6/31 – Hinwege, Rückwege

Die Euphorie von gestern ist bereits verflogen.

Es gibt ja so Menschen, die kommen ins Büro, fahren den Rechner hoch, holen sich einen Kaffee, tratschen bisschen mit der Sitzplatznachbarin, packen die Frühstücksstulle aus und beißen rein, und erst dann betritt der erste arbeitsbezogene Gedanke ihren Kopf.

Bei mir ist das nicht so. Meistens geht es bei mir los, wenn ich unter der Dusche stehe, weil ich dann beginne, über die anstehenden To-do’s und Termine nachzudenken. Das ist immerhin nicht direkt nach dem Aufstehen, sondern erst, nachdem ich einen Kaffee getrunken, eine Runde durch die Blogs gezogen und das Wordle/Waffle/Connections gelöst habe. Heute war es ein langes Nachdenken über die Arbeit, weil ich morgens noch aufgeräumt habe (war nötig), und dann im Stau stand, den Stau umfahren habe, und mich dabei verfahren habe. Als mein Fuß also um 10 Uhr den Büroteppich berührte, hatte ich schon diverse arbeitsbezogene Problemszenarien durch meine Gehirnwindungen gezogen und war ziemlich genervt. Der Frage, warum ich so wütend bin, muss ich mal in einer meiner Wir-nennen-es-Coaching-und-nicht-Therapie-Sitzung nachgehen, aber erst, wenn wir das Rätsel gelöst haben, warum ich immer so weinen muss, wenn ich daran denke, dass mein Vater tot ist.

Jedenfalls. Ich habe dann erst einmal zwei Meetings abgesagt, dann hat mich eine wichtige Person, die mich sonst eher nicht unterstützt, bei einem mir wichtigen Anliegen unterstützt, was diverse Unter-der-Dusche-Horrorszenarien in Luft aufgelöst hat, dann hat mich ein Abteilungsleiter scharf angegriffen – ich kann ihm aber nicht böse sein, die arme Socke, dann hat mich mein Lieblingsfeind per Chat blöd angemacht, dann habe ich übersprungshandlungshalber seine neue Kollegin angerufen, und die ist sehr nett. Dann bin ich Novemberregen anrufend aus dem Büro geeilt und habe mich vor dem Büro mit Francine getroffen. Wir sind zu dritt Mittagessen gegangen, ich habe Frau „free therapy“ Novemberregen die unverschämten Chatnachrichten meines Lieblingsfeindes gezeigt und Francine hat Geschichten aus Südamerika erzählt.

Es war sehr schön.

Die nächste Stunde habe ich hektisch Dinge weggearbeitet, an die ich keine Erinnerung mehr habe, und dauernd Leute aus meinem Büro geschmissen („keine Zeit“). Anschließend gutes Treffen mit einem externen Dienstleister.

Zum sehr frühen Feierabend zu Fuß aus dem Büro geeilt und zum Friseur gegangen, also: meiner Friseurmeisterin. Sie besitzt einen sehr kleinen Friseurladen, man ist dort mit ihr allein. Mir gefällt das sehr. Über ihre Preisgestaltung gesprochen und die sonstigen Friseurgespräche geführt. Mein Auto aus der Bürotiefgarage befreit und bei der Ausfahrt ging wer an mir vorbei?

Richtig. Frau Novemberregen. Gehupt, sie eingesammelt und nach Hause gefahren. Nein, es liegt nicht auf dem Weg. Ja, es war sehr schön.

Den Weg von ihr zuhause zu mir nach Hause kenne ich recht gut. Es gibt da ein Stück Autobahn, gerade und sehr nach Westen ausgerichtet, dort habe ich schon oft einen wirklich schönen Sonnenuntergang gesehen, heute wieder. Der Sonnenuntergang auf dem Rückweg von Novemberregen. Und Flugzeuge obendrüber.

Es muss ein bisschen Druck aus meiner Beziehung zum Büro. Die Dinge müssen mir ein bisschen egaler werden.

