in der Rückschau

Frau Novemberregen sieht heute sehr gut aus, in einem altrose, sehr elegant geschnittenem Business-Oberteil, drüber ein schwarzes Jäckchen, die Haare akkurat geschnitten. Im Hintergrund läuft mal wieder ihre Waschmaschine, gerade hat sich ihr Mann ein Bier vom Balkon geholt, und eine der beiden Katzen liegt hinter ihr zusammengerollt. Wir sind – wie fast das ganze letzte Jahr – per Videokonferenz miteinander verbunden.

Den März über, vielleicht auch schon seit Februar, bin ich in so einem seltsamen Rückschaumodus. Nicht unbedingt nostalgisch, nein. Ich erinnere mich intensiv daran zurück, wie vor gut einem Jahr die Pandemie hochgekocht ist. Wie ich das letzte Mal mit einer Freundin essen war. Wie wir einen Faschingsumzug angeschaut haben. Wie ich im Büro ins Komitee aufgenommen wurde. Wie wir damals noch dachten, das wird wie die Schweine- oder Vogelgrippe, jede Menge Notfallpläne, die in der Schublade verschwinden werden. Wie die Meetings dann häufiger wurden, größer, prominenter besetzt, und dann, beinahe schlagartig, aufgehört haben. Eingebrannt in mich, wie bei einer der letzten Meetings ein sehr erfahrener Kollege aus Italien beinahe geheult hat, oder vielleicht auch tatsächlich.

Ich habe darüber geschrieben, wie es für mich war – am Tiefpunkt oder am Beginn davon: for want of a screw. Es erschien mir damals möglich, dass wir untergehen könnten. Darüber hinaus gab es für mich vor allem eine absolut bedrohliche Sorge: was mache ich, wenn jemand von denen, für die ich mich verantwortlich fühle, stirbt?

Ich kann es nicht verhindern.

Ich habe es vielleicht verhindert, ohne es je zu wissen.

Ich habe getan, was mir zum jeweiligen Zeitpunkt vernünftig, richtig und angemessen vorkam.

So ein Archiv hilft jedenfalls bei der Rückschau, und der Blick zurück kann helfen, das semitraumatische besser verarbeiten zu können, auch wenn alle immer nur sagen, man solle nach vorne schauen.

Fürs Archiv also: die Stimmung in Deutschland – zumindest in dem, in dem ich lebe – ist gerade außergewöhnlich schlecht. Der Impfstoff von Astrazeneca wurde aus dem Verkehr gezogen, unklar, ob kurz- oder langfristig. Große Diskussion ob der Verhältnismäßigkeit, und woran man lieber stirbt. Großbritannien hat über 40% aller Erwachsenen zumindest einmal geimpft, Deutschland ungefähr 6%, erstickt in Bürokratie.

Meine Mutter hat heute ihren ersten Impftermin zugeteilt bekommen. Damit hat sich mein derzeit größtes Problem nahezu aufgelöst.

Ich erwarte, heute Nacht gut zu schlafen. Ich erwarte, dass sich eine Last von meinen Schultern hebt, zumindest ein bisschen, dass die bleierne Zeit sich dem Ende entgegenneigt, dass die Erstarrung Risse bekommt und ich wieder Lust, etwas neues zu erleben.

Wir werden sehen, wie gut meine Worte altern werden, in der Rückschau.

zu Archivzwecken

Heute ein bisschen über die Liebe nachgedacht, also meine Liebe zu Männern. Ich lebe ja schon sehr lange ohne Männer und bin, wie meine zauberhafte Freundin Sarah einst sagte, „der glücklichste Single, den ich kenne“. Mir fehlt aber auch was, das ist ganz klar: Schultern und Lippen, Umarmungen, halten und gehalten werden, jemanden anschauen und ganz hin und weg sein von ihm. Jemanden berühren und beobachten, wie sich die Atmung ändert. In Ekstase geraten, sich selbst verlieren, nebeneinander liegen, wachsweich. Vielleicht auch mich selbst in einer anderen Rolle spüren, nicht nur die, die ich im Beruf bin, die, die ich als Freundin bin, oder die, die ich als Tochter bin.

Ich bin ein bisschen vernarbt, was die Männer angeht, innendrin, oder vielleicht das Gegenteil, wund und roh. Ich habe deswegen beschlossen, so gut wie man das überhaupt kann, mich aus allem rauszuhalten. Ich bin nämlich – und das ist mir selbst unerklärlich – sehr begeisterungsfähig, und stehe bei schönen und interessanten Männern sofort meterhoch in Flammen. Kann dann an nichts anderes mehr denken, die Arbeit leidet, erotische Gedanken quälen mich, ich gehe unnötige Risiken ein, und dann endet sie, die Liebe, oder das, was ich dafür gehalten habe. Es endet immer, manchmal früher, manchmal später, meistens in Trümmern.

Es hat sich daher in meiner jetzigen Lebensphase eine interessante Gleichzeitigkeit herausgebildet: ein interessanter Mann sagt hallo, ich gehe sofort in Flammen auf, und wende mich schnellstmöglichst aus Angst um mein ruhiges Leben ab. Mein Leben bleibt ruhig, aber die scharfen Kanten der Fehlstellen drücken ein paar Tage schmerzhaft.

