Die Stadt

Ich mache früher Schluß und fahre durch die Stadt, in einem großem Bogen von Wedding über Prenzlauer Berg nach Friedrichshain. Vordergründig, um einige Besorgungen zu machen, in Wahrheit wohl aus Melancholie.

Die Stadt zieht an mir vorbei. Eine gepflegte, leicht ökomäßig angezogene Frau, die darauf wartet, die Straße überqueren zu können und dabei permanent mit sich selbst redet. Ein Zigeunerkind, vielleicht zehn, mit einem alten, erwachsenen Gesicht und einem Kleinkind auf dem Schoß. Eine kleine, kompakte, füllige Frau mit ihrem schlaksigen, zwei Köpfe größeren Freund, und wie sie sich reckt, auf die Zehenspitzen stellt, und er sich runterbeugt, ein kurzer Kuß, dann geht es weiter.
Später, in einem billigen Einrichtungsmarkt im Wedding, die Blicke der schwarzhaarigen Männer, die abschätzen, ob man fickbar wäre. Natürlich wäre ich das, aber das sieht man ja nicht.
Schönhauser Allee, Danziger Straße. Es wird Abend und dann Nacht, ein langsames Erblinden.

das ist also mein Leben

Ich trete hinaus auf die Straße, die Luft ist warm; die Tram biegt ratternd und quietschend um die Ecke. Und ich denke: das ist also mein Leben. Nichts wirklich falsch gemacht und nichts wirklich richtig. Wenigstens in meinem Scheitern wäre ich gerne großartig gewesen. In der Arbeit gelingt mir hin und wieder etwas. Mittelmaß. Der Dispo ist röter als sonst, bedenklich rot, aber so weit entfernt von einem Herrn Rounders, der fünfzigtausend mit Optionsscheinen für AMD verliert, vom Casino und den Nutten gar nicht zu reden. Der hatte wenigstens Casino und Nutten und gute Geschichten zu erzählen. Ich habe einen Sessel von Ikea.
Die Liebe. Keine Liebe. Nichts, was mich zerstört hätte oder aufgefressen, was mir unter die Haut gegangen wäre, was mich nachts nicht schlafen ließe. Niemand, der mich aus der Bahn geworfen hätte, ruiniert und beschenkt gleichermaßen.
Liebe die Makel!, denke ich, mit Ausrufezeichen, liebe dein Scheitern und die Begrenzheit deines Lebens. In mir steckt nichts wagemutiges, nicht in meiner Erziehung, nicht in meinem Wertesystem, nicht in meinem Charakter. Was es brauchen würde, um großartig zu sein, ich weiß es nicht. Mut könnte eine Komponente sein, aber es ist nichts, für das es eine Formel gibt oder wozu man sich entschließen kann. Man ist es, oder man ist es nicht.

Ich werde wohl ein Kleingeist bleiben, voller Sehnsucht nach Größerem.

a moving force

„Ihr ganzer Körper ist eingeschlossen von der Wäsche, ein absurder Schmuck an ihr, die nichts als allein den Atem braucht, um begehrenswert zu sein, nur eine bewegende Kraft hinter diesen Knochen, diesem Fleisch, der alles, was sie ist, trägt und bewohnt.“

Iain Banks, die Brücke

it could be sweet

Vor vielen Jahren hat mir mal jemand erzählt, der Schokolade mit der lila Kuh würde Rinderblut zugesetzt werden, um Kakao zu sparen und trotzdem eine dunkle Farbe zu erreichen. Mit größter Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um eine Fehlinformation, aber bei jedem der seltenen Male, die ich seitdem Schokolade dieser Marke gegessen habe, schmeckte ich Blut im Mund.