Statistik:
Laune: schwankend
Fitness: 7/10
Druck: 8/10
Schlaf: 7/10

5/31 – van der Waals

Langer Tag heute, bis etwa acht Uhr im Büro gearbeitet. Vier oder fünf Stunden davon in einem Meeting gewesen. Bürojobs sind schon irgendwie weird. Was macht man den ganzen Tag? Meetings. Videokonferenzen. Emails. Manchmal auch so Sachen in PowerPoint und Excel.

Heute also ein Meeting. Ich hatte versucht, mich davor zu drücken, oder zumindest das zweitbeste: remote aus dem Home Office teilzunehmen. Es kam dann aber eine recht harte Ansage, dass ich dabei sein muss, obwohl ich – meiner Meinung nach – fachlich nichts beitragen kann. Es scheint gar nicht so wichtig zu sein, dass ich was mache, aber es ist für dieses leicht exotische Büro anscheinend sehr wichtig, dass ich da bin, und überhaupt: dass ich bin.

Der Treppenwitz meines Lebens: harte Ausbildung als Wissenschaftlerin mit Studium der Atomphysik, und dann dieser völlig unerklärliche Karriereweg als ich selbst sein. Im Grunde ist es natürlich die Wechselwirkung der Teilchen: es macht etwas mit den anderen, wenn ich dabei bin. Ich hab’s dann doch ganz gerne gemacht, in diesem Meeting zu sein. Weil ich mich für die Menschen interessiere, und die Dinge, und die Systeme, die sich entfalten, und dem allen wirklich gerne zuschaue.

Heute morgen war ich sehr schlecht gelaunt. Ich erinnere schon nicht mehr, warum. Und ob es überhaupt ein warum gibt. Jetzt fühle ich mich ruhig, schwebend, auf eine gute Art müde. Ich mag es gerne, so spät durch die Stadt zu fahren, die Bankentürme blinkend hinter mir zu lassen, freie Straßen, beschleunigend. Es ist mir ein Rätsel, wie es meine Arbeit schafft, meine Laune so zu drehen. Wenn man meine Texte liest, erschließt es sich einem wahrscheinlich, aber ich sehe es nicht. Ich bin zu nah dran, und wundere mich staunend, wie ich hier hin gekommen bin.

Es ist viel besser, als ich erwartet hätte.

Statistik:
Laune: außerhalb der Koordinaten
Fitness: 7/10
Druck: 7/10
Schlaf: 7/10

4/31 – gewaschen

Morgens noch ziemlich sore gewesen wegen krank gestern. Mit dem Auto meiner Mutter ins Büro gefahren. Das Auto besitzt noch einen CD-Spieler, dortselbst befindet sich seit etwa fünf Jahren dieselbe, von mir gebrannte CD mit Liedern, die man mit meiner Mutter anhören kann, ohne dass sie sich beschwert. Als ich fünfzehn war, hat meine Mutter geduldig Songs von The Cure angehört (damals noch auf Kassette), rückblickend ehrt sie das sehr. Jedenfalls, etwa zweimal im Jahr fahre ich ihr Auto und freue mich über die Playlist.

Im Büro schwer genervt gewesen, weil alle dauern irgendwas wollen und wir mittlerweile so viele Extrawürste braten, dass es kaum noch zu managen ist. Und die Bratwurstspirale schraubt sich immer weiter nach oben.

Mit dem Geschäftsführer zum Lunch gegangen, keine Bratwurst, aber Sucuk, und ziemlich ehrlich über die Dinge gesprochen. Viel Resonanz gespürt. Verschiedene Meetings, unter anderem ein großes mit den Heads, was gut war und uns voran gebracht hat.

Um kurz nach fünf aufgebrochen, um das Auto meiner Mutter durch die Waschanlage (innen und außen!) zu fahren. Die Schließzeiten der Waschanlage bilden eine harte Deadline, mit der ich schon mehrmals unangenehm in Berührung gekommen bin. Mit dem frühen Feierabend gehadert, es ist doch vieles unfertig geblieben heute. Das ist aber wohl mein Los, dass nur immer das eine oder das andere gemacht werden kann. Letztmöglicher Waschanlagentag war das heute.