Die Angst, die ich spüre, kommt mir ein bisschen außerhalb des Normalbereichs vor – aber noch nicht therapiebedürftig. Ich halte es trotzdem zu Archivzwecken hier einmal fest.

Es gilt auch hier die Parabel vom Torwächter. Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen? So wie es aussieht, bleibe ich lieber draußen.

swimming the same deep water as you is hard

Mein Einstieg ist heute ein bisschen langweilig, zumindest für Aussenstehende, aber bear with me:

The Cure hatten mal ein Bandmitglied namens Lol (Abkürzung für Laurence). Lol ist Gründungsmitglied von The Cure, denn er hatte das Glück, mit Robert Smith zur Schule gehen zu dürfen. Das ist ja oft so bei den Bands, einer hat Talent, und ein paar andere gelangen Huckepack zum Erfolg, weil sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort etc.

Bei Lol war es sicherlich nicht das musikalische Können, das ihn ausgezeichnet hat. Erschwerend kam hinzu, dass in der Band immer viel gesoffen wurde, und Lol wohl ganz besonders viel, er war Alkoholiker. Seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit wurde dadurch kompensiert, dass er vom Schlagzeug zum Keyboard (einem weniger wichtigen und möglicherweise auch automatisierbaren Instrument in der Musik von The Cure) wechselte, in den späteren Jahren wurde dann ein zweiter Keyboarder eingestellt, gerüchteweise wurde das Keyboard von Lol während der Konzerte nicht mehr an die Lautsprecher angeschlossen.

Zum Bruch kam es während den Aufnahmen zu Disintegration 1989: seine Meinung zum neuen Album, nämlich dass es Shit wäre, brüllte er im Studio hemmungslos heraus. Dann, und erst dann, konnte sich Robert von ihm trennen, und hat ihn gefeuert. Lols eigener Beitrag zum Album war praktisch nichtexistent. Disintegration gilt bis heute als das beste Album von The Cure und möglicherweise als eines des besten Alben der Musikgeschichte.

Vor ein paar Jahren ist Lol wieder aufgetaucht, er hat ein Buch geschrieben über seine Zeit in der Band und über seine Alkoholkrankheit. Es ist ein mittelmäßiges Buch, stark im ersten Fünftel, als es um das Heranwachsen im Thatcher-England der 1970er geht; dann hauptsächlich auf die Suchterkrankung abzielend, mit kurzen Momenten der Selbsterkenntnis und Selbstreflektion, letztendlich aber voller Entschuldigungen und Ausflüchte, wo ich mir die Übernahmen von Verantwortung gewünscht hätte. Über seine Zeit in der Band erzählt er wenig, und fast nichts, dass ich nicht anderswo schon besser gelesen hätte. Ich hoffe, dass er sich mit seiner Erzählung zurückgehalten hat, um die Privatsphäre von Robert und den anderen zu wahren, vermute aber, dass er schlicht keine Erinnerungen mehr hat an mehr als zwei Dekanden in einer großartigen Band.

Was mich an der Geschichte fasziniert, das ist, dass die Band Lol sehr lange mitgetragen hat, jahrelang sogar, ohne dass er etwas beigetragen hat. Und dass es so noch jahrelang hätte weitergehen können, wenn Lol sich nur ein winziges kleines bisschen zusammengerissen hätte.

Dieses Phänomen, dass jemand durch Glück und Privileg in eine Rolle hineinrutscht, um die ihn viele beneiden, und dies dann grob fahrlässig zerschlägt, das beobachte ich interessanterweise auch im beruflichen Kontext, zum Beispiel in meiner eigenen Organisation. Die mit den Privilegien sind meist ältere, weiße Männer – keine Ahnung, ob das Zufall ist oder eine Regel. Die Organisation hält an ihnen fest, jahrelang, es gelten allerhand Ausnahmen, Leistung wird schon längst keine mehr erbracht. Die Männer benehmen sich schlecht, sie machen anderen das Leben schwer, sie sind lästig, sie sind peinlich, alle reden hinter vorgehaltener Hand schlecht über sie. Aber man hat sich auch irgendwie an sie gewöhnt. Zur späten Stunde und im vertrauten Kreis sagt man man müsste mal und dem müsste man es mal so richtig zeigen, aber dann wird es Morgen, und man macht es doch nicht.

Die Trennung kommt, wenn sie überhaupt kommt, erst sehr spät, und erst nach dem Eklat, wenn wirklich alle Masken gefallen, alle Worte gesprochen und nichts mehr zurückgenommen werden kann.

Danke, liebe Lesenden, dass sie bis hier durchgehalten haben, ich komme nun zum Punkt:

Ich frage mich, was in diesen Menschen, in diesen Männern vorgeht. Ich versuche, mich in sie hineinzuversetzen, es gelingt mir ganz besonders schlecht, weil ich als Charakter recht leistungsorientiert bin. Ich versuche es trotzdem. Ich versuche mich in jemand hineinzuversetzen, der nicht dumm ist, und der – aus den unterschiedlichsten Gründen – beschlossen hat, nur noch das absolute Minimum zu tun, um gerade so durchzurutschen. Und gerade hier scheitere ich, denn sie tun ja nicht einmal mehr das absolute Minimum, die Limbostange liegt praktisch auf dem Boden, und dann wird sie abgefackelt und draufgepinkelt.

