22/30

Stimmung volatil und leicht verkatert vom Streit gestern.

Noch zwei Tage frei. Ich hatte geplant, frei von Zeitdruck lauter Dinge zu tun, die mir Freude machen. Für morgen hatte ich mir den Ghibli Pop-up Store vorgenommen, eine kurze TikTok Recherche hat aber ergeben, dass er aktuell wohl geschlossen ist wegen ausverkauft. Auch die Cheesecake Factory, deren Neueröffnung in einem Einkaufszentrum ich mir notiert hatte, existiert anscheinend nur in meiner Fantasie. Nicht einmal ein Besuch in der Autowaschanlage, meinem spirituellen Kraftzentrum, macht Sinn, da ich einen Gutschein habe, den ich aber erst nächste Woche einsetzen kann.

Immerhin hat wohl der Weihnachtsmarkt seit gestern geöffnet, so dass ich einen Crêpe essen kann, wenngleich ohne die zauberhafte Sarah.

Es fühlt sich an, als wäre alles gegen mich gerade, also sicherlich nicht alles, aber die kleinen Alltäglichkeiten, und ein paar wichtige Dinge auch, die sich dagegen verschworen haben, dass ich jetzt gerade eine gute Zeit habe.

Ich hatte fest vor, eine gute Zeit zu haben, stattdessen bin ich schlecht gelaunt und selbstmitleidig, während die Zeit verstreicht, die ich nicht wiederbekommen werde. Und ich weiß, das wird wieder besser, alles, aber trotzdem! ruft der wütender Zwerg in mir und schüttelt seine Faust.

21/30

Gestritten. Schwieriger Tag.

Ich sollte mir mehr aufschreiben, nicht nur verklausuliert hier, sondern Fakten und Erkenntnisse als Bullet Points.

Muster erkennen. Muster durchbrechen. Ein alter Wunsch, vielleicht vergeblich.

20/30

Ziemlich schöner Tag nach eher durchwachsener Nacht, ich bin für Hotelbetten nicht geschaffen. Langer Spaziergang, die Wälder und Weinberge in allen Schattierungen von braun getaucht; auch Gold ist dabei, wenn die Sonne hervorblinzelt. Am weiten Horizont wechselt das Wetter, graue Wolken ziehen vorbei, es regnet, dann wieder blauer Himmel versteckt in einer Lücke. Zwei oder dreimal zaubert sich ein Regenbogen herbei, mal zart, mal kräftig strahlend, den letzten bewundere ich schwimmend im Pool.

Keine Lust auf Negativität.

19/30

Zum dreitägigen Wellnessurlaub mit Muttern aufgebrochen. Zunächst leicht gedrückte Stimmung, weil wir schon in schöneren Hotels waren, in exotischeren Gegenden als Rheinland Pfalz, und in wärmeren Pools als 28 Grad. Dann ging aber die Sonne sehr schön hinter den Weinbergen unter, während ich im Außenpool dümpelte, und anschließend servierte uns eine sehr nette junge Frau drei köstliche Gänge. Zumindest ich bin gerade mit allem sehr zufrieden, und Entspannung setzt ein.

18/30

Ich mag die Jahreszeit gerade und das Wetter. Der Herbst verabschiedet sich langsam mit seinen Kürbissen und Kastanien, Nebel über den Wiesen und Rauch aus den Schornsteinen. Der Advent lugt schon um die Ecke, mit Zimt und Lebkuchen, Kerzen und Weihnachtsbeleuchtung, Er beginnt dieses Jahr so spät wie kalendarisch überhaupt möglich, nämlich am 3. Dezember.

Ich habe eine Playlist gemacht für diese Stimmung. Ich höre Musik immer gerne jahreszeitlich oder zumindest saisonal, manchmal auch nach Tätigkeiten, ich habe zum Beispiel eine, die beim Aufräumen immer sehr hilfreich ist, denn der äußere Rhythmus überträgt sich auf meinen inneren. Für Weihnachtslieder ist es noch zu früh, finde ich, aber Gitarrenmusik geht gerade gut und alles, was akustisch angehaucht und ein bisschen chillig ist.

