23/31

Lange gebraucht am Morgen, leicht kopflos in dem kleinen Apartment hin- und hergerannt. Verschiedene Outfits ausprobiert und mich langsam in die verwandelt, die ich heute sein will.

Erst war der U-Bahn-Eingang gesperrt, dann fuhr die U-Bahn nicht. Kurzentschlossen eine andere Linie genommen, bisschen weit zu laufen, und mich mehrfach trotz Navi verlaufen. Ziemlich verschwitzt angekommen und – abgesehen vom Trainer – die erste gewesen. Der Trainer und ich kennen uns gut und sind uns sehr sympathisch. Auch die nach und nach eintröpfelnden anderen Teilnehmenden sind nett und interessant; es entspinnen sich gute Gespräche über unsere Firmenkultur, Verbesserungsmöglichkeiten, Statistik. Ich sage manchmal, so als geflügeltes Wort, dass nichts einfach ist in unserem Unternehmen, aber gerade fühlt sich alles leicht an.

Wir unterbrechen ein paar Mal, für kleinere Pausen und Lunch, es wird Rücksicht genommen auf ein 15-minütiges Meeting von mir, das ich per Videocall absolviere. Nach dem Training bleibe ich mit dem Trainer noch ein bisschen sitzen, wir reden über dies und das und dabei natürlich über das, was wirklich wichtig ist. Er verabschiedet sich, und ich mache noch einen Videocall mit meinem Geschäftsführer, der gut drauf und gerade ziemlich lustig ist. Ich schreibe noch einen beruflichen Text, es ist wie manchmal beim bloggen: wenn es sich leicht liest, war es schwierig zu schreiben. Als ich fertig bin, halb acht Ortszeit, stelle ich fest, dass ich mich auf der Konferenzetage eingeschlossen habe. Die Aufzüge funktionieren nicht mehr. Zum Glueck weiss ich mir zu helfen, finde ein Festnetztelefon, in dem die Nummer der Rezeption eingespeichert ist. Man lässt mich über den Lastenaufzug raus.

Als ich raus auf die Straße trete, nieselt es leicht. Ich bin erst indigniert und denke dann: passt.  

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 7/10
Druck: 8/10
Schlaf: 6/10

22/31 – Popcorn

Mit Uber vom Flughafen in die Stadt hineingefahren bzw. hineinfahren lassen.

Es gibt bei Taxi- und Uberfahrern immer so eine Zwischenphase, wo noch nicht ganz klar ist, wieviel Gespraech erwuenscht ist. Von den Fahrern (Fahrerinnen begegne ich praktisch nie) kommen immer so Anstandsfragen: wo komme ich her, wieso bin ich hier (fast schon philosophisch}, wie ist das Wetter dort, wo ich herkomme. Ich versuche, das Gespraech dann ein bisschen auslaufen zu lassen, so auch heute. Der Fahrer hörte gute Musik, es war kein Radio. Er trommelte dazu auf dem Lenkrad. Ich schaute aus dem Fenster, und plötzlich: ein Lied von The Cure.

Schön war das, und wir hatten dann beide Lust auf ein Gespraech. Ich erzaehlte, dass ich The Cure dieses Jahr in den USA gehoert hatte (das hat ihn nicht so interessiert, ich habe erst spaeter verstanden, warum nicht). Er erzaehlte, dass er in seinem Kinderzimmer ein Poster von Robert Smith hatte (ich habe erst spaeter verstanden, wie bedeutsam das war). Wir hörten uns gemeinsam durch die Red Hot Chilli Peppers, Tears for Fears, Prince, America (horse with no name), INXS. Sprachen ueber Nina Simone, und ueber Funky Jazz, da musste ich dann passen.

Er sei frueher Drummer gewesen in einer Band. Was aus der Band geworden sei, fragte ich. So ganz verstanden habe ich seine Erklaerung nicht. Sie haetten immer weniger miteinander gespielt. Er habe geheiratet und eine Tochter bekommen. Ich seufze und spreche ueber die Schwierigkeit, nur ein Leben leben zu können, sich entscheiden zu muessen, sonst entscheiden andere fuer einen. Er laechelt sybillisch, soweit ich das im Rueckspiegel erkennen kann.