Warum? Wo ist der Gewinn? Cui bono?

Wenn du gehen willst, dann geh doch? Geh und mach eine eigene Band, die viel bessere Musik macht, geh zu einer anderen Frau, die viel schöner und interessanter ist, oder geh zu einem anderen Arbeitgeber, der dir einen besseren Titel und viel mehr Geld gibt. Geh, und halte den Kopf oben, aber geh.

Warum also? Geht es darum, geliebt werden zu wollen, dazuzugehören, auch wenn man alles immer nur kaputtschlägt? Ich kenne solche Leute auch, instabile Bindungen in der Kindheit, aber hier wechseln sich Phasen der Leistung, gar der Brillianz, mit Phasen der Verweigerung und Unzugänglichkeit ab. Die Unzuverlässigkeit, die als Kind erlebt wurde, wird abgebildet.

Aber diese komplette Leistungsverweigerung, die absolute Non-Compliance, being a pain in the ass, jahrzentelang – was hat es damit auf sich? Wenn es so viel zu verlieren gibt?

Vielleicht weiss jemand eine Antwort in den Kommentaren.

Aneinanderreihungen

Ich habe heute auf Twitter gefragt, worüber ich schreiben soll. Die Antworten, in keiner besonderen Reihenfolge, waren:

Frau Novemberregen. Musik. Geschmacks- und Geruchserinnerungen. WmdedgT. Das Atomkraftwerk. Augenarzt. Frühling. Meine Mutter. Seifenblasen. Nicht über Corona.

Frau N. liess mich etwas warten und isst nun Taboulé mit Halloumi. Sie ist heute sehr gut gelaunt, möglicherweise wegen des bald anstehenden Friseurtermins. Wir sprechen erst über Halloumi (findet sie nicht akzeptabel wegen Mundgefühl, ich hingegen mag Halloumi gerade deswegen manchmal sehr gerne, dafür halte ich nichts von Fallafel, das ist wie frittierter Pappkarton, meine Meinung!), dann ausführlich über Kochboxen (es sind interessante Ideen und Tricks dabei, das ganze ist aber zu normiert). Zum Schluß zeige ich ihr meine kleine Vorratshaltung (wegen mottensicheren Behältern) und nochmal kurz meinen Kühlschrank (wegen unserer synchronen Hüttenkäse-Obsession). Zwischendurch sprechen wir noch kurz über ihr Büro („alle irre“) und über jemanden, den ich verachte.

Ich freue mich immer, wenn es Frau N. gut geht, so wie heute. Vor zwei, vielleicht drei Jahren hatten wir mal ein Gespräch über Ziele und Weiterentwicklung im Leben. Frau N. sagte – und ich konnte das damals noch nicht so gut verstehen – dass sie sich eigentlich nur wünscht, dass alles so bleibt, wie es ist.

Es ist nichts so geblieben, wie es war.

Frau N. hatte die letzten Tage, vielleicht auch die letzten Wochen, sehr schlechte Laune. Das ist eben manchmal so, sagt sie, zu viel los, zu wenig Schlaf, zu müde tagsüber. Sie nimmt es mit einem Achselzucken hin, aber in mir bleibt ein Gefühl der Ungerechtigkeit Frau N. gegenüber, auch wenn ich weiß, dass einem das Leben nichts schuldet, es kein Schicksal gibt, nur Zufall, eine Aneinanderreihung von Ereignissen.

Ich würde ganz gerne mal den Film mit der alternativen Realität sehen, wo die Würfel für Frau N. an der einen oder anderen Stelle anders gefallen wären. Sie hätten besser fallen können, fallen sollen, aber – und das wird mir erst beim Tippen klar – auch sehr viel schlechter. Schrecklich, das zuende zu denken.

Heute wieder viel Billie Eilish gehört. London Grammar bringen ein neues Album raus, aber erst im April. The Cure sagen ja schon seit zehn Jahren, dass sie ein neues Album raus bringen, hoffentlich stirbt niemand vorher. Manchmal höre ich auch gerne Fahrstuhlmusik, oder besser Loungemusik, die genau so auch beim Hotelfrühstück in Dubai gespielt werden könnte.

Hotelfrühstück mit Wassermelone, draußen sitzen, es wird dreißig Grad werden, sind aber gerade erst fünfundzwanzig im Februar, die Farben strahlen, knallblauer Himmel, der Pool, das Meer, ein sanfter Wind wie ein Streicheln über die Oberarme, die nackten Zehen, und gleich Sonnencreme und ein Strandspaziergang.

