15/30

Ich war heute auf einer Eigentümerversammlung, bei der die Hausverwaltung abgewählt wurde. Das war sehr spannend, fast wie ein sehr gutes Theaterstück.

Bei der Vertreterin der Hausverwaltung handelt es sich um eine junge Frau, vielleicht knapp 30, Mittelscheitel, Millenial, gebildet, ein bisschen verbissen, man traut ihr einen TikTok-Account zu, in dem sie vor allem die anderen kritisiert. Die Eigentümer im Durchschnitt eher jenseits der sechzig, graue Riege, weit mehr Männer als Frauen, nicht sicher, ob sie Die Zeit abonniert haben, auf jeden Fall Stiftung Warentest. Zur politischen Lage hätten sie jederzeit eine detaillierte Meinung. Sehr beeindruckt war ich aber von den beiden Männern im Verwaltungsbeirat: beide in meinem Alter, beides Praktiker und keine Akademiker, engagiert, aber nicht hungrig nach Aufmerksamkeit, statt intellektueller Spritzigkeit haben sie das Herz auf dem rechten Fleck und sie wissen, was richtig ist. Nette und angenehme Männer, denen begenet man ja nicht so häufig.

Jedenfalls: so eine Versammlung wird von der Hausverwaltung geleitet, es gibt eine Tagesordnung, und und bei Punkt fünf auf der Tagesordnung war musste sie ihre eigene Abwahl moderieren. Die Frau von der Hausverwaltung sträubt sich dagegen, es gab Erklärungen und halbherzige Versprechen, sie hat viel von Vertrauen gesprochen und vergeblich darum geworben. Sie hat versucht, das richtige zu sagen, aber mit jedem Wort wurde es irgendwie schlimmer. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie das Thema neutraler behandelt hätte.

Frau Novemberregen würde sagen schlecht gespielt, und ich überlege schon den ganzen Abend, woran es liegt. Die Frau von der Hausverwaltung hatte, vielleicht ohne es zu wollen, eine gewisse Überheblichkeit an sich. Als würde sie denken, man könne uns noch einmal für dumm verkaufen oder zumindest ein bisschen einlullen. Die Überheblichkeit zeigt sich natürlich auch daran, dass sie der Ansicht war, die Stimmung innerhalb der Sitzung drehen zu können. Dabei weiß jeder Politiker und auch fast jeder Manager, dass die Stimmen für Wahl eingeworben werden müssen, weit bevor man zu einer öffentlichen Sitzung zusammenkommt.

Fast tut sie mir ein bisschen leid, aber dann doch nicht. Die Hausverwaltung ist ein großes, deutschlandweites Unternehmen, es wird sich nicht viel ändern, alle wissen es. Auch die Frau von der Hausverwaltung.

Die Beschlussvorlage zur Abwahl wird mit deutlicher – aber nicht einstimmiger – Mehrheit angenommen. Die Frau von der Hausverwaltung nimmt es zu Protokoll. Als ich gehe, bedanke ich mich herzlich bei den beiden Männern vom Verwaltungsbeirat. Sie sind ein bisschen verlegen, aber vor allem: erleichtert.

14/30

Die meisten Tage haben einen Erzählbogen, sie beginnen am Anfang, und enden dann irgendwo anders. Manche Tage haben eine Haptik: Fell, Seide, Schmirgelpapier. Andere wiederum haben eine Geometrie, oder eine Symmetrie, die sich erst im Erzählen selbst zeigt.

Dieser hier war wie zähfließender Verkehr auf der Autobahn, im Dunkeln, im Regen. Rote Rücklichter, verschwommen, vierter Gang, achtzig, gleichförmig. Schwer zu sagen, ob ich seit zehn Minuten unterwegs bin oder seit zwei Stunden.

Angekommen bin ich jedenfalls noch nicht.

13/30

Eine ziemliche Durchmischung von privaten und beruflichen Themen heute im Home Office. Mit Handwerkern und mit Vodafone telefoniert, nach einem Steuerberater gesucht (erfolglos), zwei Ladungen Wäsche gewaschen, einen Urlaub im März geplant, paar Calls back-to-back, und bis gerade eben noch an einer PowerPoint Präsentation rumgeschraubt.

Mich sehr über ein Buch gefreut, das mir Joriste geschenkt hat und das heute ankam. Noch im Stehen darin rumgeblättert, mich festgelesen, wieder dreizehn gewesen.

Gerade im Wohnzimmer sacht auf und ab gegangen, den Duft der langsam trocknenden Wäsche in der Nase, leise Musik im Hintergrund. Gedacht, dass es ein ganz unglaubliches Jahr war. Delphine in Venice Beach gesehen, Buckelwale in der Bucht von San Francisco. Jede Menge Seelöwen und See-Elefanten. Walrösser. Ein Minky Whale, der sehr lange mit dem Schiff gespielt hat.