Er erzaehlt, dass er als Jugendlicher die deutsche Musikzeitschrift POPCORN zugeschickt bekommen hat, they mailed it to Iran, aber wegen der freizuegigen Cover musste die Zeitschrift immer in einen undurchsichtigen Umschlag geschickt werden, you know it was forbidden.

You are from the Iran?? frage ich ueberrascht, ich hatte bis dahin tatsaechlich gedacht, er sei Brite. Er sei schon hier, seit er Anfang zwanzig ist. Wir sprechen ein bisschen ueber den Iran im Allgemeinen, was fuer ein schönes Land, was fuer ein reiches Land, so viele junge Menschen, es ist alles sehr traurig. Wir bleiben, was die aktuelle politische Situation angeht, auf sicheren Boden.

Ich frage ihn, ob er den Iran noch einmal besucht hat, oder ob er dies wegen drohendem Kriegsdienst oder Inhaftierung nicht mehr konnte. Er sagt, er habe seinen Wehrdienst abgeleistet. Er sei sechs Monate vor Kriegsende eingezogen worden und haette an der Front gekaempft, ich verstehe nicht genau, welcher Krieg, aber ich glaube, der erste Golfkrieg.

Er hatte zweimal versucht zu fliehen. Das erste Mal mit vierzehn, da sei er sehr naiv gewesen (ich denke, wer war das nicht mit vierzehn?). Er haette sich einfach auf den Weg zur Grenze gemacht, sei dort aber festgenommen worden. Festgenommen und in die Wueste gebracht worden, mit verbundenen Augen, sie haben ihn bis zwanzig zaehlen lassen. Eine Scheinexekution, aber er benutzt das Wort nicht.

Das zweite Mal ein paar Jahre spaeter, mit Schleusern, aber sie seien in der Grenzregion aufgeflogen. Er musste ins Gefaengnis, sein Vater hat Land verkauft und hat ihn nach einem Monat rausbekommen. Dann die Front, und in den Wirren des Kriegsendes hat er es nach Schweden geschafft, wo eine seiner Schwestern lebte. Weil er aber in Schweden nicht bleiben konnte, wollte er nach Kanada, mit einem gekauften Pass, Umstieg in London, dort haben sie ihn dann erwischt, drei Monate Abschiebehaft. Er konnte dann in UK bleiben, weil ihn Schweden nicht mehr zuruecknehmen konnte und auch nicht musste. Im Iran, da sind wir uns einig, ohne dass es einer von uns beiden aussspricht, waere er umgebracht worden. Also blieb er in London, dreizehn Jahre lang, ohne Pass, also – mit einem iranischen Pass, da waere gar keiner vielleicht doch besser gewesen. Er konnte nicht reisen, die Band hat Einladungen bekommen in die USA, in die ganze Welt, aber er konnte nicht mit.

Er haelt an. Wir sind da. Ich bedanke mich aus ganzem Herzen.

Er hatte ein Poster an der Wand von The Cure, in seinem Kinderzimmer im Iran.

21/31

Riesen-Streit mit einer Freundin wegen dieses Weblogs.

Der Rest des Tages sehr dicht: viel Zeit aufgewendet, um zu packen für eine Reise morgen gemischt aus dienstlichen und privaten Terminen, verschiedene Temperaturen, viele Geschenke, Währungen, Stromkabel. Die Wohnung in Ordnung gebracht, diverses erledigt, das nicht bis zu meiner Rückkehr warten kann; Retouren bei Hermes und der Packstation abgegeben, eine Karte eingeworfen, solche Sachen.

Der Mond, voller als eine Sichel, aber noch kein Halbmond, hell wie eine Silbermünze zwischen den Bankentürmen stehend.

Aus Gründen heute keine Statistik.

20/31

Durchwachsener Tag. Niemanden so richtig gerecht geworden: der Arbeit nicht, mir selbst nicht, und der To-do-Liste auch nicht.

Trotzdem glücklich gewesen, einen Moment lang, am Nachmittag. Ein schöner Geruch von nassem Laub in der Luft.

Darüber nachgedacht, ob es gut wäre, die wertende Instanz in mir drin auszuschalten, oder zumindest: runterzufahren. Die, die sagt: es ist nicht genug.