Indes, wir sind hier. Was machst du eigentlich den ganzen Tag? Schlecht geschlafen, so um halb sechs aufgewacht, liegengeblieben bis um sieben, matt gefühlt, kraftlos, keine Lust, bisschen Magenprobleme. Kleine Morgentoilette, Emails auf, Todesfall in der Familie einer Kollegin. Verschiedenes hin- und herorganisiert. Telefonate zu verschiedenen Themen. Mit einer Mitarbeiterin telefoniert. Blumen geliefert bekommen. Mit meiner Mutter gesprochen, ihr geht es ganz gut und sie hatte sich schick gemacht für den Hausarzttermin, Stimmung aber manchmal doch sehr schwankend. In der Mittagspause Lebensmitteleinkauf. Schlechten Fertignudelsalat zu Mittag. Bisschen auf dem Balkon gestanden und die Frühlingsluft genossen, fast zwanzig Grad, auch nicht schlecht, und der Himmel hellblau mit schwachem Mond. Videokonferenz, Brötchen tiefgefroren, längeres Telefonat, Feierabend.

Mit den Augen habe ich aktuell ein Problem. Das Problem war so groß, dass ich zum Arzt gegangen bin, was ich bekanntlich nur im äußersten Notfall tue. Der Arzt hat gesagt: zu viel Bildschirmarbeit.

Ich nehme jetzt Augentropfen und immer meine Mittagspause.

Aktuell verschafft mir die Organisation wahrscheinlich eher ungewollt eine kleine Atempause, und ich kriege täglich nicht mehr 150 Emails, sondern nur noch 100. Mal sehen, wie lange es hält.

Im Bürgermeisteramt bin ich mittlerweile gut angekommen, auch das Atomkraftwerk läuft rund, vielen Dank. Visitenkarten habe ich mittlerweile auch drucken lassen. Verschiedene Kolleg:innen arbeiten ein bisschen daran, dass ich mittelfristig sowas wie Ministerpräsidentin werde. Eine meiner Emails heute war ein Hinweis, ich solle doch dringend Committee Member werden, das ist anscheinend ein guter Karriereschritt und fördert die Visibilität. Augen braucht man dafür aber auch.

Die Seifenblasen schillern, leicht und klar und regenbogenbunt, eher sie zerspringen.

Das Schöne am Schreiben ist, dass es eine gewisse Sinnhaftigkeit erzeugt. Das, was erlebt wurde, zufällig, wird umgedichtet in eine Geschichte, die ein Anfang, einen Spannungsbogen, einen Sinn und vor allem eine Pointe hat. Wenn ich schlechte Laune habe, dann kann ich keinen Sinn entdecken in den aktuellen Aneinanderreihungen, die mein Leben sind: Arbeit, TikTok, schlafengehen. Arbeit, Supermarkt, bloggen. Arbeit, Wäsche waschen, Twitter. Vielleicht habe ich gerade deswegen schlechte Laune.

Das ist eben manchmal so, sagt Frau N., und wir reden, und wir bloggen, und es geht wieder besser.

Knöpflein

Sonntagsausflug mit meiner Mutter in den Wald, ordentlich Schnee, leider machen auch alle anderen Menschen einen Sonntagsausflug in den Wald, deshalb ist es nicht so leer, wie meine Fotos auf Twitter vermuten lassen. Was will man sonst auch machen, an einem Sonntag.

Beim Einsteigen ins Auto, während wir Mäntel auszogen und Schneeschuhe zu Autofahrschuhen wechselten, über Knöpfchen nachgedacht. In meiner Kindheit war das ein häufig gesprochener Satz, mach doch mal das Knöpfchen hoch, oder mach doch mal das Knöpfchen runter, oder das Knöpfchen ist oben!, und es bezeichnete das Entriegeln der Autotüren. Ich hatte noch relativ lange, bis etwa 2008, ein solches Auto. Nach Konzertbesuchen oder nach dem Club sagte ich manchmal zu meiner Beifahrerin: mach sofort das Knöpfchen runter nach dem Einsteigen, das war so eine Urangst, dass jemand hinten eine Tür aufmacht und einsteigt, ungefragt, ungewollt, bedrohlich.

Auf der Rückfahrt mit meiner Mutter über Knöpfchen gesprochen, sie ergänzt noch ist überall das Knöpfchen unten?, häufige Panik bei diversen Urlaubsreisen. Ich hab ja so eine kleine Zwangshandlung, nach dem Abschließen immer überprüfen zu müssen, ob das Auto auch wirklich abgeschlossen ist, und mir wird gerade klar, woher das kommt. Einklappende Seitenspiegel haben mir hier sehr geholfen.

Frau N. hat heute auch schon über Autos gesprochen, morgen darf sie nämlich ins Büro, sie ist schon ein bisschen aufgeregt und sehr gut gelaunt, im Anschluß noch in die Werkstatt, Rücklicht reparieren lassen, dass man das auch selbst machen kann, spare ich mir ihr zu sagen, irgendwann will man im Leben manche Sachen nicht mehr selbst machen. Außerdem möchte sie noch durch die Waschstraße und ist total entzückt, weil wohl wahrscheinlich auch die Innenreinigung geöffnet ist. Wir reden eine Weile gleichzeitig über Börsengänge und Waschstraßen, beides gleich wichtig.

