Seit Montag steht ein Halteverbotsschild vor dem Haus, in dem ich wohne, gültig für Donnerstag. Ziehen neue Mieter ein?
Im Treppenhaus hängt ein Schild „Montage“ und „Stromausfall von 9.30 bis 11“. Was werden die wohl montieren?
Heute früh steht ein großer Kran vor dem Haus, der große, laternenmastähnliche Stahlrohre hochhebt, ich kann nicht sehen, wohin. Als ich mich anziehe, höre ich Bohrgeräusche über mir. Später will ich die Wohnung verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Über meiner Wohnung liegt nur noch der Trockenboden, ich höre Stimmen und gehe hoch. Drei Bauarbeiter stehen um den Rumpf eines Mastes herum, einen halben Meter im Durchmesser, mit Bolzen im Boden befestigt. Schräg darunter liegt mein Schlafzimmer.
Bevor ich sie frage, weiß ich eigentlich schon die Antwort.
„Was bauen Sie denn da?“.
„Mobilfunkmast.“
Archiv für den Monat: Mai 2008
Sakurako Kitsa
Diagonale schickte mir gestern über Twitter einen Link zu einem Bild auf Flickr, das eine besonders kunstvolle Bento-Box zeigt. Sakurako Kitsa heißt die Frau, die diese liebevollen Bentos macht. Trotz asiatisch klingendem Namen zeigt das Icon eine junge, blonde, blauäugige Frau, und so wurde ich neugierig, wie sie dazu kommt, Bentos zu machen. Lebt sie in Asien? Ich klickte auf ihr Flickr-Profil, und da stand:
Thank you all for the kind messages of concern and support. My activity is still strictly limited and I will be unable to do anything bento-related for some time.
Unfortunately, our daughter Cécile passed away following a premature delivery on 13 April. Her twin sister Madeleine is still alive, although we anticipate some severe complications with her upcoming birth. We appreciate the outpouring of kindness, thoughts and prayers.
Ich habe dann gegoogelt und ihr Blog gefunden. Zusammenreimen konnte ich mir folgendes: sie hatte bereits als kleines Kind Krebs, weil ihre Familie einem Karzinogen ausgesetzt war. (Ihre Mutter hatte Brustkrebs, beide Brüste wurden amputiert). Der Krebs hat sie wider Erwarten nicht umgebracht, aber die harte Behandlung hat ihre Gesundheit ruiniert. Sie ist als körperbehindert eingestuft und über Medicare versichert. Aufgrund der Strahlenbehandlung galt sie als unfruchtbar, bis sie letzten Winter von ihrem Freund Justin (dem Empfänger der Bentos?) mit Zwillingen schwanger wurde. Cécile, so ist oben zu lesen, wurde zu früh geboren und ist gestorben. Als ich heute morgen wieder in ihr Blog reinschaute, habe ich verstanden, daß etwas später auch Madeleine geboren wurde und gestorben ist, eine Information, die ich gestern noch nicht prozessieren konnte: wie kann einem Menschen so viel Unglück zustoßen?
Im Dämmerlicht auf dem Weg zum Parkplatz habe ich darüber nachgedacht, wann ich das letzte Mal körperliche Schmerzen hatte. Es gibt Menschen, die zählen die schmerzfreien Tage, nicht umgekehrt.
Ich bin dankbar für diesen Körper, der so zuverlässig funktioniert. Ich weiß, daß das keine Selbstverständlichkeit ist.
(ohne Titel)
Ich träume, daß ich dir ins Gesicht schlage, mit zwei Schritten auf die zugehe und Dir einfach eine runterhaue, voller Wut. Du nimmst den Schlag mit leichtem Trotz, du weißt, du hast es verdient und kannst doch nicht ändern, was der Grund dafür ist. Als du mich mit deinen dunklen Augen ansiehst, legt sich Begehren wie ein sanftes Tuch auf meine Wut: wie schön du bist, kräftig und jung, aufrecht wie eine Säule, und wie du leuchtest, leuchtest. Ich will dich, und ich kann dich nicht haben.