Anschließend noch in der Drogerie gewesen, außerdem noch eine Decke aus dem Auto gewaschen. Es ist zu viel liegen geblieben wegen krank am Dienstag. Ärgerlich.

Falls sich das ein bisschen langweilig und frustrierend liest: so war es auch.

Statistik:
Laune: 3/10
Fitness: 5/10
Druck: 8/10
Schlaf: 6/10

3/31 – Schlaf

Schwieriger Tag. Die Nacht war nicht besonders gut – ich bin um halb zwei aufgewacht und dann um halb sieben noch einmal (sehr langes Kirchengeläut). Durchschlafen, ausschlafen, das wäre schön. Immerhin nochmal eingeschlafen bis halb acht.

Gemütlicher Start in den Tag, lese gerade sehr gerne den Reisebericht von Mek.

Die Kellerregal aufgebaut und relativ schnell gemerkt, dass es nicht so aufgehen wird, wie ich mir das gedacht hatte. Die Regale sollten mehr Platz schaffen (in die Höhe stapeln), damit anderes Zeugs, das gerade in der Kammer neben meinem Schlafzimmer ist, dorthin umziehen kann. Es sind aber einfach insgesamt zu viele Sachen, ich muss ausmisten.

Gegen ein Uhr dann Pause wegen Mattigkeit, erst lustlos rumgetiktokt, dann ins Bett gegangen und bis etwa sieben Uhr abends geschlafen. Habe das öfter, dass ich plötzlich so wegklappe, und würde gerne wissen, was da los ist: atypische Migräne? Stoffwechselentgleisung?

Eine kleine Quiche warm gemacht, dazu das Merkel-Interview geschaut. Noch nicht zu einer Meinung gefunden, außer, dass ich Frau Merkel immer noch gerne zuhöre, und interessant finde, was sie zu sagen hat. Das Ambiente hat mich etwas unterwältigt: die Stühle, der Heizkörper im Hintergrund, der mickrige Blumenstrauß, das Polohemd von Herrn Sirin, die Tonprobleme. Ich frage mich dann immer, ob das gewollt war, ob es eine Art von Authentizität ausdrücken soll, oder ob es einfach Schlampigkeit ist.

Die Pflanze, die ich gestern fürs Badezimmer gekauft und gründlich gewässert habe, wirkt sehr glücklich.

Statistik:
Laune: 5/10
Fitness: 2/10
Druck: 6/10
Schlaf: 3/10

2/31 – Brücken

Ein guter Tag. Mein gestriges Ich hatte mir eine schöne Playlist gemacht. Die Autobahn ist frei, und der Riss in meiner Windschutzscheibe wird nicht größer.

Sometimes you’re the windshield, sometimes you’re the bug.

Es schmerzt ein wenig, am Brückentag zu arbeiten, aber es ist eigentlich blöd, es nicht zu tun. Alles ist ein bisschen leerer, luftiger, leichter. Wir tragen Sneakers und fühlen uns wie damals in der Schule, wenn die Noten schon feststehen, aber die Zeugnisse noch nicht ausgegeben sind. Die beiden Geschäftsführer stehen in meinem Büro und albern rum, der eine lehnt lang und schlacksig an der Wand, der andere läuft von links nach rechts, sie erzählen Geschichtchen, die so witzig sind, dass ich lauthals lache. Schön ist das.