Meine Mutter hat auch eine Autogeschichte, und zwar erzählt sie mir, während wir nach Hause fahren und der Schnee immer weniger wird und entfärbten Februarwiesen weicht, vom ersten Auto ihrer Mutter, also meiner Großmutter. Das erste Auto war natürlich ein VW Käfer, interessanterweise war es auch das letzte Auto, allerdings ein moderneres Modell. Meine Großmutter hat recht früh den Führerschein gemacht, 1955 oder so, ungewöhnlich für eine Frau, aber sie war ja auch verwitwet und wusste, dass Mobilität der Schlüssel zur Unabhängigkeit ist. Meine Mutter erzählte, dass sie als Kind in jenem ersten VW Käfer beim Abbiegen einen Knopf drücke durfte, und dann sprang an der Seite der Blinker heraus, also ein gelbes, reflektierendes Teil, das den Richtungswechsel anzeigte.

Ich staune. Ich frage meine Mutter, ob der Käfer damals Sicherheitsgurte hatte, und sie verneint.

Ich kann mir keine Welt vorstellen, in denen es keine Sicherheitsgurte gibt. Ich meine – und vielleicht irre ich mich da – dass ich mich mein ganzes Leben lang anschnallen musste, auch auf der Rückbank, und zumindest, wenn man nicht in der Mitte sitzen musste, auch schon mit einen Dreipunktgurt.

Als ich Kind war, gab es noch kein Internet.

Noch so ein Gedanke, der mir neulich kam, eine Feststellung irgendwo auf den kleinen Wegen zwischen Schreibtisch, Kühlschrank, Badezimmer und Bett, die einem gerade noch so bleiben: dass ich mich an das Leben, wie es gerade ist, gewöhnt habe. Zuhause arbeiten, Videokonferenzen, niemanden treffen, nirgendwo hingehen. Es ist normal geworden, ich nehme es schulterzuckend hin. Resilienz ist das, eigentlich gut, aber sollte ich nicht mehr Rage haben, wütender sein – nur, wogegen?

Alles ändert sich, immer. Wenn ich darüber nachdenke, bin ich damit grundsätzlich unzufrieden, aber wenn ich nicht darüber nachdenke, dann nehme ich es hin, einfach so, ohne es so richtig zu merken.

Wir haben lange geglaubt, dass alle Änderungen eher Verbesserungen sein würden: Zentralverriegelungen, Internet, Streaming-Dienste, Handyticket. Es könnte auch eine Zukunft kommen, in der wir viel mehr verlieren als nur die Möglichkeit, zum Friseur zu gehen.

Besser nicht drüber nachdenken.

Leuchtende Beispiele

Ob es auch Menschen gibt, für die der sogenannte Lockdown, also das Herunterfahren des öffentlichen Lebens und die Kontaktbeschränkungen, das beste sind, was ihnen je passiert ist?

Ich denke da zum Beispiel an jemand mit einem Drogenproblem, sagen wir: ein junger Mann, in Ausbildung, aber es gab schon ein paar Konflikte und ernste Verwarnungen, weil er jedes Wochenende feiern geht mit seinen Freunden, die Nacht zum Tag macht, Montags öfter blau oder übermüdet oder neben der Spur. Dass es von den Drogen kommt, weiss im bürgerlichen Leben niemand, ahnt es höchstens. Und jetzt – alle Clubs geschlossen, die sogenannten Freunde treffen sich nicht mehr, die Drogendealer sind nicht erreichbar. Erst findet er es schwer erträglich, rastlos, dann wird es besser, er spürt etwas anderes in sich, an sich, beruflich läuft es jetzt richtig gut, und als die alten Freunde wieder anrufen, da geht er nicht ran. Paar Tage später verliert er das Handy, neue Nummer, und das wars dann.

Oder eine Frau, vielleicht schon Anfang dreißig, bei der es am Monatsende immer knapp war, die jongliert hat zwischen verschiedenen Kreditkarten, auch mal einen Kredit aufgenommen hat, der Dispo eigentlich immer am Anschlag. Es kostet eben alles, die Klamotten, Make-up, Friseurbesuche, Kosmetikerin, die Drinks am Abend und der Wochenendtrip nach Barcelona, vor ein paar Monaten der Trip nach Bali, so schöne Bilder auf Instagram waren das. Es ist ihr halt wichtig, mithalten zu können, aber jetzt gibt es nichts mehr zum mithalten, Unternehmen hat Homeoffice angeordnet bis auf weiteres, für wen soll man da noch schöne Kleider tragen, reisen geht ja schon lange nicht mehr. Und plötzlich ist wieder Geld auf dem Konto, der Kredit fast abbezahlt, schwarze Zahlen, und kein nagendes Gefühl mehr oder eine Nervosität, wenn die Kassiererin die Karte durchzieht, und keine Sorgen mehr am Monatsende. Schön, eigentlich, denkt sie sich.

Oder jemand in Kurzarbeit, Touristikbranche. Kurzarbeit! Erstmal Herzklopfen, Kloß im Hals, aber der Mensch gewöhnt sich an alles. Die Zahlen auf dem Gehaltszettel sind irgendwie anders, aber unterm Strich fast wie vorher. Die ersten drei Wochen fühlen sich noch wie ein langer Urlaub an. Dann die ersten Gedanken: eigentlich wollten sie ja schon länger raus aus der Branche. Vielleicht nochmal was anderes lernen, programmieren zum Beispiel, oder etwas mit einem Zertifikat. Gibt dem Alltag ja auch Struktur. Draußen wird es Sommer, dann Herbst, die ersten aus der Weiterbildung finden einen neuen Job, und auf einmal kommt auch für sie ein Angebot. Einfach so. Nichtmal gesucht. Ein neuer Name und eine neue Zahl auf dem Gehaltszettel, und der Stolz nicht zu ermessen.