Ich wache auf, stehe auf, mache Kaffee, ziehe mich an, male mir ein Gesicht und schlüpfe in die, die ich tagsüber bin. Meine Hände arbeiten von selbst, alles Routine, wähend mein Geist noch mit dem Traum beschäftigt ist. Es scheint einen Ort der wilden Emotionen in mir zu geben, so tief, es bliebe dem Computertomographen verborgen, so tief, man müßte mir das Brustbein aufsägen, um ranzukommen. Seltsam, ausgerechnet dich dort zu finden, wo ich doch dachte, ich könnte dich abwaschen wie Staub oder Smog. Vielleicht ist es nur ein Bild von dir in meinem Kern, um das nun das Magma meiner Emotionen kocht und brodelt. Wut und Lust verschmelzen, das kommt mir nicht richtig vor, doch jene Instanzen, die urteilen, gibt es nur außen, nicht innen. Ich schließe die Tür und gehe zur Arbeit, und auch mich verschließe ich, so gut ich kann.
der Brand
Ich bin gerade aufgewacht. Ich träumte, jemand hätte sich auf dem Feld neben meinem Elternhaus das Leben genommen, nun wäre Polizei und Ambulanz da mit ihren roten und gelben Warnlichtern. Diese Lichter waren kein Traum, sondern kommen durch mein Schlafzimmerfenster, das auf die Straße rausgeht. Aha, denke ich leicht verärgert, gibts mal wieder eine Kleinrazzia in dem Internetcafé/ Hort der Kleinkriminalität nebenan. Drehe mich um, mache die Augen auf und aus der Wohnung gegenüber schlagen helle Flammen. Vier Löschzüge der Feuerwehr sind da. Ein Feuerwehrmann bringt eine sehr alte Dame, weißhaarig, gebückt, im fliederfarbenen Schlafanzug, aus dem Haus hinaus. Sie ist barfuß. Einen Augenblich später folgen zwei Erwachsene, einer mit einem Kind auf der Hüfte, das Kind ist vielleicht fünf. War knapp.
Die Flammen machen mir Angst und die Barfüßigkeit der Menschen.
Das Fenster, aus dem die Flammen schlugen, liegt meinem Schlafzimmerfenster genau gegenüber: nah, nur durch fünf Meter Straße getrennt. Lange Zeit wohnte niemand hinter diesem Fenster, und daneben ältere Leute mit dicken, schwere Vorhängen, die immer geschlossen waren bis auf Dienstags, da kam immer die Putzfrau. Ich konnte mich also immer recht ungestört an- und umziehen, bis vor einem halben Jahr jemand einzog. Die Wände wurden liebevoll gestrichen, soviel konnte ich sehen, mit einer halbhoch angebrachten, blauen Bordüre, was ich etwas kitschig fand. Als nächstes haben sie einen halbhohen Sichtschutz aus blaugestreiftem Stoff installiert, wie man es manchmal an Küchenfenstern hat. Gestern morgen war diese Halbgardine verrutscht, das weiß ich noch. Jetzt ist da nur noch ein ausgebranntes Loch.
Ich hoffe, der Mann, der da gewohnt hat, war nicht zuhause, ansonsten wars das wohl. Wie zerbrechlich doch alles ist, im Grunde genommen. Wir sind uns dem meist nicht bewußt, könnten sonst wohl auch nicht aktiv und sorgenfrei leben.
Es wird langsam hell. Morgengrauen. Der Dachstuhl raucht noch ziemlich. Bizarrerweise hat es heftig geregnet.
Ich gehe den Rauchmelder suchen und hoffe, noch ein wenig schlafen zu können, wenn die Löschzüge abgezogen sind. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, die Sorgen draußen zu halten.
soll ich dich ein Stück mitnehmen?
erso: „schicke Autositzbezüge. Was bedeutet denn das chinesische Schriftzeichen?“
ichso: „danke, hab ich geschenkt bekommen. Eine Bekannte meinte, das Schriftzeichen steht für Liebe.“
erso: „aha. Ist bestimmt verkaufsfördernd. Love sells.„
ichso: „nee. love hurts. „
erso: „ sex sells! „
Wir haben dann beide ein bisschen gelacht.
Erste Hilfe
Ich habe mir die rechte Hand verbrüht. Ich hatte mir Tee gekocht, so wie jeden Vormittag, und die Teekanne und Teetasse von der sogenannten Teeküche zu dem Büro getragen, das ich mir mit einem Kollegen teile. Der Kollege war anderswo und hatte, wie es bei uns üblich ist, das Büro verschlossen. Also balancierte ich die Kanne mit dem dampfenden Tee und die Tasse, während ich versuchte, die Tür aufzuschließen. Ich habe das schon zweihundert Mal gemacht, aber diese Mal geriet etwas aus dem Gleichgewicht, und ein Schwall heißen Tees schwappte über meine Hand.