Ich mache einen sehr langweiligen Bericht für eine Versicherung fertig, den ich schon am Freitag hätte abgeben müssen. Ich begrüße einen neuen Mitarbeiter, und bespreche mich mit meiner Mitarbeiterin. Ich stöhne ein bisschen, denn ich habe mir auf jede volle Stunde einen halbstündigen Termin mit irgendjemand zu irgendwas gelegt. Ich verschiebe einen davon und will gerade in den Lunch gehen, da ruft mich per Video eine Kollegin aus England an. Wir hatten uns letzte Woche gestritten, genauer gesagt: wir hatten ein disagreement, es würde Stunden dauern, die Geschichte aufzuschreiben. Eine Initiative, die ihr sehr wichtig ist, ist gerade dabei, einen langsamen und qualvollen Tod zu sterben. Ich habe mich da reinziehen lassen, von dem Antagonisten in der Geschichte, ausgerechnet, und er hat dafür meine Eitelkeit benutzt, hat mich glauben lassen, dass ich diejenige bin, die es richten kann. Das war arrogant von mir und dumm.

Die Kollegin ruft mich an, um sich bei mir zu entschuldigen, sie hätte das ganze Wochenende gelitten und sich gesorgt, dass unsere Freundschaft Schaden genommen hätte (denn das sind wir: Freundinnen). Ich sage ihr, was oben steht, entschuldige mich, vergewissere ihr meine Freundschaft. Wir sprechen über die sehr verfahrene Situation, unlösbar vielleicht, und irgendwo dazwischen laufen ihr, die zehn Jahre älter ist als ich und Senior Professional, die Tränen.

Ach, mein Herz.

Ich gehe raus, die Stadt ist schon halb im Urlaub, die Menschen sitzen in den Cafés, weit und breit keine Krawatte zu sehen. Ich bringe einen Blazer zur Änderungsschneiderei (Ärmel kürzen) und entdecke dann im Vorübergehen ein Zimtschneckenfachgeschäft, das ich auf TikTok gesehen habe. Es ist alles sehr hip, ich darf sogar Schlange stehen, bevor ich Zimtschnecken für mich und mein Team erwerbe. Anschließend tätige ich einen größeren Einkauf im Traditions-Feinkostgeschäft, den ich mit Essensschecks begleiche.

Die Spielgeldhaftigkeit von Geld in meinem Leben beunruhigt mich manchmal ein bisschen.

Weitere interne Besprechungen. Noch ein weiterer Anruf einer anderen Kollegin (diesmal keine Freundin) aus England, die auch in die gescheiterte Initiative verstrickt ist. Telefonat mit einem externen Dienstleister, den ich im Preis runterhandele (immer noch sehr teuer, aber er ist auch recht kompetent, glaube ich). Weitere interne Besprechungen.

Der Geschäftsführer bittet mich, ihn in den nächsten Tagen bei einem Projekt zu unterstützen. Wenn ich sage „er bittet mich“, dann meine ich das auch so: es ist eine Bitte, keine verpackte Forderung, und mich berührt das so, dass er sich da solche Mühe gibt. Wenn ich so drüber nachdenke, dann scheint es mir, dass die Forderungen eher von den hierarchisch unter mir stehenden Menschen zu kommen scheint, während die Chefs bitten und sehr freundlich fragen.

Im Grunde sagt mir sowieso so gut wie niemand mehr, was ich zu tun habe. Was auch eine Art von Problem sein kann.

Zwischendurch vereinbare ich einen Impftermin, den ich wieder absagen muss, weil ich an dem Tag kein Home Office machen kann (und die Arztpraxis zu weit vom Büro entfernt ist), weil ich bei einer mehrstündigen Teamsitzung dabei sein muss, die wahrscheinlich eskalieren wird.

Hm.

Meine Mutter schickt Bilder von der Gruppenreise, es scheint gut zu laufen.

Ich schreibe noch eine vorbereitende Zusammenfassung für einen Termin am Mittwoch, packe meine Delikatessen ein, und fahre heim. Zuhause befülle ich kurz den Kühlschrank und düse dann wieder los, an einen Ort, den ich wirklich gerne mag: den Baumarkt. Der Baumarkt ist ja auch eine Art von Nicht-Ort, ich kenne ihn vor allem in der letzten Stunde vor Ladenschluss, ziemlich leer, die Mitarbeiter/innen alle schon ein bisschen durch, die Kund/innen ein wildes Sammelsurium an Lebensumständen. Ein Mann mit erwachsener Tochter oder jüngeren Geliebten versucht, eine lange Küchenarbeitsplatte in seinen Kombi zu laden. In der Gartenabteilung ist schon Herbst. In der Dekoabteilung sogar schon Weihnachten, „schau, der Weihnachtsmann!“ sagt ein Mädchen zu seiner Mutter, und beide freuen sich ein wenig.