Nur, sie sagt eben auch manchmal: es ist genug. Es ist gut so, wie es ist.

Komisch, denke ich, dass das Glücklichsein so gerne in den Zwischenräumen stattfindet, im Trivialen, wo ich es nicht erwarten würde. Nach dem Videocall, die nächste Email schon halb getippt. Beim Rausbringen des Papiermülls. Während die Wäsche schleudert.

In Fragmenten.

Statistik:
Laune: 6/10
Fitness: 6/10
Druck: 8/10
Schlaf: 5/10

19/31 – japanisch

Um vier Uhr irgendwas aufgewacht, nicht mehr einschlafen können. Den ganzen Tag habe ich die Müdigkeit nicht gespürt, aber jetzt gerade haut es mich aus den Latschen.

Guter Arbeitstag, endlich angefangen, die eine Richtlinie zu schreiben, die ich schon eine Weile vor mir her schiebe. Gute Gliederung erstellt und die ersten 15% geschrieben.

Das Geschenk von Kassandra ausgepackt und mich sehr gefreut.

Abends das Auto abgeholt, es ist jetzt gewartet, hat eine neue Windschutzscheibe, und Winterreifen aufgezogen. Ein kurzer Schmerz, wenn ich die ec-Karte an das Kartenlesegerät halte, aber das geht vorbei.

Genüsslich durch den Edel-Edeka geschlendert, noch ein paar Geschenke für die Kollegen gekauft, paar Delikatessen für mich. Ein kurzer Schmerz, wenn ich die ec-Karte an das Kartenlesegerät etc…

Mit dem Auto den langen Weg zurück genommen, mich gefreut, wie gut der Wagen auf der Straße liegt, das Fahrgefühl genossen. Novemberregen steht ja Autos völlig leidenschaftslos entgegen, vielleicht findet sie sie sogar ein bisschen nervig. Ich habe mich heute ziemlich gefreut, als ich mein Auto im Werkstatthof stehen sah. Schick, fast schon ein bisschen sexy sah es aus, es hatte ein bisschen geregnet, und die Tropfen perlten am schwarzen Lack… naja, ich höre besser auf. Jedenfalls, ich glaube, es hat sich auch ein bisschen gefreut.

Was mein Auto wohl über mich denken würde, wäre es eine denkende Entität? Leicht schräge Frau, bisschen gewöhnungsbedürftig. Weiß, was sie will. Zuverlässig. Kümmert sich gut. Exzellenter Musikgeschmack. Mag die Geschwindigkeit, sonst aber eher risikoavers. In ihren besten Momenten ist es mit ihr wie fliegen. Alles Zen.

Was ich an meinem Auto mag: beschleunigt schön. Heizt im Winter sehr gut, und kühlt im Sommer ordentlich. Guter Sound. 360 Grad Kamera und allerhand Sicherheitsfeatures. Teilt mir freundlich, aber bestimmt mit, wenn ich gerade was falsch mache. Ansonsten eher zurückhaltend und still, aber ich weiß, was wirklich in ihm steckt. In den besten Momenten ist alles leicht, und ich bin ganz bei mir.

Man kann da jetzt allerhand hineininterpretieren, muss ich nicht aufschreiben, können Sie sich selbst denken.

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 6/10
Druck: 7/10
Schlaf: 4/10

18/31

Zu spät ins Bett, schlecht geschlafen, zu spät aufgestanden. Gehetzter Morgen, im Dunkeln vier Winterräder in den Kofferraum gewuchtet, und das Auto zur Inspektion/Reparatur Windschutzscheibe/Reifenwechsel gebracht. Immerhin ein Rundumschlag, und die Räder einlagern kann ich dort auch, nachdem mich die letzte Werkstatt rausgeworfen hat (sie ziehen um).

Zäher Start ins Home Office, ich komme nicht richtig in Schwung, keine Energie, und ärgere mich darüber. Unschlüssig, ob es ein reines Disziplin-Thema ist, oder ob da auch ein paar körperliche Themen rein spielen – mir fehlt es an Kraft. Paar Videocalls gemacht, die To-do-Liste strukturiert, das hilft, auch wenn sie dadurch längst nicht abgearbeitet ist.

