Schon wieder ein Traum mit Robert Smith. Nach einem Konzert gelang es mir, mit einigen wenigen anderen Glücklichen backstage gelassen zu werden. Zehn oder zwanzig Fans standen um ihn herum, er signierte dies und das. Ich sagte ihm etwas wirklich schlaues, aber ich hatte einen Knebel im Mund; die Zunge bandagiert.
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mit einem Lächeln
Ich hoffe mal, das ist das letzte Verletzungsphoto. Ich werde dem langsam müde. Sie auch?
Also, just for the records: brauner, dicker Teppich auf der Zunge. Sondert irgendwas essigsaures ab, jedenfalls habe ich dauernd einen komischen Geschmack im Mund. Ich hatte sowas bislang noch nicht, es scheint allerdings eine recht häufige Nebenwirkung der Antibiotika zu sein.
Nachdem ich zwei Wochen fast ununterbrochen zuhause war und mich mit dem Fernseh-Nachmittagsprogramm gequält habe („Dr. Quinn, Ärztin aus Leidenschaft“ kann man keine zwei Minuten ertragen, während „eine himmlische Familie“ wenigestens aufgrund der skurrilen Moralvorstellungen – u.a. kein Sex vor der Ehe! – zu einer bizarren Verwunderung führt), bin ich ehrlich froh, wieder arbeiten gehen zu dürfen. Ich mag das Gefühl, abends nach Hause zu kommen und mich ein wenig erschöpft zu fühlen. Eine positive Form von Müdigkeit, die ich genießen kann, weil ich weiß, daß ich etwas getan habe. Etwas neues getan, etwas neues gelernt, etwas bekanntes effizient durchgezogen, mit den Händen, mit dem Geist, mit der Vorstellungskraft gearbeitet. Es gibt kein Glück, es sei denn, der Mensch kann durch sein Tun Freunde gewinnen.(Koh 3,22)
Manchmal sehne ich mich nach einem anderen Leben, ich frage mich, wie mir ein anderer Beruf gefallen würde (ich habe da einen oder zwei konkret im Sinn). Dann erlaube ich mir, mich einige Minuten diesem Tagtraum hinzugeben, und komme immer wieder bei derselben Frage an: wenn ich ein anderes Leben lebte, vielleicht würde ich mich dann nach genau diesem sehnen, das ich jetzt lebe?
unter der Narrenkappe
Ich hatte es vergessen, und jetzt spüre ich es wieder. Das ist mir nicht recht, ich suche nach dem Kniff, der mich vergessen macht, der alles verblassen läßt. Man hätte die Tür nicht öffnen sollen, aber wer hätte schon gedacht, daß es mich so von den Füßen haut. Am Ende schlägt man immer hart auf, ich falle so ungern, weil ich das weiß. Und rüttle doch an den Naturgesetzen, die – nur halb entschüsselt – mein Leben zu bestimmen scheinen. Konstruiere ich etwas, um so zu empfinden? Oder ist es tatsächlich mein Schicksal, die story of my life? Macht es einen Unterschied? Liesse sich etwas verändern, oder bliebe man machtlos, egal ob Naturgesetz oder Trick der eigenen Psyche?
Ich spüre, und ich will nicht, und ich will doch, aber ohne unten zu zerschellen. Sei mir nah, und bleib mir fern.
Das ist hier nicht Griechenland. Komm, Leben, überrasch mich, schreib mir einen anderen Schluß. Sonst muß ich in diesem Dschungel aus Zeilen nach dem Rezept fürs Vergessen suchen.