Ich kaufe drei Regale für den Keller, ein Verlängerungskabel, und leider keine Lampe (zu teuer, ist eben nicht Ikea). Ich kaufe aus oben genannten Gründen auch keine Chrysanthemen für den Balkon, dafür aber eine Grünpflanze für das Bad (die vorherige hat das übermäßige Gießen nicht überlebt). Ich überlege, eine Novemberregen-Gedächtnis-Orchidee zu kaufen, aber eigentlich begeistern mich Orchideen auch nicht so. Dafür entscheide ich mich für eine Pflanze, die definitiv gerettet werden muss. Dazu hat Frau N. auch einen schönen Blogeintrag, wie sie einmal eine Pflanze aus dem Supermarkt rettete.

Dabei fällt mir ein, dass ich die Pflanze im Auto vergessen habe. Sie entschuldigen mich, ich muss nochmal vor die Tür…

Statistik:
Laune: 7/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Happiness: 7/10
Schlaf: 6/10

1/31 – Datenpunkte

Beschlossen, im Monat Oktober jeden Tag zu bloggen. Tagebuchbloggen. Frau Novemberregen teilte mir neulich mit, sie wisse gar nicht so richtig, was ich den ganzen Tag mache, und womit ich meine Zeit verbringe. Die Aussage hat mich ziemlich überrascht – wie kennen uns jetzt dreizehneinhalb Jahre, folgen einander auf diversen sozialen Medien, und sie ist mit Abstand die Freundin, die ich am häufigsten sehe.

Ich glaube ja, das wird recht langweilig, zumal ich ja aus Vertraulichkeitsgründen über viele wirklich interessante Dinge nicht berichten kann. Testen wir es, womöglich irre ich mich. Aktuell habe ich außerdem wieder ein Grundgefühl der Genervtheit, das würde ich gerne mal tracken.

Also. Was war so heute. Früh aufgestanden und meine Mutter zum Busbahnhof gebracht, sie macht eine Gruppenreise. Stimmung bei meiner Mutter war leicht leidend, weil sie nicht so richtig Lust hat auf diese Reise, da aber irgendwie reingerutscht ist, zwei Freundinnen von ihr sind auch dabei. Stimmung bei mir leicht leidend, weil ich beim Einsteigen ins Auto festgestellt habe, dass meine Windschutzscheibe einen Sprung hat.

Auf dem Rückweg Altkleider recycelt und Bargeld geholt (reicht jetzt bis Jahresende), während die Kleinstadt so langsam zum Leben erwacht. Längere Schlangen vor den Bäckereien, alles Männer, meist mit Kindern, Stimmung ebenfalls eher leidend.

Weblog repariert hatte ich schon gestern, heute habe ich meinen DNS-Eintrag aktualisiert und mein Handle auf Bluesky verkürzt. Twitterarchiv runtergeladen, Schloss an den Account: der Umzug zu Bluesky ist jetzt fertig. Mein Schmerz hat sich gelegt. Weitergehen, weitermachen, nicht zurückblicken. It was nice while it lasted.

Nach dem Frühstück hingesetzt und die verschiedenen Zettel und App-Einträge zu einer großen To-do-Liste zusammengefasst (und dann wieder in Einzelschritte aufgeteilt und terminiert). Ein Quartalsplan gar. Gutes Gefühl. Ich würde ja sagen, ich bin meistens recht gut organsiert, aber manchmal doch sehr getrieben. Mir scheint es dann, dass nur Zeit für absolut kritische To-do`s bleibt. Das macht mir Druck und nervt mich. Die nächste Zeit könnte aber besser werden, oder vielleicht gelingt es mir, sie dazu zu machen.