Ich lies Kanne und Tasse fallen, schleuderte sie beinahe von mir weg, ging eine Tür weiter, qualvolle Sekunden, während ich aufschloß und den Wasserhahn aufdrehte. Es war kein Schmerz, sondern eher ein Gefühl von gleißendweißer Intensität, ein Schock, ein Herauskatapultiertwerden aus der Alltäglichkeit mit einem völligen Verschieben von Prioritäten. Ich hatte große Sorge: werde ich Brandblasen bekommen? Werde ich die Hand die nächsten Tage benutzen können? Ich kühlte lange Zeit unter fließend Wasser, während meine Kollegen die Teeexplosion im Gang aufwischten. Dann kühlte ich mit einem Eisbeutel. Meine Hand pochte dumpf. Als ich am Abend eine kühlende Salbe aus der Apotheke holte, ging es mir schon fast wieder gut. Am nächsten Tag war ich zur großen Überraschung aller, besonders zu meiner, wieder gesund. Hin und wieder schaute ich auf meine Hand, verblüfft, daß nicht die kleinste Spur zu sehen war, als wäre das alles nie passiert. Die erste Hilfe – das Kühlen unter fließendem Wasser – war wirklich effektiv.
Auch in Herzensdingen scheine ich Mechanismus, ein erste-Hilfe-Konzept zu besitzen. All die Männer, die ich überwunden habe, ich weiß, wie es geht. Schadensbegrenzung.
Es ist gut und wichtig, daß ich das kann, sonst würde vielleicht nicht viel gehen, und weiter gehen muß es, muß ich. Trotzdem erschreckt es mich manchmal, daß ich dich vergesse, langsam, Stück für Stück, wissend, daß ich es irgendwann nicht mehr merken werde, wenn ich dich vergesse.
Ich wünsche dir, daß du ein Mädchen triffst. Sie wohnt nur ein paar Stationen von dir entfernt. Sie ist in deinem Alter, sie mag die gleiche Musik wie du, ihr geht zusammen auf Konzerte. Sie ist auf sympathische Weise naiv, nicht so ein Grübler wie ich, sie analysiert nichts. Irgendwann wirst du den Arm um sie legen und sie küssen, und es wird gut und richtig sein. Glaub mir, wenn ich dir sage: ich wünsch‘ dir alles Gute. Das ist kein Glückwunschkartenspruch.
Und ich? Mir kommt oft ein seltsames Bild in den Sinn: wie ich, auf dem Gang neben einer Lache aus Tee sitzend, den Rücken an der Wand, meine rechte Hand geschockt betrachte, die rot und schmerzend Blasen wirft. Was soll dieses Bild? So wars doch nicht, so ist es nicht. Natürlich könnte man sich super selbst bemitleiden, Queen of Pain, aber das ist mir zu pubertär. Ich kühle mich lieber runter, werde Tundra.
Nur manchmal bin ich traurig, weil ich noch nicht vergessen habe, daß alles irgendwie schöner war, die Farben kräftiger, als es noch die Möglichkeit gab von dir & mir.
Tagesgeschäft
The Cure haben einen sehr schönen Song: Charlotte Sometimes. Als Inspiration für diesen Song diente ein Jugendbuch gleichen Titels (ich habs gelesen und fand es ganz okay. Song ist besser.) Die Autorin dieses Buches, Penelope Farmer, erzählt nun in ihrem Weblog, wie sie Robert Smith 1996 getroffen hat [1, 2]. Bezaubernd!
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Mittwoch Nacht, anstatt meinen Vortrag für Donnerstag vorzubereiten, zwei Stunden einen Dokumentarfilm geschaut. Es geht um Paul aus Eisenach, aufgewachsen in einer linken Hausgemeinschaft, der als Model entdeckt wird. „Entdeckt“ bedeutet hier nicht Castingshow oder Katalogbeilagen, sondern Prada und Galliano. Ein Artikel in der taz beschreibt recht treffend, warum mir dieser Film so gut gefallen hat.
In einer Szene wird ein Hausbewohner, der Paul hat aufwachsen sehen, gefragt, ob er Paul schön findet. Seine Antwort: „wenn man jemanden liebt, findet man ihn immer schön.“
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Er ist 25. Ich kenne ihn nur flüchtig, er hat manchmal mit dem Kollegen zu tun, mit dem ich ein Büro teile. Wir haben eine Art Gangbekanntschaft. Ich habe ihn längere Zeit nicht gesehen, als er wiederkommt, hat er sich eine Glatze rasiert.
„Warum hat er sich den Kopf rasiert? Sieht doch scheiße aus!“, sage ich zu meinem Kollegen. Und der Kollege sagt:
„Er hat sich nicht den Kopf rasiert.“
„Oh“, sage ich.
Krebs mit 25.