Gegen Nachmittag lässt der innere Druck nach, ich finde mich damit ab, heute nicht den Fortschritt erreicht zu haben, den ich mir gewünscht hätte. Bisschen Haushalt, aufgeräumt, Wäsche sortiert, eine Ladung durchgewaschen. Beim Abendessen die Nachrichten geschaut, also im Fernsehen, schon lange nicht mehr gemacht. Danach so aufgewühlt gewesen, dass ich spontan noch bei meiner Mutter vorbeigeschaut habe, um die Geschehnisse mit ihr zu besprechen.

Traue mich gar nicht zu fragen, wie es wohl Kassandra geht gerade.

Die Heizung angestellt.

Hätte gerne mehr gelesen heute.

Statistik:
Laune: 6/10
Fitness: 6/10
Druck: 7/10
Schlaf: 5/10

17/31 – bubble tea

Eine gewisse Leichtigkeit gespürt am Tag nach dem Coaching. Das macht die Arbeit am Selbst, wie ein Einrenken, ein Knacken der Knochen. Wieder aufrechter gehen.

Gut gearbeitet, viele gute Ideen, paar wichtige Sachen fertig gemacht, Spaß an der Zusammenarbeit mit anderen gehabt.

In der Mittagspause ein paar Geschenke für die Kollegen am anderen Standort gekauft, ich gehe bald auf Dienstreise. Einen Blazer von der Änderungsschneiderei abgeholt (Ärmel gekürzt), in der Schlange beim Japaner hinter einem jungen, sehr modischen Mann mit langen Acrylnägeln gestanden, das sah richtig gut aus. Zum Bento noch einen Bubble Tea getrunken und kurz von einem Leben mit einer Routine geträumt, in der ich jeden Dienstag Bubble Tea trinke.

Weitergearbeitet, irgendwann Feierabend gemacht und noch bei meiner Mutter vorbeigeschaut. Sehr gutes Gespräch gehabt.

Freue mich sehr auf mein Bett gerade. Vielleicht lese ich noch ein bisschen.

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Schlaf: 7/10

16/31

Abends Termin zum Wir-nennen-es-nicht-Therapie-sondern-Coaching. Nur anderthalbmal und auch nur kurz geweint. Ich denke ja, ich habe mich ein- oder zweimal in meinem Leben zu viel zusammengerissen, anstatt einfach einen gepflegten Nervenzusammenbruch zu haben (hier zum Beispiel), und habe stattdessen jetzt ein kleines Trauma, eine Beschädigung.

Ich hatte diese Zeit vergessen, in der ich kostenlose Zeitschriften für ihn gesammelt habe.

Was für eine grausame, absurde Unverschämtheit, alles zu geben für jemanden, der krank ist, und am Ende stirbt er.

Der Schmerz ist laut und hart und schneidet mich. Das Richtige getan zu haben – das ist ein sehr leises Gefühl, eine stille Gewissheit, deren Unerschütterlichkeit ich vielleicht zu wenig zu schätzen weiß.

Hätte ich mehr tun können? Ja. Aber mit welcher Kraft? Von welchen Ressourcen?

Einmal in meinem Leben bin ich ganz leer gewesen. Rock bottom. Ich bin zu einer geworden, die gut ist in der Krise, und das ist schön, und das ist schrecklich.

Warum ich immer so viel Druck verspüre, dem widmen wir uns beim nächsten Termin, in vier Wochen. Wer hier mitliest, ahnt vielleicht schon die Antwort. Ein hoher Anspruch an mich selbst, ein inneres Kind mit viel Kraft, starke Werteorientierung, diverse Narben aus zehn schlechten Jahren (2006 – 2016). Da hat man viel zu tun.

Der Tag heute hätte 2 oder 3 Stunden länger sein können. Keine Zeile in meinem Buch gelesen, schade.

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 7/10
Druck: 7/10
Schlaf: 8/10

15/31 – consent

Das tägliche Bloggen hat einen Haken. Ziemlich lange kann man um das herum schreiben, über das man nicht schreiben kann, aber irgendwann wird es eng.