Oder ein Typ, Millenial, der plötzlich viral geht auf TikTok. Zwei komma vier Millionen Aufrufe. Das ganze Nachrichtenfach voll. Bei einer bleibt er irgendwie hängen, sie albern rum und schicken sich gegenseitig lustige TikToks, dann Snapchat, dann geht er live und sie unterhalten sich, die ganze Nacht, schreiben, reden, sprechen, und es ist ernst und witzig und wahrhaftig. Nach ein paar Wochen treffen sie sich, an einem Ort genau in der Mitte, oder zumindest fast, beide kommen mit der Bahn, Schmetterlinge im Bauch, treffen sich am Bahnsteig und machen einen Spaziergang. Kommen sich nah, tun Dinge, für die man die Maske abnehmen muss, irgendwann liegt sie neben ihm und schläft und er denkt, dass er noch nie so glücklich war. Und wenn ihr Name auf seinem Display aufleuchtet, dann leuchtet auch etwas in ihm auf, hell und kräftig.

Eine gute Frage, denke ich, ob es die äußeren Umstände sind, die uns verändern, oder ob es immer und ausschließlich von innen kommt. Vielleicht ein bisschen wie ein Samen, tief drin in uns, der aufgeht, wenn die Zeit richtig ist. Und die Zeit ist für jeden von uns eine andere.

ein Tor

Frau Novemberregen isst einen Burger, und ich nicht. Mit Süßkartoffelpommes.

Ich arbeite. Dann gehe ich ins Bett, stehe auf, und arbeite. Gehe ins Bett, arbeite, stehe auf. Und arbeite. 150 Emails gerade pro Tag. Heute fünf Videokonferenzen, und diverse Anrufe in den kleinen Pausen dazwischen. Und ganz am Schluß noch diese eine wichtige Email geschrieben, sonst nichts erledigt bekommen.

Gutes Gespräch mit meinem Mentor gehabt, in den Abendstunden, während er mit seinem Hund durch den Regen spazierte. Ich brauche eine Assistent:in, meint er, nur woher nehmen und nicht stehlen. Hiring freeze.

Wenn ich ehrlich bin, dann wüsste ich schon, wie ich es mache. Mich zu entlasten, und mehr an andere delegieren. Mir fehlt nur gerade die Zeit und die Kraft, dies als noch ein weiteres, neues Projekt aufzusetzen und auszuführen. Und vielleicht ist da noch etwas anderes, das mich hindert, das mich zögern lässt.

Jeder Entwicklungsschritt ist wie ein Durchschreiten eines Tores. Ich stelle mir da immer eine Stadtmauer vor, und ein schmales, mittelalterliches Stadttor. Davor der Torwächter. Er hält die Hand auf. Was bist du bereit, zu geben?

Die Waschmaschine von Frau N. schaltet in den Schleudergang, ein Geräusch über meine Kopfhörer, das schneller und schriller und höher wird, ehe es aus dem Bereich der akustischen Wahrnehmung verschwindet.

Mit meinem Chef über die Zukunft der Arbeit gesprochen. Dass wir alle mehr und mit größerer Selbstverständlichkeit remote arbeiten werden, scheint selbstverständlich. Es werden auch Jobs verschwinden, neue hinzukommen. Deloitte sieht den Zuwachs ja vor allem bei den pflegenden und lehrenden Berufen, ich bin gespannt. Ich glaube eher an Lieferservice und Logistik. Meine persönliche These ist ja, dass alles, was im (hochqualifizierten?) Bereich an Automatisierung und Technologisierung an Zeit eingespart wird, sofort durch Bullshitjobs und Bullshitaufgaben ausgefüllt wird. Niemand braucht die 40-Stunden-Woche. Aber das System verlangt, dass die Leute von der Straße weggehalten werden. Weniger wegen der Obdachlosigkeit, mehr wegen den Demonstrationen. Die Berufswelt als Aufbewahrungsort, alle ordentlich einsortiert ins Regal. Wer hat da noch Zeit für den Umsturz? Ich habe nur noch Kraft für TikTok, konsumierend.

Vor einer Dekade oder mehr war ich einmal arbeitslos, fast ein Jahr. Ich wusste nicht, dass es so lange sein würde, ich dachte, mittendrin, es ginge nur noch ein paar Wochen so. Ich wünsche mir manchmal, ich hätte gewusst, dass es länger geht, und die Zeit anders genutzt, mehr verändert, Sprachkurs, Arbeit am Selbst, was erlebt. Aber die Tage vergingen, einer wie der andere, und ein Lebensjahr verschwand.