Die jungen Mädchen beim Cure-Konzert in San Diego. James von Twililight Sad, der in L.A. hinter der Bühne hervorkommt, sich still und leise neben die Zuschauer stellt und The Cure zuhört, wie sie Pictures Of You spielen.

Ich war heute auch ein bisschen grantig, aber es bleibt nichts haften.

12/30

Ruhiger, gemütlicher, entspannter Sonntag zuhause. Einiges an Life Admin gemacht: diverse Terminplanungen, große Drogeriebestellung, kleine Apothekenbestellung. Der zauberhaften Sarah ein paar Filme empfohlen, von Novemberregen zum Konzert eingeladen worden (leider Terminkonflikt).

Genügend Zeit gefunden, um im Internet rum- und meinen Gedanken nachzuhängen, Musik zu hören und neue Songs zu entdecken.

Abends sehr schönen, langen Videocall mit Ninette, über ihre Master- und meine Doktorarbeit gesprochen. Von ihr die Phrase „psychisch intakt“ gelernt als etwas, das man nach einer Abschlussarbeit in der Regel nicht mehr ist (can confirm). Mich zu Mittelaltermärkten beraten lassen und ob man dort Männer aufreissen kann, ihr vom Ghibli-Pop-Up-Store erzählt (ich war noch nicht dort), Geschichten über London ausgetauscht und (wenig überraschend) festgestellt, dass wir beide early at the airport girlies sind. Verwundert festgestellt, dass es gar nicht sie war, die mir Manacled empfohlen hat – aber wer dann? Begeistert den Plot angeteasert, von ihr ebenfalls eine Buchempfehlung erhalten.

Guter Tag. Bin gerade sehr zufrieden mit allem.

11/30

Einen Freund und Kollegen aus London, der gerade zu Besuch ist, ins Auto eingeladen und erst einmal in den Taunus gefahren. Sein Lächeln wurde immer größer, und meins auch: die Farben! Die Blätter! Ich mag ja auch gerne, wie es mit jedem Kilometer immer ländlicher, leerer, stiller, größer wird, die Straßen holpriger, die Häuser ein bisschen weniger saniert, alles viel weniger geleckt und gentrifiziert.

Irgendwann angehalten, ein bisschen gelaufen, auf eine Bank gesetzt und das Panorama genossen. Ein sehr langes Gespräch darüber geführt, was uns antreibt, vielleicht zu sehr treibt; warum es so schwierig ist, langsamer zu werden, weniger zu tun, obwohl es doch kaum einen Unterschied machen würde. David Bowie erklärt.

Der Freund arbeitet noch viel, viel mehr als ich, und ist doppelt so lange dabei. Wie sein Partner das so mitmacht, frage ich ihn. Sie hätten eine Vereinbarung, nicht über die Arbeit zu sprechen, antwortet er.

Schade, denke ich, ich hatte fast gehofft, das könnte die Lösung sein, also: den Blick und die Gedanken und das Herz auf etwas anderes zu lenken als die Arbeit, einen Mann zum Beispiel, verliebt sein, besessen sein, süchtig sein – nein, das will ich ja alles nicht mehr. Kein Prinz wird kommen.

Weitergefahren zum Mittelaltermarkt, sehr positiv überrascht gewesen, auch von den attraktiven Männern im Mittelalteraufzug. Angucken will ich schon noch, und spüren, dass ich nicht tot bin innendrin.

Zurück in die Stadt und noch einen kleinen Touristenrundgang gemacht, über die Brücke und am Fluss entlang, mit Blick auf die Bankentürme und das Eurozeichen. Ein harter Kontrast, und alles sehr voll, aber das Licht ist gnädig, blau und ein zartes orange.

Abends noch lange mit Kassandra telefoniert, das war wirklich sehr schön. Vielleicht bloggt sie ja wieder.

Solide Grundentspannung gerade in mir drin. Ich freue mich auf morgen. Ich habe keine Pläne.

10/30

Essen gewesen mit Besuch aus London und ein paar Managern.

Darüber nachgedacht, wie wir manchmal bestimmte Strategien und Verhaltensweisen, die uns durch eine schwierigen Lebensphase gerettet haben, auch dann nicht loslassen können, wenn diese Episode unseres Leben vorbei ist. Und welche Strategie ich noch mitschleppe, obwohl sie mir nicht mehr hilft. Welchen Preis es von mir erforden würde, sie loszulassen. Dass ich meinen Blick auf etwas anderes lenken, etwas neues in mein Leben lassen müsste, um weniger von dem zu tun, was mir nichts mehr nützt.