Ich habe bekanntlich keine allzu großen Schwierigkeiten, über meine Gefühle zu schreiben, ich habe sogar ein großes Interesse daran, mich an das heranzutasten, was ich in mir drin schwer zu benennen finde. Aber ich versuche, nicht zu viel über die anderen Menschen in meinem Leben zu schreiben, denn dafür haben sie nicht eingewilligt. Frau Novemberregen und ich haben eine Art von Absprache, in wie weit wir im Blog der anderen vorkommen wollen, das klappt ganz gut. Ich hoffe, Francine, Kassandra, und der zauberhaften Sarah ist es recht, hier hin und wieder genannt zu werden. Ich erwähne meine Mutter, vor allem die Dinge, die wir gemeinsam machen. Es bleibt vieles unerzählt. Ich versuche, über meine Arbeit und die Kollegen auf eine Art zu schreiben, die nicht sehr viel Wiedererkennung erlaubt, wie eine Kamera in einer Fußgängerzone.

Jedenfalls, ein paar Sachen, die ich heute gemacht und erlebt habe, gehören hier nicht her. Es ist gar nichts schlimmes, es ist gar ziemlich alltägliches, aber es ist nichts fürs Blog.

Ich war mit meiner Mutter in der Stadt, wir haben etwas gegessen und uns sehr gut unterhalten, vor allem über meine Arbeit. Ich habe einen Kollegen an einem anderen Standort, der mir gegenüber hin und wieder respektlos ist. Gleichzeitig liefert er nicht gut ab. Ich werde dazu mit ihm das Gespräch suchen müssen. Ich habe mit meiner Mutter darüber gesprochen, welche Erwartungen ich an ihn und an dieses Gespräch haben kann. Im Kern geht es um einen Wertekonflikt zwischen ihm und mir, so etwas ist immer schlecht bis gar nicht aufzulösen. Schwierig. Aber sehr schön für mich, dass ich über so etwas in sehr großer Tiefe mit meiner Mutter sprechen kann.

Gerade noch meine Freundin R. angerufen. Ich sehe sie leider zu wenig. Vieles passiert in ihrem Leben, und mir fehlt die Zeit.

Ein neues Buch angefangen, das mich sehr erfreut.

Die nächsten zwei Wochen werden hart.

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Schlaf: 8/10

14/31 – Obligationen

In den Tag hineingetrödelt, ein angenehmes, beinahe köstliches Verschwenden der Zeit. Lange im Bett geblieben, dann im Sessel gesessen und gelesen, gegen Mittag wieder ins Bett gegangen und zwei oder drei Stunden geschlafen.

Ich spüre manchmal ein großes Bedürfnis in mir, mich hinzulegen. Mein Körper sehnt sich nach dem sehr spezifischen Gefühl der Matratze unter mir – firm, aber doch irgendwie glatt. Druck und Gegendruck, genau richtig viel. Es ist schön, diesem Wunsch einfach nachgeben zu können.

Es fühlt sich an, als sei dies der letzte Tag ohne Obligationen für lange Zeit. Das stimmt natürlich nicht, ich glaube, nächster Samstag ist auch frei, dann aber tatsächlich erst wieder im November. Und es stimmt natürlich auch nicht, dass dieser Tag gänzlich frei von Obligationen wäre. Obligationszeit heißt es in dem Buch über die Zeit, das ich noch keine Zeit hatte, fertig zu lesen, und es bezeichnet die Zeit, die man braucht, um das Leben am Laufen und organisiert zu halten.

Gegen vier Uhr beginnt meine Obligationszeit. Ich mache mir Gedanken zur Urlaubsplanung im November, google nach Flügen, Hotels, Urlaubsorten. Bespreche mich dazu mit meiner Mutter per Videocall, als wir auflegen, ist es halb neun. Wir haben Klarheit gewonnen, aber noch nichts gebucht. Ich atme durch und bestelle dann quer durch das Internet: Kontaktlinsen, einen neuen BH, Hosen, Jacken, Shirts. So richtig schöne, crispe Sneaker hätte ich noch gerne, aber keine Muße mehr zum Aussuchen.

Große Lust, ein richtig schönes Buch zu lesen.

Luxusprobleme.

Statistik:
Laune: 8/10
Fitness: 7/10
Druck: 6/10
Schlaf: 8/10