Hans Rosenthal hat sich mehr als zwei Jahre vor Verfolgung und Deportation in einer Kleingartenanlage versteckt. Er hat in seinem Buch geschrieben, dass er das Ganze nur aushalten konnte, weil er, als er ’43 in den Untergrund ging, annahm, dass der Krieg in maximal sechs Wochen vorbei sei. Ich habe ein ganz großes Unbehagen bei diesem Vergleich, denn es lässt sich nicht vergleichen, nichts davon, bis auf diese Kleinigkeit: dass wir alle auch jetzt auf diesen Horizont hinarbeiten, sechs Wochen, und uns nicht vorstellen können, nicht daran denken dürfen, dass es länger dauern könnte.

Sie quietscht und schrillt wieder, die Waschmaschine von Frau N. Der Burger war okay, so 80%, Lieferservice eben, sagt sie.

Wenn ich jetzt wüsste, ganz genau, wie lange es noch dauert, was würde ich dann machen mit meiner Zeit? Und jetzt sagt nicht, man kann ja eh nichts machen. Ich könnte eine Menge machen. Aber ich arbeite, und ich schlafe, und sonst nichts. Das ist das Problem.

Winterruhe

So ein Tag also, an dem nichts passiert.

Aufgestanden. Bisschen Internet. Geduscht und mich nett angezogen – ich habe da gerade Lust drauf, nicht nur Jogginghose, auch kein Business Casual oder die Dienstagshose, aber schon ordentlich, wie zu einem Samstagsausflug mit R. oder Francine, wenn man anschließend noch im Biergarten etwas trinken geht.

Telefonate mit zwei Dienstleisterinnen, dabei am Fenster auf und ab gegangen, während die Schneeflocken dicht fallen. Telefonat mit meiner Mitarbeiterin. Kommunikation über die Chatfunktion, paar Emails geschrieben. Videokonferenz mit etwa 30 Teilnehmer:innen, international, überraschend persönlich, und bei manchen ist der Schutzfilm sehr dünn, das merkt man. Einer hat kurz nebenbei seine divorce erwähnt, eine andere hat mehrmals erwähnt, wie wichtig mental health sei, da müsse man etwas dafür tun.

Mittags einen Durchhänger gehabt, mich nicht so produktiv gefunden, bisschen im Internet abgehangen. Die Apotheke hat ein Paket geliefert mit Masken, Händedesinfektion, Eisentabletten, Aspirin. Kurzes Gespräch mit meiner Mutter, der Schnee hat sich zu Regen gewandelt, sie geht aber trotzdem raus, spazieren. Gesundheit und so.

Plötzlich reingesogen worden in so einen Tunnel, größeren Chunk weggearbeitet, während es draußen dunkel wurde und dann Abend.

Videoanruf vom Geschäftsführer. Mir fällt auf, dass er sich jeden Tag bei mir meldet, sogar, wenn es nichts zu besprechen gibt. Unklar, ob er das macht, weil er denkt, dass ich es brauche, oder weil er es braucht. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es etwas positives ist, diese Aufmerksamkeit zu bekommen, sein Ohr zu haben, ihm wichtig zu sein, ein Mehrwert zu schaffen nicht nur durchs tun, sondern auch durchs Sein.

Nochmal im Tunnel eine oder zwei Stunden verbraucht, ohne zu spüren, wie die Zeit vergeht. Kurz vor acht Schluß gemacht. Nicht ganz zwölf Stunden, zuviel eigentlich.

Zwischendurch auf dem Weg zum Klo und zurück zum Schreibtisch gedacht, dass das alles ein bisschen wie Knast ist, nur mehr Quadratmeter. Stimmt natürlich auf vielen Ebenen nicht, aber ganz falsch ist es auch nicht.

Konzentriere, meditative, eremitenhafte Stimmung heute. Liegt vielleicht auch am Winter, wo eine Ruhe über allem liegt, und die Menschen früher kurze Tage hatten, nur das nötigste erledigten, die restliche Zeit mit monotone Handarbeiten oder Kunsthandwerk verbrauchten und früh ins Bett gingen.

Das mache ich jetzt auch.

Hallo Welt.

Vom 29. November 2020 bis zum 26. Januar 2021 war mein Weblog kaputt. Die Reparatur erforderte eine Deaktivierung eines Plugins per FTP, wobei sich der FTP-Login als Bottleneck erwies. Wie so viele Dinge, die man unendlich lange vor sich herschiebt, war es dann aber in einer guter Dreiviertelstunde erledigt. Mein Dank gilt wie immer meinem Accountability-Buddy Novemberregen.

In der Zwischenzeit ging die Welt mehr und mehr in einen COVID-19-Lockdown, seltsam hat sich das angefühlt. Erst wurde viel darüber geredet, die Geschäfte zu schließen, dann wurden die Geschäfte tatsächlich geschlossen, die Schulen haben lange Ferien gemacht und dann nicht wieder so richtig geöffnet, alle sollen „wo immer möglich“ ins Homeoffice, jetzt gerade werden die Grenzen dicht gemacht – vielleicht.

Neulich hat mich einer dieser indirekten Vorgesetzten im vertraulichen Gespräch gefragt, wie es mir denn so geht, mit der Pandemie und so, und ob ich Angst habe, und ich habe gesagt: ja.