Der Tag ist mir, wie das Samstags oft so ist, ein bisschen zerronnen. Zeitkonfetti. Ich plane eigentlich schon länger, abends mal einen Film zu gucken, Dune oder Godfather 2 oder mal wieder Margin Call. Es passiert nie, weil es sich fast schon wie ein Commitment anfühlt, denn ich möchte dem Film meine Aufmerksamkeit schenken. Idealerweise wäre natürlich auch alles, was ich mir für diesen Tag vorgenommen hätte, erledigt, und um zwanzig Uhr würde ich die Beine hochlegen und mit einem kleinen Snack in den Filmabend starten.

Hoffentlich erreiche ich dieses Level an Entspannung bald. Nicht, weil alles erledigt sein wird – das wird es ja nie sein – sondern weil ich bestimme, dass ich genug getan habe für einen Tag an einem Wochenende im November.

16/30

Auf einen Kaffee mit Frau Novemberregen getroffen, wir arbeiten ja nur wenige Meter horizontal voneinander entfernt, wenngleich in anderer Höhe. Ich bin häufig einige wenige Minuten vor ihr an unserem Treffpunkt, der sich natürlich genau in der Mitte zwischen uns befindet. Das liegt daran, dass ihre Aufzugsfahrt deutlich länger dauert.

Die erste Hälfte des Treffens sehr gut unterhalten worden durch die Schilderung ihrer Mittwochnacht, das war wirklich extrem amüsant anzuhören. Vielleicht bloggt sie noch darüber, sie ist aber heute Abend schon wieder unterwegs woandershin, hat also vielleicht keine Zeit.

Frau N. hat sich ein bisschen aufgeregt, weil ihr jemand anderes unterstellt hätte, sie hätte noch ein geheimes zweites Leben. Ich sag mal so: ihr würde ich es zutrauen, noch ein zweites Leben zu haben, auch wenn ihr erstes Leben bereits überaus aktiv scheint. Sie würde aber davon erzählen, davon bin ich überzeugt. Also, wenn sie Zeit hat.

Die zweite Hälfte des Gesprächs haben wir hauptsächlich gesessen, also nebeneinander, und dies und das durch unser Gespräch streifen lassen. Das kann man mit ihr immer sehr gut, finde ich: sitzen und die Themen heran- und wieder hinwegfließen lassen. Ich habe dabei ein kleines Stück Pizza gegessen, aus so einem Heißluftfön, war überraschend gut. Frau N. hat aus Gründen nichts gegessen, um nicht zu sagen: aus allen Gründen.

Als wir aufbrechen mussten, um wieder dem Kapitalismus zu dienen, regnete es. Ich hatte im Büro die Mitnahme eines Regenschirms geprüft, mich aber dagegen entschieden, eine offensichtliche Fehlentscheidung. Frau N. hatte keine Tasche dabei; sie trug einen dünnen, aber sehr schönen schmal geschnittenen hellblauen Mantel, in dem sie hervorragend aussah. Aus der Manteltasche zog sie einen Knirps – also einen Regenschirm. Und den hat sie mir dann geborgt. „Du hast ja den längeren Weg“, hat sie gesagt.

So eine Freundin ist Frau N.

15/30

Ich war heute auf einer Eigentümerversammlung, bei der die Hausverwaltung abgewählt wurde. Das war sehr spannend, fast wie ein sehr gutes Theaterstück.

Bei der Vertreterin der Hausverwaltung handelt es sich um eine junge Frau, vielleicht knapp 30, Mittelscheitel, Millenial, gebildet, ein bisschen verbissen, man traut ihr einen TikTok-Account zu, in dem sie vor allem die anderen kritisiert. Die Eigentümer im Durchschnitt eher jenseits der sechzig, graue Riege, weit mehr Männer als Frauen, nicht sicher, ob sie Die Zeit abonniert haben, auf jeden Fall Stiftung Warentest. Zur politischen Lage hätten sie jederzeit eine detaillierte Meinung. Sehr beeindruckt war ich aber von den beiden Männern im Verwaltungsbeirat: beide in meinem Alter, beides Praktiker und keine Akademiker, engagiert, aber nicht hungrig nach Aufmerksamkeit, statt intellektueller Spritzigkeit haben sie das Herz auf dem rechten Fleck und sie wissen, was richtig ist. Nette und angenehme Männer, denen begenet man ja nicht so häufig.