Nächste Woche wieder wir-nennen-es-Coaching-nicht-Therapie. Über die Dinge nachgedacht, über die ich dort nicht spreche. Weil sie gänzlich falsch sind, oder zu nah an der Wahrheit.

09/30

Mein Chef in London hat neulich erzählt, dass er, wenn ihn alle so richtig nerven und er seine Stimmung heben will, ein Glas Champagner in der zu einer Bar umgewandelten ehemaligen Wertpapierbörse trinkt und sich anschließend die Schuhe polieren lässt.

Ich hingegen fahre durch die Waschanlage. Das ist mein Happy Place.

Jedenfalls, ich war heute in der Waschanlage und habe – das wird vielleicht Novemberregen interessieren – zum ersten Mal das Kundenmagazin der Waschanlage ausgehändigt bekommen. An dieser Stelle wollte ich ursprünglich einen Witz einfügen, was die Daseinsberechtigung dieses kleinen Blogs angeht, wenn selbst eine Autowaschanlage ein eigenes Magazin hat (!!!), aber dann habe ich gesehen, dass die Auflage des Magazins 150.000 Exemplare beträgt. Nicht nur das, die Waschanlage (besser: die Kette der Waschanlagen) hat sogar ein Blog. Sie bezeichnen sich selbst aber als „der Blog“, dabei wissen wir doch alle, dass es „das Blog“ heißt, wegen Weblog/Logbuch/Log. Und komm mir keine/r mit dem Duden!

Jedenfalls hat sich die Zeit heute leicht und weit angefühlt, obwohl es weder mehr Zeit gab, noch irgendetwas leichter war als sonst. Vielleicht, weil ich gestern früh ins Bett gegangen bin?

So ist das ja häufig mit dem Leben: man denkt, man hat es raus, hat verstanden, welchen Gesetzmäßigkeiten die Dinge unterworfen sind, und dann wird schlichtweg neu gewürfelt. Es kommt ein neuer Tag aus diesem unendlichen Würfelbecher heraus, der das Potential hat, und völlig zu überraschen – in die eine wie in die andere Richtung.

08/30

Überrascht gewesen, wie dunkel es um 18 Uhr bereit ist. Schwärzeste Nacht.

Ansonsten einkaufen gewesen. Paket konnte ich noch nicht vom Paketshop abholen, weil keinen Ausweis dabei. Bisschen TikTok, sonst keine Übrigzeit. Ich habe zwar noch etwas mehr als eine Stunde, bis ich schlafen muss, ich bezweifle, dass da noch etwas interessantes passieren wird.

Heute morgen das Wordle, das Waffle, und NYT Connections verloren.

07/30

Sehr vieles nicht gemacht heute. Nicht im Supermarkt gewesen, noch nicht einmal einen Einkaufszettel geschrieben. Ich hoffe, die Milch reicht morgen früh noch für einen Milchkaffee. Nicht das Paket abgeholt vom Paketshop. Keine neue Handyhülle bestellt, nicht aufgeräumt. Den Schrank durchzusehen und die Sommerklamotten weg- und die Winterklamotten einzuräumen, daran ist nicht einmal zu denken. Natürlich nicht beim Ghibli Pop up-Store gewesen. Auch keines der 21 To-do’s auf meinem Whiteboard in Angriff genommen.

In der Arbeit war es ähnlich, aber ich blogge ja im November nicht über die Arbeit, sondern nur über die Übrigzeit. Freizeit. Überlegt, im Dezember nur über die nichtgemachten Sachen zu schreiben; den Gedanken aber wieder verworfen wegen zu deprimierend.

Heute jemandem zugehört, das war wichtig, glaube ich.

Schon komisch, dieses Leben, also: meines. Kurze Momente des Scheiterns, gelegentlich ein heller Schein von etwas, das gelingt, vor einem Canvas aus aus Mittelmäßigkeit und Alltäglichkeiten.

Gut geschlafen habe ich, das zählt auf jeden Fall.

06/30

Um 04:30 Uhr aufgewacht wegen Schmerzen, bis zum Weckerklingeln um 06:30 Uhr gedöst. 12 Stunden im Büro gewesen, nein, weniger, aber mein Gehirn ist jetzt zu müde, das noch auszurechnen. Gerade ein Knäckebrot mit Schinken im Stehen gegessen. Gleich gehe ich ins Bett, vielleicht schaue ich mir noch die TikTok-Sammlung von Crocodylus an, die Ina in einem Kommentar erwähnt hat, den ich sofort freigeben werde.