ölig

Kurz gedacht: Ölpreis, und dann, dass ich die Welt verstanden hätte. Habe ich aber nicht.

Saudi Arabien importiert alktuell russisches Heizöl zur Stromproduktion für die Klimaanlagen. Das saudische Öl selbst wird exportiert und zu Benzin raffiniert. Biden war gestern oder vorgestern zu Besuch beim Kronprinzen, zu sagen, Biden hätte den Kotau gemacht wegen Öl wäre wahrscheinlich ungenau.

Man könnte überrascht sein, dass Saudi Arabien nicht sanktioniert ist wegen der Ermordung von Jamal Khashoggi. Ich erinnere mich noch an die Stimmung unter meinen syrischen und libanesischen Kollegen am Tag nach der Tat. Auch ihre Regierungen würden Staatsfeinde ermorden, aber sie würden sich nicht erwischen lassen. Es war kein Stolz in dieser Feststellung, nur Fatalismus und schwarzer Humor.

Man könnte überrascht sein, dass die USA nicht sanktioniert sind wegen Guantanamo.

Während der Lockdown-Phase der Pandemie war der Ölpreis sehr niedrig. Der Ölverbrauch ist in der Regel ein Zeichen von Konsum. Wir konsumieren Produkte, deren Plastikverpackungen aus Erdöl hergestellt sind, oder die selbst aus Plastik bestehen: die Tastatur, auf der ich gerade tippe, die Synthetikfasern in meiner Kleidung. Die Produkte werden über die Weltmeere verschifft und die Tanker verbrennen Schweröl. Wenn wir Erlebnisse konsumieren, oder touristisch unterwegs sind, bringt uns ein Auto oder ein Bus oder ein Flugzeug von A nach B: mit Benzin oder Kerosin.

2020 war der Ölpreis einen kurzen Moment sogar negativ, unter anderem, weil es am Umschlagplatz in Cushing, USA, keine Lagerkapazitäten mehr gab.

In einer Rezession sinkt der Ölpreis, weil der Konsum zurückgeht. Vielleicht sind wir schon in einer Rezession, und merken es nur am Ölpreis nicht, weil die Verknappung durch die Sanktionen den Preis verzerrt. Gibt aber sicher auch andere Indikatoren, müsste ich mal recherchieren.

Saudi Arabien geht es jedenfalls gerade ziemlich gut, nehme ich an. Die Gewinne sprudeln. Russland ist geschwächt. Die Türkei hat Inflation. Der Libanon ist am Boden. In Syrien hungern die Leute. Die EU-Sanktionen gegen den Erzfeind Iran sind zwar aufgehoben. Der Iran ist aber nach wie vor von Swift ausgeschlossen. Und wer mit dem Iran handelt, kann in den USA keine Geschäfte mehr machen.

An den Flughäfen, die gerade wegen Personalabbau in der Lockdown-Phase und Covid-19-Erkrankungen des Personals im Chaos versinken, muss man immer noch die Schuhe ausziehen und darf nicht mehr als 100 ml Flüssigkeiten im Handgepäck haben. Das mit den Flüssigkeiten kommt aus der Zeit nach dem Terroranschlag des 11. Septembers durch Al Qaida, die übrigens unter anderem von Saudi Arabien finanziert wurden. Das mit den Schuhen vielleicht von Lockerby, ich bin mir da nicht so ganz sicher.

Wir müssen also die Schuhe ausziehen und die Flüssigkeiten in kleine Ziplock-Beutel packen. Maske tragen müssen wir nicht mehr, das ist Eigenverantwortung.

Den Nachrichten entnehme ich, dass in Deutschland über Fracking nachgedacht wird. Windräder wollte ja, wenn ich das richtig erinnere, die FDP nicht, weil es die Schönheit der Landschaft verschandelt.

Ich habe neulich versucht, das mit den schwarzen Kassen der CDU nachzurecherieren. Es gab sie länger, als ich gedacht hätte. Die Spender, oder wie soll man sagen, Geldgeber, wurden nur zu einem sehr kleinen Teil aufgedeckt. Vielleicht ist es so wie mit Khashoggi: alle Regierungen machen es, und nur die ungeschickten lassen sich erwischen.

Wir wissen, was das richtige ist. Bei Covid und bei der Klimakrise. Aber wir tun es nicht. Es hilft auch nicht, so meine ich, die Verantwortung auf die rein individuelle Ebene zu verschieben. Es würde alle brauchen, den ganzen Staat, ein konzertiertes Handeln.

Die Welt wird enden, und das Ende kommt näher.

weiß

Der Juni war sehr schön. Bin bisschen überrascht, dass der Monat schon vorbei ist. Er könnte sich ruhig noch einmal wiederholen, mit seinem hellen Licht und den weißen Nächten.

Glücklich gerade. Nicht immer, aber häufig, und wenn, dann mit einer Intensität, als würde es aus mir herausdrücken wie Knete aus einem Kinderspielzeug. Ich sitze auf dem Balkon, oder im Auto, oder in einem Lokal, oder am Badesee, und es ist ein perfekter Moment. Banal auch, ja, banal und bieder, der Wind weht, der Himmel ist blau, und dieses weiße Licht. In der Ferne singt ein Rasenmäher.

“Ich habe alles, was ich je wollte“, denke ich dann, und das stimmt natürlich nicht, aber ich denke es trotzdem, und das ist es ja, was zählt. Es kommt aus einem Teil von mir, der sehr gelitten hat, vor einer Dekade oder so, und sich nichts schöneres vorstellen konnte als auf dem Balkon zu sitzen, dem Oleander beim Blühen zusehen zu können und keine Sorgen zu haben.

Ich habe auch etwas mehr Zeit, jetzt, wo ich keine Karriere mehr mache.

Das Glücksgefühl hat immer auch einen leicht metallischen Geschmack, eine Schärfe oder vielleicht auch eine Würze. Es ist ein Glück in einer sehr instabilen Welt. Die Nachrichten kommen mir oft dystopisch vor. Ukrainekrieg, Energiekrise, Klimawandel, Inflation, Roe v. Wade, Boris Johnson, Jeffrey Epstein, und alle haben Covid, bis auf Epstein, der ist tot.

Neulich mit SGMaus über unsere Jugend geredet, wir sind gleich alt. Als ich Abiturientin war, hatte ich das Gefühl, dass die Welt immer besser wird. Jetzt wird sie immer schlechter. Oder liegt es an meinem Blick auf die Welt, dass ich die Dinge klarer sehe?

SGMaus erinnert an die Kohl-Jahre, jene bleierne Zeit. Ich spüre fast eine Nostalgie, dann aber doch nicht: ich wünsche sie mir nicht zurück.