Folgendes erledigt: einen Schmuckanhänger endlich selbst repariert (Juwelier 1 hatte abgelehnt, Juwelier 2 war im langen Sommerurlaub). Alle Konten gecheckt und für ausreichend Deckung gesorgt. Nach einem Covid-Impftermin (XBB) geschaut, aber noch keinen gekriegt. Meine Wahlunterlagen gesucht und Briefwahl beantragt. Meinem Hostingdienst geschrieben und gebeten, PHP zu aktualisieren. Den Keller ausgemessen für ein Kellerregal, ebensolches online ausgesucht, werde ich (hoffentlich) morgen abholen und am Feiertag aufbauen. Meinen Amazon-Wunschzettel aktualisiert (eigentlich wünsche ich mir einen Etsy-Gutschein für eine gebundene Ausgabe von Manacled). Recheriert, wie ich für mein demnächst beginnendes Ehrenamt meine Abwesenheiten durch Urlaub und Dienstreise kommunizieren kann. Das Porzellan, das ich für Kittykoma bei einer anstrengenden, unangenehmen, und möglicherweise von der aktuellen Lebenssituation überforderten Frau abgeholt habe, gesichtet.

Eine halbe Stunden auf dem Balkon in der Sonne gelegen. Weniger gelesen, mehr nachgedacht. Musik gehört, gerade wieder eine leichte Obsession mit 4bit von #1 Dads, aber auch mit Genuss meine Spotify-Vorschläge durchgehört. TikTok entnommen, dass PJ Harvey gerade auf Tour ist. Sie sieht gut aus. Unentschlossen, ob ich hingehen sollte. Großartige Songs, keine Frage, aber PJ schält einem mit dem Sparschäler feine Streifen von Herzen ab. Weiß nicht, ob ich das will.

Generell über mein Herz nachgedacht.

Versucht, mit meinem Teleskop auf dem Balkon den Mond zu sehen. Letztes Jahr hat das gut geklappt, jetzt gerade habe ich die Einstellungen nicht hinbekommen. Hätte mich gerne wenigstens ein bisschen hingelegt, um in die Sterne zu gucken, aber die Nachbarn haben gefeiert und waren laut, mit bierseligen Gesprächen über Asylpolitik und Demokratie. Genervt gewesen. Diesen Text geschrieben.

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 8/10
Druck: 4/10
Happiness: 7/10
Schlaf: 7/10

dolce

Der Koffer ist gepackt. Ich war beim Coaching und habe viel geweint. Ich war beim Arzt und bin ein bisschen fitter geworden. Ich lasse die Dinge im Büro auch mal liegen, und habe mal wieder die European Head of Stelle angeboten bekommen. Vielleicht wird es diesmal was, vielleicht auch nicht.

Ich schaue aus dem Fenster und sehe noch einen Rest der Abenddämmerung. Morgen bin ich selbst im Himmel, irgendwo über Grönland. Vorher putze ich noch das Bad fertig. Und freue mich auf das, was kommt: nicht immer süß, aber voller Leben.

Cortisol

Das waren ein paar schwierige Wochen mit allerschlechtester Laune. Dauernd so eine kleine Stimme in meinem Kopf: bin ich depressiv? Fühlt sich so eine Depression an? War aber eher so eine Kombination aus krasser Überarbeitung und körperlicher Themen. Ich habe nach wie vor Lust und Interesse an den Dingen und am Leben. Aber keine Zeit und keine Löffel.

https://twitter.com/fragmente/status/1631267622003134470?s=20

Überarbeitung heißt: spätabends beruflich angerufen werden, am Wochenende arbeiten, zu viele Stunden arbeiten, jede Menge Druck. Alle wollen dauernd was von mir, nie ist es genug, und niemand sagt danke. Beleidigungen aushalten, Gezicke und divenhaftes Verhalten. Auf den Gerichtstermin hätte ich auch verzichten können. Und das blöde ist, dass ich mich selbst wie eine Memme fühle, weil ich nicht alles immer professionell wegstecke.