Es gäbe einiges zu sagen über das Treffen zwischen halb neun und zwei Uhr, aber er liest hier mit. Und ich möchte, daß es süß bleibt. Für uns beide.

zwischen halb neun abends und zwei Uhr nachts

Er sitzt an der Bar und trägt einen Anzug. Einen Moment lang bin ich ganz baff, weil er sehr attraktiv ist, ein fein geschnittenes Gesicht, freundliche Augen und eine starke männliche Ausstrahlung hat. Zum Glück habe ich keine Zeit zum Nachdenken, sonst hätte ich mich wohl eingeschüchtert gefühlt. Aber wir kommen sofort ins Gespräch, ich weiß nicht mehr, über was, doch es fühlt sich gut an, fast vertraut, wie eine Verlängerung des Austausches, den wir schon sehr lange per eMail und Chat hatten. Nur, daß er bereit ist, mehr von sich zu erzählen als bisher. Themen, die mit anderen Menschen oder in einer anderen Kommunikationsform oberflächlich abgehandelt werden würden, gewinnen an Tiefe und werden dadurch spannend. Ein spannender Mensch, der auch mir mit Interesse zuhört, hin und wieder nachhakt, mich aber auch zum Lachen bringt. Er fokussiert seine Aufmerksamkeit zu einhundert Prozent auf mich, wie ein Scheinwerferlicht. Manchmal fühle ich mich wie eine Zirkusartistin und genieße es, manchmal fühle ich mich wie ein Reh auf der Bundesstraße. Da ist viel Nähe, auch körperlich. Wir sitzen eng beieinander, sein Knie an meinem Oberschenkel, ich wehre mich nicht. Manchmal wird mir die Nähe bewußt und ich werde innerlich starr, dann wieder tritt alles, die Bar, die anderen Leute, auf angenehme Weise in den Hintergrund; auch ich fokussiere meine Aufmerksamkeit nur auf ihn.

Auf sehr charmante Weise bezahlt er meine Drinks. Als ich aufstehe und wir zu einer anderen Bar gehen, merke ich, daß ich betrunken bin wie schon lange nicht mehr. Später werden wir zur Modersohnbrücke gehen und den Zügen nachschauen, meine Trunkenheit wird einer anderen weichen, als er mir Komplimente macht. Er wird den Arm um mich legen, ich werde wollen, daß er nicht aufhört, es ihm aber nicht sagen können. Noch später werden wir aus einem nichtigen Grund unglaublich lachen müssen, kaum wieder aufhören können. Wir werden ein Segelboot sehen, mitten in Friedrichshain.
Sehr viel später werde ich in Berlins dreckigstem Hinterhof meinen Büstenhalter ausziehen; wir werden lachen und es lustig finden und vielleicht auch ein bisschen erotisch. Ich werde meinen Mantel wieder anziehen und er wird mich küssen. Seine Hand wird auf einer unverfänglichen Stelle meines Oberkörpers liegen, und zwar mit genau dem richtigen Druck, ich werde es wunderbar finden, dann aber doch sehr oft „nein“ sagen. Ich werde ihn sanft fragen, wo Nina sei.
Er wird nach Hause gehen zu Nina, ich werde die Treppe hoch in meine Wohnung gehen, das Gefühl des bärtigen Kusses auf meinem Mund.
Wir werden uns ein Wiedersehen versprochen haben, in einem Monat, bis dahin werde ich ein wenig über Nina nachdenken und über mein Glück, jemanden so sympathischen begegnet zu sein. All die Dinge, die er tut, damit ich mich wohl fühle,. ich nehme sie wahr, jedes einzelne, und für jedes einzelne bin ich dankbar. Ich weiß nicht, was für ihn dabei herausspringt, was ich ihm geben kann, das er nicht auch einfacher haben könnte. Aber mir ist klar, daß ich einen Preis zu bezahlen hätte, wenn… und was mir entgeht, wenn nicht.
Vielleicht rechnet er nicht, und ich sollte es auch nicht.

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mehr Robot, Linda und La Rüsch

Gerade eine Seite gefunden, die tausende von Streetart-Stickern dokumentiert. Macht meine „Robot und Linda“ Serie ein wenig überflüssig, aber was ich mache, hat ja immer auch einen persönlichen Kontext. Aber für alle, die mehr wissen wollen:

StickerNation

z.B auf „seen“ klicken und im drop-down-dingens „linda“ oder „la rüsch“ raussuchen.