Jedenfalls: so eine Versammlung wird von der Hausverwaltung geleitet, es gibt eine Tagesordnung, und und bei Punkt fünf auf der Tagesordnung war musste sie ihre eigene Abwahl moderieren. Die Frau von der Hausverwaltung sträubt sich dagegen, es gab Erklärungen und halbherzige Versprechen, sie hat viel von Vertrauen gesprochen und vergeblich darum geworben. Sie hat versucht, das richtige zu sagen, aber mit jedem Wort wurde es irgendwie schlimmer. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie das Thema neutraler behandelt hätte.

Frau Novemberregen würde sagen schlecht gespielt, und ich überlege schon den ganzen Abend, woran es liegt. Die Frau von der Hausverwaltung hatte, vielleicht ohne es zu wollen, eine gewisse Überheblichkeit an sich. Als würde sie denken, man könne uns noch einmal für dumm verkaufen oder zumindest ein bisschen einlullen. Die Überheblichkeit zeigt sich natürlich auch daran, dass sie der Ansicht war, die Stimmung innerhalb der Sitzung drehen zu können. Dabei weiß jeder Politiker und auch fast jeder Manager, dass die Stimmen für Wahl eingeworben werden müssen, weit bevor man zu einer öffentlichen Sitzung zusammenkommt.

Fast tut sie mir ein bisschen leid, aber dann doch nicht. Die Hausverwaltung ist ein großes, deutschlandweites Unternehmen, es wird sich nicht viel ändern, alle wissen es. Auch die Frau von der Hausverwaltung.

Die Beschlussvorlage zur Abwahl wird mit deutlicher – aber nicht einstimmiger – Mehrheit angenommen. Die Frau von der Hausverwaltung nimmt es zu Protokoll. Als ich gehe, bedanke ich mich herzlich bei den beiden Männern vom Verwaltungsbeirat. Sie sind ein bisschen verlegen, aber vor allem: erleichtert.

14/30

Die meisten Tage haben einen Erzählbogen, sie beginnen am Anfang, und enden dann irgendwo anders. Manche Tage haben eine Haptik: Fell, Seide, Schmirgelpapier. Andere wiederum haben eine Geometrie, oder eine Symmetrie, die sich erst im Erzählen selbst zeigt.

Dieser hier war wie zähfließender Verkehr auf der Autobahn, im Dunkeln, im Regen. Rote Rücklichter, verschwommen, vierter Gang, achtzig, gleichförmig. Schwer zu sagen, ob ich seit zehn Minuten unterwegs bin oder seit zwei Stunden.

Angekommen bin ich jedenfalls noch nicht.

13/30

Eine ziemliche Durchmischung von privaten und beruflichen Themen heute im Home Office. Mit Handwerkern und mit Vodafone telefoniert, nach einem Steuerberater gesucht (erfolglos), zwei Ladungen Wäsche gewaschen, einen Urlaub im März geplant, paar Calls back-to-back, und bis gerade eben noch an einer PowerPoint Präsentation rumgeschraubt.

Mich sehr über ein Buch gefreut, das mir Joriste geschenkt hat und das heute ankam. Noch im Stehen darin rumgeblättert, mich festgelesen, wieder dreizehn gewesen.

Gerade im Wohnzimmer sacht auf und ab gegangen, den Duft der langsam trocknenden Wäsche in der Nase, leise Musik im Hintergrund. Gedacht, dass es ein ganz unglaubliches Jahr war. Delphine in Venice Beach gesehen, Buckelwale in der Bucht von San Francisco. Jede Menge Seelöwen und See-Elefanten. Walrösser. Ein Minky Whale, der sehr lange mit dem Schiff gespielt hat.

Die jungen Mädchen beim Cure-Konzert in San Diego. James von Twililight Sad, der in L.A. hinter der Bühne hervorkommt, sich still und leise neben die Zuschauer stellt und The Cure zuhört, wie sie Pictures Of You spielen.

Ich war heute auch ein bisschen grantig, aber es bleibt nichts haften.