Letzte Woche habe ich den Benachrichtigungston auf dem beruflichen Mobiltelefon ausgestellt. Jede Email und jede Teams-Message hat vorher einen kleinen Ton gemacht, und ich konnte, wenn ich abends auf dem Sofa saß, so richtig spüren, wie mir das Cortisol durch den Körper jagte. Der Druck kommt natürlich nicht vom Ton, sondern von den Inhalten.

Laut TikTok geht meine Generation (X) nicht genug zur Therapie. Wir leiden lieber, und machen die Sachen mit uns selbst aus. Oder bloggen drüber. Francine hat ja vor ein paar Jahren mal einen magischen Satz zu mir gesagt: „…hast du das mal therapeutisch aufgearbeitet?“. Vielleicht ist es Zeit.

Die Arbeitsbelastung lässt gerade etwas nach, weil zwei bis drei größere Themen abgeschlossen sind. Aber der Druck kommt wieder, auch, weil ich ihn mir selbst mache. Nur funktionieren, den Druck aushalten, die Steuererklärung machen und die Wohnung putzen – das kann es nicht gewesen sein. Das ist mir zu wenig. Es muss auch etwas bleiben für mich. Dolce vita. Dolce far niente.

Januar

Ein zäher Monat. Ich war krank, bin es noch. Erst akut, jetzt nur noch hin und wieder Schmerzen, aber schlapp, müde, zermürbt, kraftlos. Nicht ganz rien ne va plus, jedoch peu est possible. Und keine klare Diagnose.

Unverhoffte Geschenke: die Zugewandheit der Freundinnen, die Güte & Großzügigkeit von Novemberregen, und mein Chef, wie er sich in meinem Büro an die Wand lehnt, schlacksig, und mir mit verschmitzem Lächeln das eine oder andere berichtet.

Das Alleinsein, Verlassensein, ist am schwierigsten, wenn man krank ist. Wenn wirklich gar nichts mehr geht, und niemand da ist, der einem hilft. Überlege so ein bisschen daran herum, ob dieses Gefühl des Verlassenseins vielleicht eine Art human condition ist. Es begegnet mir jedenfalls – und das ist das Glück – nur vorübergehend, und wird abgelöst durch Hinwendung und Zuwendung derer, die mir wichtig sind.

Das Rad dreht sich, die Kugel finde eine Zahl. Der Croupier zahlt die Gewinne aus, und zieht die Verluste ein. Ein neues Spiel beginnt. Faites vos jeux! Die Bank gewinnt immer.

Auf in den Februar.

2022

Es war ein schlechtes Jahr, es war ein gutes Jahr. Ein schlechtes Jahr für die Welt, voll mit schlechten Nachrichten. Und ein gutes Jahr für mich, mit Glücksmomenten, Staunen, Sternen und Musik.

Ich habe eine ganze Weile gebraucht, mich damit abzufinden, dass die Kontrolle und Prävention von Covid-Erkrankungen keine politische oder gesellschaftliche Rolle mehr spielen wird. Wir haben aufgehört zu testen, aufgehört, Fallzahlen zu erheben. N-TV stellte den Covid-Nachrichtenticker ein, die Maskenpflicht in Supermärkten fiel, dann auch die Pflicht zur Quarantäne. Das Gesundheitssystem kollabiert leise vor sich hin. Ich selbst trage weiterhin häufig Maske, vermeide Restaurantbesuche in Innenräumen, habe mich im Februar viertimpfen, im Juni fünftimpfen, und im September gegen BA.5 boostern lassen. Bisher habe ich mich nicht angesteckt, das ist aber wahrscheinlich auch stark durch Glück und Privileg bedingt.

