämmern der Regentropfen auf dem Fensterbett erschreckt.
Friedrichstraße: Komplimente bekommen. Komplimente muß man sich merken.
Ostkreuz: er wippt mit dem Fuß, staccato, und bringt den Tisch zum Vibrieren, bringt mich zum Vibrieren. Er entschuldigt sich, aber ich finde, es paßt ganz gut. „Das Bild von Dir im Internet ist ziemlich unvorteilhaft“, sagt er. Auch ein Kompliment, irgendwie. Zum Abschied gibt er mir die Hand.
Ostbahnhof, dann Friedrichstraße: nach 36 Stunden ist alles schon Routine.
Mehringdamm: die lustigen Blumenverkäufer, die grummeligen Zeitungsverkäufer, die schönen, türkischen Frauen, die kleinen, günstigen Bäckereien mit Stehcafé bedienen. Meine unfehlbare innere Landkarte von Geschäften.
Hermannplatz: Unwohlsein, Enge, zu viele Leute, und endlich die Tür zu meiner Freundin.
Ostbahnhof: ein letzter Stop beim Asiaimbiß. Vor meiner Reise hatte ich Sorge, Berlin könnte mir das Herz brechen wie eine alte Liebe, die man nur überleben kann, wenn man sich nie wieder sieht. Die Stadt ist mir vertraut, aber sie hat mir nicht den Atem geraubt. Sie ist einzigartig: schön, häßlich, heruntergekommen, charmant, voll und weit. Es ist nicht schlecht, in ihr zu leben.
Ich denke, wir haben Potential, denke ich, während mich der Zug aus Berlin herausträgt.