Abschied
Manchmal träume ich von meinem Hund. Es ist immer ein freudiges Wiedersehen nach einer langen Trennung. Es kommt vor, daß sie mich fragt, warum ich mich so lange nicht um sie gekümmert habe, warum ich sie nicht besucht habe. Ich bin selbst verwundert darüber, es ist doch so schön, Zeit mit ihr zu verbringen. Erst lange nach dem Aufwachen erinnere ich mich, daß ich mich nicht mehr um sie kümmern kann, daß es mir nicht frei steht, sie zu besuchen, wann immer ich will. Ich erinnere mich an den Tag, als ich beschließen mußte, daß man ihr die Spritze gibt, und ich nach zehn Jahren Abschied nehmen mußte.
Letzte Nacht träumte ich wieder von ihr. Mein träumendes Selbst wußte von ihrem Tod und freute sich umso mehr, sie zu sehen: wie sie mit hoch erhobenem Kopf einen Stock apportiert. Wie sie mit gewohnten Bewegungen vorne weg trabt. Wie sie den Kopf dreht. Wie sie pustet. Wie sie guckt. Ihre Zunge, ihre Zähne, ihre großen Ohren.
Wir gingen gemeinsam durch die Gänge der Universität, an der ich recht erfolglos studiert hatte, bevor ich nach Berlin gegangen bin. Ich war nur auf der Durchreise, die Berliner Zeit abgeschlossen, eine neue Stelle an einem fernen Ort schon sicher. Nun war ich hier, um drei meiner ehemaligen Professoren zu besuchen und ihnen zu sagen: „seht ihr, ich habe es doch geschafft. Es ist doch noch etwas aus mir geworden.“
Ein Traum voller Abschiede. Freudig und gleichzeitig wehmütig der Abschied von meinem Hund, triumphierend und nicht gerade von Größe zeugend der Abschied von Wegbegleitern des vermeintlichen Scheiterns.
Auch im Leben immer wieder Abschied. Von Orten, von Sehnsüchten, von Lebensabschnitten. Im Wachen fällt es mir schwer, ich hasse Veränderungen. Ich wünschte, es gäbe eine Gebrauchsanweisung. So oder so: ich muß lernen, Abschied zu nehmen, denn man kann nichts festhalten. Im Leben genauso wenig wie im Traum.
so I’ll see your face in dreams
where nothing’s what it seems
you still appear some kind of friend
Dr. Zorn
Ich bin dann doch zu Dr. Zorn gegangen. Erstens habe ich selbst genügend Zorn, um jedem Doktor entgegentreten zu können, und zweitens machte mein Bein mit heftigen Schmerzen darauf aufmerksam, daß es gerne in ärztliche Behandlung möchte. In der Nacht von Samstag auf Sonntag schwoll es auf bislang nicht gekannte Größe an, wurde rot und pochte. Schlaf war nur in zwei-Stunden-Häppchen möglich. Okay, dachte ich, dann kriegt mein Bein eben seinen Willen. Ich laß‘ mir doch nicht die Nachtruhe versauen.
Nach zweieinhalb Stunden Warten (empfehlenswert: Nicolas Bouvier, „japanische Chronik“) nahm sich Dr. Zorn vier Minuten Zeit für mich. In den ersten zehn Sekunden und beim ersten Blick aufs Bein diagnostizierte er eine Infektion des angeschwollenen Gewebes durch die offene Wunde. Dennoch hielt er es ungeachtet meiner Schmerzenslaute für nötig, am Bein rumzudrücken, wo die Frauen sanft gestreichelt haben. So ist das eben mit den Männern. Schmerz kann aber auch etwas katharsisches haben.
Als ich nach Hause ging, war mir etwas zum Heulen zumute. Eine Woche krankgeschrieben, das kann ich mir eigentlich gar nicht erlauben. In vielerlei Hinsicht.
Ist kein gutes Jahr bis jetzt.