Ja, und dann lasse ich die Angst zu, rede darüber, mit Francine zum Beispiel, schalte die Nachrichten aus, n-tv ist bei mir auf Sendeplatz 33, ich schalte ab and I try to ground myself in reality.

So gut das eben so geht, denn es gab einige Fälle mittlerweile in meinem direkten Umfeld. Ich hatte große Angst um die, die ich liebe und die mir wichtig sind. Die beste Freundin meiner Mutter ist schon geimpft worden, das ist die gute Nachricht.

Wir hoffen, dass es bald vorbei ist, dass im Sommer die meisten geimpft und es eine Rückkehr zur Normalität gibt. Ein Teil von mir ahnt jedoch, dass es noch ein paar Jahre so weitergehen könnte, ein Wettrennen zwischen den Varianten und dem Impfstoff, und die globalisierte Welt, die nicht einig und gleichzeitig handelt, immer zwei Schritte hinterher.

Und sonst? Weihnachten war okay. Trump wurde abgewählt, das Capitol gestürmt, ein Flüstern von Putsch über allem, aber dann doch nicht. Ein Glück. Brexit ist erfolgt, ein langsames, zähes Unglück.

Beruflich war 2020 mein bisher erfolgreichstes Jahr, von allen Seiten nur Lob. Und ich spüre es auch selbst, dass ich einen großen Sprung gemacht habe, großes umgesetzt und bewältigt, mit Schweiß und Tränen bezahlt, in etwas hineingewachsen wie ein Reptil, das sich häutet, und mein Blick hängt noch einen Moment an meiner alten Form, ehe ich weitergehe.

Ich erlebe nichts gerade. 2021 war ich tatsächlich ein paar Tage im Büro, jetzt wieder zuhause, seit zwei Wochen oder so?

Gerade das möchte ich gerne aufschreiben, wie es ist, wenn nichts passiert. Es klingt absurd, aber es reizt mich gerade sehr, und ich bin froh, dass ich gerade jetzt, wo so vieles nicht mehr möglich ist, wieder etwas schreiben kann.

28. November 2020

Größten Teil des Tages mit einer Grundreinigung des Wohnzimmers verbracht, also alles rausgeräumt, alles möglich abgestaubt oder mit Glasreiniger glasgereinigt, Staubsaugerroboter laufen lassen, Wohnzimmer und Küche gewischt, alles wieder reingeräumt. Zwei Ladungen Wäsche, Bett neu bezogen, Bad geputzt. Biomüll, gelber Sack, Badezimmermüll, Papiermüll (ein Korb, zwei Kartons) und Restmüll entsorgt. Den kleinen Biomüllbehälter in der Küche innen ausgewaschen. Spülmaschine etc. Eigentlich bin ich noch nicht fertig, müsste noch das Schlafzimmer saugen, aber lassen wir das. Zwei Ladungen Wäsche sind auch noch offen.

Ich schaffe alles, außer den Haushalt, der schafft mich. Dabei ist es ganz einfach: der Haushalt ist dann zu schaffen, wenn ich mir jeden Tag dafür Zeit nehme. Wenn ich entscheide, diese Zeit lieber meiner Erwerbstätigkeit zu schenken, oder mir selbst, als Burnout-Prävention, dann läuft es halt nicht.

Dort, wo meine Mutter mit meinem Vater gewohnt hat, gab es zwei Nachbarn: die Nachbarn nebenan, ein in jeweils zweiter Ehe verheiratetes Paar mit einer ganz schrecklichen, unangenehmen Frau, und das sehr nette Ehepaar gegenüber mit einer total freundlichen, angenehmen Frau. Eines Tages habe ich die nette Nachbarin gefragt, warum sie glaubt, dass der Nachbar mit dieser schrecklichen Frau verheiratet ist (die nette Nachbarin und die schreckliche Nachbarin kannten sich gut, daher die Frage). Und die nette Nachbarin sagte: „er braucht die Dienstleistung.“ Sie meinte putzen, waschen, einkaufen, kochen, die schreckliche Nachbarin war nämlich Hausfrau, ihr Mann beruflich ziemlich eingespannt.

Ich denke da noch manchmal dran, ist schon eine Weile her, und seufze, denn ich brauche die Dienstleistung auch. Meistens fällt mir dann sehr schnell wieder ein, warum das ein bisschen kompliziert ist, was ich schon alles probiert und was nicht geklappt hat, und dann seufze ich nochmal, und schrubbe die Spüle mit Edelstahlreiniger.

Minimalst-Weihnachtsdeko habe ich auch aufgebaut, also den Plastik-Adventskranz aus der Truhe geholt und die vier verbliebenen Kerzen aus dem 8er-Pack des Vorjahres reingesteckt. Paar Zweige in eine Vase gesteckt, Lichterkette drüber, gefällt mir aber nicht. Weihnachtspyramide aufgestellt, geerbt von meiner Tante. Dazu das Weihnachtsoratorium gehört, bisschen an Francine gedacht, das war sehr vergnüglich. Lasset das Zagen, verbannet die Klage, Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an! heißt es da, dies dann auch getan.

Kontakttagebuch: Muttern, kurz, hat mir heute was vom Supermarkt mitgebracht, war aber.. nicht ganz das richtige.