Der Beginn des Ukrainekrieges im Februar war ein Schock. Ich denke, der Krieg wird noch fünf Jahre dauern, und hoffe, dass ich Unrecht habe. Anderswo ist es auch nicht besser: im Libanon bricht das Stromnetz zusammen, über Syrien spricht niemand mehr, aber ich weiß, dass die Menschen hungern. Die USA kippten Roe vs Wade. Die Klimakatastrophe rückt näher: Schnee im April, Dürre und Waldbrände im Sommer, Fischsterben in der Oder, ganz Pakistan unter Wasser. Heute, an Silvester, haben wir T-Shirt Wetter mit 18 Grad. Affenpocken waren auch ein Thema. Und dann starb auch noch die Queen.

Vielleicht als Gegenmaßnahme zur äußeren Instabilität habe ich dieses Jahr viel aufgeräumt. Erst den Keller, dann alles andere. Viel aussortiert, vor allem in der Küche. Es ist jetzt deutlich leichter, Ordnung zu halten. Gut fünf Jahre nach meinem Einzug hat ein Elektriker die letzten Lampen installiert. Ich habe die WLAN-Situation verbessert, das ist ein großes Plus.

Ich war viel auf Reisen und unterwegs. Als ein Wendepunkt ist mir das Konzert von Sam Fender im Mai in Erinnerung geblieben, danach folgte ein wunderbarer Sommer. Schön waren nicht nur die großen Reisen, sondern auch die kleineren Unternehmungen: ein Wochenende in Hildesheim mit Internet-Freundinnen, ein anderes Wochenende in Frankreich. Boot fahren mit Francine. Perseiden, mehrmals. Mondbeobachtungen mit einem Teleskop auf meinem Balkon, und viele lange Abende draußen, während über mir die Fledermäuse durch den Himmel huschten. Ein Sommer voll mit Badesee-Besuchen und jeden Sonntag ein Ausflug in die Umgebung. Viele Freunde getroffen. Vielleicht meine beste Entscheidung dieses Jahr, so viel zu unternehmen, auch ein bisschen geboren aus der Einsicht, dass es karrieremäßig erst einmal nicht wirklich weitergehen wird für mich. Also mehr Work-Life-Balance, das war gut und richtig so.

Ein unglaubliches Highlight waren die Konzerte von The Cure, von denen ich nicht so richtig geglaubt hatte, dass sie tatsächlich stattfinden würden. Wir erlebten eine Band, die sich nicht auf dem Ruhm vergangener Tage ausruht, sondern die in absoluter kreativer Bestform ist. Ein unvergesslicher Moment, wie wir aus der Konzerthalle in Wembley rauskommen, und es schneit…

Was bleibt sonst noch in Erinnerung? Gesundheit hätte besser sein können, daran muss ich im neuen Jahr was ändern, auch in Hinblick auf das zusammenbrechende Gesundheitssystem. Auch interessant zu Archivzwecken: ich habe den Campus meiner alten Universität besucht und ein bisschen an dem einen oder anderen Trauma gearbeitet. Außerdem mildly interesting: ich habe 500 Tage am Stück mit Duolingo eine Sprache geübt, und dann aufgehört. Fühlt sich sehr on brand für mich an.

Die Zersetzung von Twitter bedauere ich sehr. Ich habe diesen virtuellen Ort immer sehr geschätzt. Es gibt doch viele, deren tägliches Tun ich gerne auf Twitter verfolgt habe. Twitter war auch immer eine gute Möglichkeit, in den Austausch mit anderen zu kommen, unverbindlich, aber nicht oberflächlich. Es war die beste Version eines Schulhofs, wo man miteinander abhängt, belangloses redet, und dann doch unverhofft Momente der Tiefe und der Verbundenheit entstehen. Vielleicht erholt sich die Plattform ja noch einmal.

Es war trotz allem also ein gutes Jahr. Ich war oft glücklich – vielleicht werde ich im Alter generell besser darin, trotz widriger Umstände glücklich zu sein. Auf jeden Fall scheine ein bisschen besser verstanden zu haben, was mir gut tut, und kümmere mich besser darum, Momente zu schaffen, die das Eintreten von Glück wahrscheinlicher machen.