Verletzungen
„Sei nicht traurig“, sagt Frau Modeste, „sei nicht traurig.“
Es sind immer die gleichen Geschichten, die mir passieren. Kleine Anekdoten von Verrat, die man mit siebzig beim Kaffeekränzchen erzählen kann. Games people play, scripts people live. Der Vorteil ist, daß man schon weiß, wie die Geschichte ausgeht. Man weiß, daß die, die einen so unbedingt verletzten wollen, Kleingeister sind, emotionale Krüppel, und daß es nur Verlierer gibt, keine Gewinner. Es trifft einen dennoch unvorbereitet, wie einen Autounfall, ein Schockmoment. Aber man kennt die Geschichte, man erholt sich schneller.
Was bleibt einem auch übrig. Was soll man tun. Wie soll man leben. Müde fragt man sich, weshalb alles Gute immer kaputt gemacht wird. Wieso alles Gute immer geborgt ist auf Zeit. Und eines Tages stehen die Kredithaie vor der Tür und schlagen einem ein paar Zähne aus, und man versetzt die Stereoanlage und das Heiligenbild und kommt gerade noch einmal davon. Und fängt wieder von vorne an. Besinnt sich auf den Reichtum im Inneren, streichelt allen Makeln, die man mit Namen kennt, über den Kopf. In der Summe bin ich ganz okay.
Hoffnung
„Ich habe erleben müssen, wie zerstörerisch Hoffnung sein kann.“ , sagt Jan Phillip Reemtsma. Auf den ersten Blick wirkt diese Aussage widersprüchlich; im allgemeinen Verständnis gilt die Hoffnung als positive, gar lebenswichtige Kraft, die den Menschen nützt, nicht schadet. Was Reemtsma erlebt hat, ist extrem, dennoch scheint in seinem Verständnis von Hoffnung eine Wahrheit zu stecken, die auch Durchschnittsmenschen betrifft. Mich jedenfalls. Ich verspüre wieder Hoffnung dieser Tage; sie pusht mich ganz nach oben, es geht mir glänzend, und dann habe ich wieder Zweifel – oder ist es ein Flash von Realismus? Ausgeleiert wie ein Gummiband, das ständige hin und her.
(körperliches)
Schmerzen. Drei Stunden vor dem Weckerklingeln aufwachen. Verleugnen und versuchen, wieder einzuschlafen. Hilft nicht. 2x Aspirin. Hilft nicht. 1x Diclofenac. Hilft nicht.
Hilft alles nichts.
Mittwoch
Zur Zeit Frust mit meiner Arbeit, weniger aufgrund äußerer Einwirkungen als vielmehr, weil ich mit meiner Leistung selbst unzufrieden bin. Diese Unzufriedenheit, das Ausbleiben von Ergebnissen und eine bisher so nicht gekannte Unsicherheit beim Experimentieren rauben mir die Freude und den Elan. Manchmal sehe ich mich aus der Vogelperspektive, wie ich abends viel zu lange aufbleibe, um den Morgen aufzuschieben, und am nächsten Tag viel zu müde bin. Wie ich mit fadenscheinigen Ausreden Experimente auf den nächsten Tag verschiebe, viel zu früh nach Hause gehe und dann nicht viel mit mir anzufangen weiß, weil die erschwindelte Freizeit einen seltsamen Beigeschmack hat. Dabei würde sich meine Situation am schnellsten verbessern, wenn ich mehr und besser arbeiten würde. Dann könnte ich auch wieder zufriedener mit mir sein.
(ohne Titel)
Das schöne am Essen ist, daß sich Sehnsüchte nach bestimmten Speisen relativ einfach befriedigen lassen.
Manchmal verzweifele ich an der Ungenauigkeit von Sprache: ich würde ein besseres Wort für Sehnsucht brauchen. Oder es immer in einen Kontext einbauen müssen, so wie oben, mit dem Finger drauf deuten und sagen: diese Art von Sehnsucht, ja genau. Oder von yearning sprechen, und von craving .
Heute habe ich einfach nur Hunger, keinen Appetit, nichts, daß nach etwas bestimmtem verlangt. Ihn zu stillen, ist deshalb nicht Lust, kein Vergnügen, sondern nur Pflicht.